Humor in den Religionen
Hi.
Humor kann innerhalb des religiösen Denkens, soweit dieses theistisch ist, nur in Ausnahmefällen erscheinen. Theistische Religion (= Theismus) ist nämlich von seinem genuinen Kontext her eine absolut todernste Angelegenheit. Das hängt mit zwei voneinander unabhängigen Umständen zusammen:
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Das religiöse Denken entstand in prähistorischer Zeit in der Auseinandersetzung mit den Themen Tod und Geburt.
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Das theistisch-religiöse Denken in historischer Zeit (seit dem Aufkommen von Schrift und Königtum) stand immer im engsten Zusammenhang mit gewaltgestützter Herrschaft durch eine Elite aus Kriegern und Priestern.
Der erste Punkt bildet die ´natürliche´ Basis religiöser Spekulation, im zweiten Punkt kommt ein politischer Aspekt ins Spiel, der nicht zum ´natürlichen´ Wesen des Religiösen gehört, sondern den Menschen von einer starken Elite aufgezwungen wurde. Thematisch gehört Punkt 1 immer noch zum motivischen Gesamtrahmen des Theismus, wurde geschichtlich aber aber für die Interessen einer Elite politisch instrumentalisiert. Das im einzelnen aufzuzeigen würde den Rahmen des UP allerdings sprengen.
Klar ist, dass Humor innerhalb des religiös-theistischen Denkens keinen Platz hat, einfach deswegen, weil Humor, gleich wie man ihn definiert, auf jeden Fall jene Art von zersetzender Kraft hat, die der Strenge eines theistischen Systems absolut zuwiderläuft. Theismus will Angst erzeugen, vor allem in Form von Schuldgefühlen, die das Verhalten des Gläubigen kontrollieren und steuern.
Man muss allerdings differenzieren zwischen den polytheistischen Systemen und den späteren monotheistischen Systemen. Im Polytheismus gibt es aufgrund der vielfältigen Götterkonstellation ein gewisses Potential für humorige Elemente bzw. für Elemente, die wir Heutigen als humorig interpretieren können, auch wenn diese Interpretation im Einzelfall anachronistisch sein mag. Insbesondere die sexuelle Thematik eignet sich für ein solches Verständnis, da das Sexuelle mit einiger Sicherheit kultur- und zeitenübergreifend zum Lächeln oder Lachen herausfordert. Man kann also davon ausgehen, dass entsprechende polytheistisch-mythologische Darstellungen die Empfindung von Lustigkeit (im doppelten Wortsinn) im Hörer oder Leser hervorriefen.
Ich zitiere nachfolgend ein Beispiel für pornographische Poesie aus dem alten Sumer: Die Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin Inanna (bis etwa zur Zeit Hammurabis die wichtigste mesopotamische Gottheit überhaupt) fordert ihren Geliebten, den Hirtengott Dumuzi, zum Geschlechtsakt auf:
Meine Vagina, ein Hügel, der geöffnet und bewässert ist,
meine, der Jungfrau, (Vagina) – wer wird ihr Pflüger sein?
Meine Vagina, die feuchte, bewässerte,
meine, der Herrin, (Vagina) – wer wird den Ochsen (gud) dorthin bringen?
Pflüge in meiner Vagina, Mann meines Herzens!
In der ägyptischen Mythologie gibt es eine allerdings volkstümliche Variante des sog. Mythos von dem Gericht der Neunheit, in welchem ebenfalls sexuxelle Themen angeschlagen werden, und zwar in offen humoresker Weise, denn es geht um Homosexualität, die im alten Ägypten zwar toleriert, aber nicht gesellschaftlich ´normal´ war, von daher also ein Gegenstand des Spotts. Natürlich war diese Variante nicht Bestandteil der offiziellen ägyptischen Mythologie, da sie die ägyptischen Götter alles andere als ehrfurchtgebietend schildert.
Ich zitiere aus einer Zusammenfassung, da mir die längere Version von Brunner-Traut gerade nicht als copypaste-fähige Datei verfügbar ist.
Das nächste Mal traf sie (= Göttin Isis) Seth (= ihr göttlicher Bruder), der vor Schmerzen brüllte und seine Schwester beschwor, ihn aus Mitleid zu verschonen. Diesem Wunsch kam Isis nach. Horus (= göttlicher Sohn von Isis) war sehr verärgert darüber, stieg aus dem Wasser und schlug seiner Mutter den Kopf ab.
Als die Götter das sahen, beschlossen sie Horus zu strafen, indem sie Isis einen Kuhkopf gaben.
Wieder erschienen alle vor dem Göttergericht. Re befahl Horus und Seth, dass sie endlich in Eintracht leben und aufhören sollen, um das königliche Amt zu streiten.
Daraufhin lud Seth Horus ein, um mit ihm ein Fest der Versöhnung zu feiern. Abends schliefen beide miteinander. Horus war listig genug, um den Samen von Seth in seiner Hand aufzufangen. Er brachte den Samen seiner Mutter, als Seth eingeschlafen war. Isis schnitt Horus die Hand ab, warf sie ins Wasser und zauberte ihm eine neue. Dann nahm sie den Samen von Horus und benetzte damit das Frühgemüse des Seth.
Als nun am anderen Morgen Seth wieder vor Gericht erschien, um anzugeben, dass Horus für das Amt unwürdig sei, weil er ihn beschlafen hat, erwies sich Isis wiederum als die Klügere. Denn als Thot den Samen des Seth anrief, antwortete dieser vom Grunde des Gewässers, wohin Isis die Hand des Horus geworfen hatte. Aber als Horus nun sagte, er habe den Seth beschlafen, und Thot den Samen des Horus aufrief, antwortete dieser aus dem Haupt des Seth. Thot gebot dem Samen herauszukommen. Er erschien wie eine Krone auf dem Haupt des Seth. Thot nahm sie und setzte sie dem Horus auf. Damit krönte er ihn ein weiteres Mal.
Zum jüdischen Religions-Humor ist zu sagen, dass er selbstverständlich nicht zum ursprünglichen Judentum gehörte, sondern eine Art Reaktionsbildung auf die vielen antijüdischen Witze ist, welche sich die Juden in den vielen Jahrhunderten der Diaspora und damit verbundenen Unterdrückung natürlich oft anhören mussten. Sie entwickelten ihre Rabbi-Witze auf der Grundlage der antijüdischen Witze, aber auf eine Weise, die so sympathisch wirkt, dass den feindlichen Witzen quasi der Wind aus den Segeln genommen wurde.
Im Einzelfall ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob ein Witz tatsächlich von Juden erfunden wurde. Der folgende z.B. scheint mir außerjüdischen Ursprung zu haben:
Ein Rabbi ärgert sich darüber, dass viele der Gläubigen ohne
Käppi in die Synagoge kommen. Also schreibt er an den Eingang:
„Das Betreten der Synagoge ohne Kopfbedeckung ist ein dem
Ehebruch vergleichbares Vergehen.“
Am nächsten Tag steht darunter:
„Hab ich probiert. Kein Vergleich!“
Ein anderer, mit Sicherheit echter jüdischer Witz:
„Unser Rabbi spricht mit Gott selbst.“ „Das ist doch nicht wahr!“ „Doch. Würde Gott etwa mit einem Lügner sprechen?“
Die Pointe besteht natürlich in der zirkulären Argumentation. Das zu Beweisende (dass der Rabbi mit Gott spricht) dient als Argument für die Wahrheit der Behauptung.
Folgender buddhistischer (also nicht-theistischer) Witz ist ebenso simpel wie genial:
Ein Mann beobachtet, wie ein buddhistischer Mönch auf einer grossen Wiese genau gegen einen Baum läuft und zu Boden geht. Er geht zu ihm hin.
„Wieso bist Du denn gegen den Baum gelaufen? Du hättest doch rechts oder links vorbeigehen können.“
Sagt der Mönch : „Ich wollte den mittleren Weg nehmen.“
Chan