Hallo!
Wir haben im Englisch-LK Shakespeare gemacht
Wir haben Französisch-LK Molière gelesen
Aha. Toll.
Ja, weil diese beiden Herren nämlich die wichtigsten Schriftsteller des jeweiligen Landes waren, und deswegen für das Verständnis der Kultur wichtig sind, aber ihr Naturwissenschaftler sucht ja immer nach absolut praktisch verwertbarem…
Und wenn ich nun hier schreibe, wie viele Sachen in
Westdeutschland nicht in Mathematik, Physik, Chemie, Technik
und so fort behandelt wurden (werden)?? Soll ich?
Es wäre eine lange Liste…
Und die Liste wäre noch länger, wenn ich aufzählen würde, was die Schüler in Frankreich in Mathe nicht machen, die das Bac nicht auf dem S-Zweig machen. Meine Kollegin hatte das Wort „Integralrechnung“ (und stell dir vor, obwohl es nicht mein Fach ist, weiß ich, was das auf Englisch heißt, und wir haben es ihn ihrem Wörterbuch nachgeschaut, deshalb kann ich ganz sicher sein, dass sie weiß, was ich meine) noch NIE gehört.
Aus Neugierde schlug ich sogar einmal die zeitgenössischen
Lehrpläne der 50er und 60er nach und zog mir einige
Abiturprüfungen der BRD rein. Abgesehen von der Ära der
umstrittenen „Neuen Mathematik“ fiele eine Gegenüberstellung
des LK mit der Einheitsschule der DDR bestenfalls dürftig aus
- im tiefsten dreigliedrigen Schulsystem, in der höchsten
Schulform, und in lahmarschigen 13 Schuljahren!!
Der Unterschied war aber schon damals, dass ca. 15 Prozent aller DDR-Schüler Abitur machten, aber schon deutlich mehr im Westen…
Warum so ein Geblöke zum Stoff? Warum verhauen die
Erzfanatiker des gegliederten Schulwesens ausschließlich die
integrierten Schulsysteme, die keinesfalls den deutschen
Prämissen in der Bildung folgen und oft nur dadurch der
typisch teutschen Lästerkultur Angriffspunkte bieten?
Nenn mir eines, dass den Prämissen der deutschen Kultur folgt, d.h. auf allgemeine Bildung anstatt von früher Spezialisierung und Fachidiotentum setzt. Finnland zählt nicht. Die mögen zwar von der DDR kopiert haben, haben aber neulich in einem eigenen Leistungstest festgestellt, dass ihre Schüler plötzlich nicht mehr lesen können…
Wir könnten in der BRD froh sein, wenn wir die Luxusprobleme
Finnlands, Schwedens, Kanadas oder Japans im Bildungssystem
hätten!
Du hast die neuesten Entwicklungen nicht verfolgt, oder? Finnland hatte ich schon erwähnt, das schwedische Schulsystem bröckelt gerade gewaltig und Eltern, die was auf sich halten, schicken ihr Kind deshalb auf Privatgymnasien. Beide Länder (so wie auch die DDR!) hatten eine äußerst homogene Gesellschaft. Jetzt erhöht sich in beiden der Ausländeranteil, die Homogenität ist dahin - und ups, es funktioniert nicht mehr… GB hat eine sehr heterogene Gesellschaft, und die soziale Mobilität ist gleich Null (sogar schlechter als in Deutschland!). Außer in Nordirland, und die haben noch flächendeckend Gymnasien. Weil man sich da eben eine bildungsfreundliche Atmosphäre nicht kaufen muss.
Und eine wahrhaft absurde Ironie tut sich mir auch immer
wieder auf:
Die Bayern sind derart verdummt, daß sie bis aufs Blut das
preußische Schulwesen verteidigen - die ostmitteldeutsche,
protestantische, dreigegliederte Schule der Ständegesellschaft
des 19. Jahrhunderts. Ein Gassenhauer.
Das Schulsystem hat sich in Bayern relativ parallel zu Preußen entwickelt… von selbst.
Und welche Ertrag bringen Shakespeare und Molière?
Eine tiefere Kenntnis der Kultur, wie oben gesagt.
Was soll Dein gelobtes Gymnasialniveau sein?
Dass ein Jugendlicher, der eine Sprache fürs Abitur macht diese auch SPRECHEN kann (im Sinne von: einen einigermaßen fehlerfreien Satz bilden und den so artikulieren, dass ihn ein Muttersprachler versteht). Versuch das mal mit den Franzosen. Mein seit 3 Jahren verrostetes Französisch taugte zur Konversation besser als das Englisch der Französin, die sich die letzten 3 Jahre damit beschäftigt hatte, die Sprache zu STUDIEREN.
Sehe ich unsere Schüler am Gymnasium, kommt mir die kalte
Kotze hoch (Deutsche Sprache, Mathematik, Naturwissenschaften,
Technik, Kulturtechniken, Anwendenkönnen, Allgemeinbildung).
Ja bei einigen ist das Deutsch übel. Meine Mathematikkenntnisse sind zugegebenermaßen nicht die besten, aber es gibt doch einige Sachen, die ich noch kann. Das anwendenkönnen ist tatsächlich ein Problem - viele meiner Mitschüler sind im Bioabi an einer Aufgabe gescheitert, in der die mendelschen Regeln angewendet werden sollten (man sollte anhand eines Stammbaums argumentieren, ob ein Mann der Vater seiner Tochter sein kann. Es ging um ein rezessives Allel. Alle Informationen waren da…). ich hatte eher ein Problem mit dem Fakten wiedergeben . Deswegen bin ich neidisch auf die, die jetzt hier in Bayern Bioabi machen, die haben fast nur noch Anwendungsaufgaben.
Von der völlig kaputten Kultur des Auswendiglernes, des
Betonens des formalistischen Blendwerkes und des lebensfernen,
geisteswissenschaftlich betonten Lehrstoffes ganz zu
schweigen.
Tja, wenn es naturwissenschaftlicher werden soll, bin ich aber dafür, dass sich die Lehrer mal didaktisch fortbilden, und nicht gleich sagen „mann, du bist ja völlig dämlich“ nur weil man ihre Ausführungen zur Mechanik nicht auf Anhieb versteht. Es hätte mich nämlich sogar interessiert.
Ich fände es wichtiger, wenn die Schüler, besonders die
Süddeutschen, in unserer Zeit von der Schule kämen und bspw.
das th anständig aussprechen könnten, so daß man sich im
englischsprachigen Ausland nicht fortlaufend blamiert.
Die Engländer finden das sympathisch. Außerdem behindert es die Kommunikation nicht und bei Sprache geht es hauptsächlich um Kommunikation. Aber die falsche Aussprache schleift sich oft durch schlechten Grundschulunterricht ein. Was nach zwei Jahren fossiliert ist, bekommt auch der beste Lehrer der weiterführenden Schule oft nicht mehr weg.
Schön
wäre es auch, wenn die Schüler eine spontane Konversation
fehlerarm und verständlich auf die Reihe brächten
Fehlerarm ist nicht so wichtig, zumindest nicht im Kontext der authentischen Kommunikation. Wichtig ist, dass die Fehler nicht dafür sorgen, dass das, was man sagt, völliger Schwachsinn ist. Wenn ein Ausländer zu dir sagt: Ich bin mit die Zug gefahren. dann fällt dir das zwar auf, sonderlich wichtig ist es aber meist nicht.
und den
Stoff, der in den anderen Fächern gelehrt wird, in seinen
Grundzügen auch auf englisch verstünden (Wortschatz,
fremdsprachliche Bezeichungen der deutschen Fachtermini etc.).
Ja, machen wir CLIL. Hab ich nix dagegen. Viele Englischlehrer machen da ohnehin eine Zusatzausbildung. Sag den eltern, dass sie nicht mehr heulen sollen, dass das ihre armen Kinderchen überfordert.
Wer braucht Shakespeare? Wer muß sich mit Shakespeare
profilieren? Oder mit Molière.
Ich muss mich damit nicht profilieren. Sieh oben.
Die Engländer und die Franzosen
sind offenkundig der Ansicht, daß so etwas keine
Pflichtlektüre in ihrer Schule sein braucht. Andere Länder,
andere Sitten.
Shakespeare ist ab der 7. Klasse, also ab der Sekundarschule, Pflicht im Englischunterricht in England. Im Idealfall jedes Jahr einer. In Frankreich geht man schlicht und einfach davon aus, Molière sei zu hoch für die Schüler. Und lässt sie dann Sartre und Camus lesen, die philosphisch so belastet sind, dass man mit den Ohren schlackert. Logisch ist das nicht.
Ich hingegen denke z.B., die Deutschen sollten in der
deutschen Schule Goethes Fäuste ausgedehnt besprechen,
zusammen mit vielen weiteren Klassikern.
Faust ist in Bayern Pflicht. Die einzige Pflichtlektüre in 13 Jahren. War lustig.
Den Lehrplan wie eine Zeitung zur Keule zu rollen und
Schulsysteme im Ausland niedermachen zu wollen, ist doch
lächerlich, besonders dann, wenn diese Schulen besser
funktionieren und insgesamt bessere Resultate erbringen.
Französische und britische Schulen tun das nicht. China hat seit den 40ern keinen berühmten Wissenschaftler mehr hervorgebracht. Und in den USA kommen die Wissenschaftler aus den reichen Familien. Aus der gekauften Bildung…
LG, Sarah