Sentinelesen

Das ist eine interessante Information.
Ich habe nur die Kommentarbereiche deutschsprachiger Seiten verfolgt.

Das finde auch deshalb interessant, weil wir heutigen Deutschen eigentlich sehr überzeugte (moralische) „Universalisten“ sind, während die US-Amerikaner deutlich „partikularistischer“ denken. Z.B. der „Kommunitarismus“ in der politischen-philosophischen Diskussion.

Diesen Gedanken hatte ich auch.
Sein Problem ist halt, dass er diese Menschen entmenschlicht, was m.E. über Rassismus noch hinausgeht.
Stärker kann man ihnen die Würde kaum nehmen als mit der Kein-Kontakt-Regel, auch wenn es sie schützt, und es ihnen vielleicht auch nicht bewusst wird.
Der Missionar, so wirr er gewesen sein mag, so naiv sein Eifer, so todbringend seine Krankheitskeime, er hat versucht, ihnen Würde zu geben, indem er sie besucht hat.

Ja, das ist so.

Klarer kann man das nicht formulieren.
Ingesamt danke für deine sehr differenzierte Antwort!

Das Fettgedruckte ist übrigens eine ethnologische Variante von „Schrödingers Katze“ aus der Quantenphysik :wink:

Gruß
F.

2 Like

Beim Missionar ist ja leicht reden, der ist selbst schuld.
Ein armer Irrer, und sogar dessen seltsame Eltern verzeihen öffentlich per Instagram einem Volk, das ihre Verzeihung nie erfahren wird, weil es quasi noch in der Steinzeit lebt.

Angeblich hats vor ein paar Jahren einige Fischer genauso getroffen, die zu nahe an die Insel herangeraten sind (ich weiß nicht, ob das stimmt, aber nehmen wir das mal an).
Als Angehöriger dieser Fischer würde ich von meinem Staat definitiv erwarten, dass er die Täter zur Rechenschaft zieht. Tut er das nicht, erkenne ich sein Gewaltmonopol nicht an, nehme mir eine Pistole und ein Boot und knall da drüben ein paar ab. Immerhin haben die meinen Vater/Bruder/Sohn getötet.
Ich finde also, so lapidar kann man es nicht sehen.

Sehe ich auch so, wobei ich die jetzt nicht so pauschal als Deppen (so übersetze ich „*#+a§x!“) abtäte.
Diese Urzustands-Sehnsucht ist ja sehr in uns allen verwurzelt, und sicherlich projizieren wir stark unsere eigenen Sehnsüchte und Ängste auf die Sentinelesen, die für uns ja völlig unbeschriebene Blätter sind, sich also für Projektionen perfekt eignen.

Gruß
F.

1 Like

Wieso Grundschulkinder?
Die Sentinelesen sind doch nicht Menschen in einem früheren Entwicklungsstadium, die in 10 oder 20 Jahren so sind oder sein wollen wie wir, sondern Leute, die eine andere Geschichte und vermutlich andere Wertvorstellungen haben als wir, wie auch immer. Jedenfalls haben sie aller Voraussicht nach Fähigkeiten, die wir aufgrund fehlender Übung nicht haben, und sie haben wohl einige Fähigkeiten nicht, die die meisten von uns haben. Jedenfalls haben die bei Stromausfall - anders als wir - kein existenzielles Problem.

Ich würde auch nicht von Zivilisationsgefälle, sondern von Machtgefälle sprechen, denn über solche hochtechnisierten Zerstörungsgeräte wie wir werden die wohl nicht verfügen.

Übrigens, wenn die wirklich ungestört bleiben wollen, dann können sie nicht anders reagieren. So ein Missionierungsversuch oder auch nur der Versuch, die Leute zu besuchen, wird unweigerlich einen Besucherstrom nach sich ziehen, wenn sie das zulassen. Das ist wie der Versuch einer Invasion, den auch andere Staaten - und als solchen verstehen die sich ja vermutlich - mit kriegerischen Mitteln beantworten.

Das kann natürlich sein. Aber da man diese eventuellen Unterdrückten nicht fragen kann, ohne alles kaputtzumachen, muss man das Nichtwissen wohl hinnehmen.

1 Like

Aber die Sentinelesen sind doch keine Kinder! Die werden aus Kindern, Erwachsenen, alten Leuten bestehen, so wie andere Völker auch.

Jetzt sag doch mal, was ein Volk machen soll, das unbedingt isoliert bleiben will, wenn da jemand versucht, in deren Nähe zu kommen. Was könnten die machen, damit nicht anschließend Tausende kommen? - Mir fällt nichts anderes ein als das, was sie gemacht haben. Alles andere wäre innerhalb kurzer Zeit wirkungslos, und sie würden zur Touristenattraktion. - Vielleicht wissen die das ja.

3 Like

Woher wollen sie das wissen?
Sie wissen bestenfalls, dass es da einen Mann gab (der seltsam aussah), dass es ein paar Boote mit Menschen gibt, die nicht ganz so seltsam, aber doch anders als sie selbst aussehen, und vielleicht haben sie am Horizont gelegentlich etwas Undefinierbares (große Schiffe) gesehen, von dem sie nicht mal wissen, ob Menschen darin sind, dito mit Flugzeugen am Himmel.

Das ist wohl so. Aber FBHs Frage läuft darauf hinaus, warum wir es bei dieser Volksgruppe akzeptieren (in Brasilien übrigens, wo es ähnlich abgeschottete Gruppen gibt, akzeptieren wir (= die „zivilisierte“ Gesellschaft) nur solange sie uns nicht an der Ausbeutung des Regenwaldes hindern. Wir akzeptieren das, ohne zu wissen, was auf der Insel eigentlich vorgeht (was durchaus für unser Verständnis ziemlich schrecklich sein könnte). Und wir wissen nicht mal, ob alle Sentinelsen den Kontakt ablehnen. Ein „Fluchtversuch“ wäre ja rein technisch, so wie ich es verstehe, für Abweichler nicht möglich.

Grüße
Siboniwe

1 Like

Woher willst du denn wissen, was die wissen?

Dass die Sentinelesen aus Menschen verschiedener Altersgruppen bestehen, braucht man nicht zu diskutieren. Die Gleichsetzung von Heiden und von (angeblich) weniger entwickelten Zivilisationen mit Kindern hat Geschichte, auch politisch und gesellschaftlich. Die ganze offzielle Rechtfertigung der Apartheidpolitik (nicht nur der, die seit 1948 so heißt, sondern auch der frühere Umgang mit dunkelhäutigen Menschen im südlichen Afrika durch diverse Regierungen) beruht darauf, dass die weiße, höher entwickelte Zivilisation sich um die Schwarzen kümmern muss, um Kinder. Das Argument des Schutzes wurde immer wieder gebracht, weil Schwarze nicht mit Weißen konkurrieren könnten und deren Gesellschaft erst auf den Stand der Weißen gebracht werden müsste, bevor man an Gleichberechtigung denken könnte.

Du gehtst in deiner Argumentation davon aus, dass die Sentinelesen wissen, was im Falle eines Kontakts auf sie zukommt. Das tun sie aber nicht.

Grüße
Siboniwe

Weil wir wissen, welchen Kontakt es bislang gegeben hat.
Außer natürlich du gehst davon aus, dass sie sich heimlich von der Insel schleichen und auf dem indischen Festland oder nächstgrößeren Insel spionieren.
Deine Argumentation entbehrt jeder Logik und ist einfach absurd.

Das ist hochgradig unwahrscheinlich. Jäger-und-Sammler-Kulturen zeichnen sich in der Regel durch sehr flache oder gar keine Hierarchien aus.

Inwiefern nimmt man ihnen ihre Würde? Sie wollen doch ganz offensichtlich keinen Kontakt - wohl aus gutem Grund, denn bei einem früheren Besuch durch Briten starben Inselbewohner durch Krankheiten.

Inwiefern hat er den Leuten durch den Besuch Würde geben wollen? Kann es deiner Ansicht nach nur durch den Kontakt mit der westlichen Zivilisation Würde geben?

Wenn wir von einer durchschnittlichen Jäger-und-Sammler-Kultur ausgehen - vermutlich sehr viel besser und kindgerechter, als das hierzulande üblich ist.

3 Like

Und wieso tust du das dann selber?

Du warst also mal da und weißt, was sie wissen? Wie kannst du dann noch am PC sitzen und schreiben?

Welche Argumentation?
Dass ich dich frage, woher du wissen willst, was dieser Leute wissen?

So so, und wenn du weißt, welche Kontakte ich bislang hatte, weißt du anschließend auch, was ich weiß und was ich nicht weiß?

Die Sentinelesen gehören zur der Spezies Homo Sapiens und können möglicherweise Theorien entwickeln, logische Rückschlüsse ziehen und ähnliches.

Im 19. Jahrhundert landete eine Gruppe bewaffnete Briten auf der Insel, um der Inselbevölkerung kundzutun, dass sie jetzt zum Empire gehören. Sie fingen sechs Sentinelesen, ein älterer mann, eine ältere Frau und vier Kinder ein und brachten sie nach Port Blair, einer Stadt auf einer der Nachbarinseln. Dort starben der Mann und die Frau an Krankheiten. Bei der Rückkehr auf die Insel versuchten die Briten die Kinder dafür zu benutzen, um mit den Inselbewohnern in Kontakt zu kommen, was aber misslang.

Aufgrund dieser zeitweisen Entführung wissen die Inselbewohner, dass es andere Länder, andere Technologien und so etwas wie Städte gibt. Aus dem Tod der beiden Erwachsenen dürften sie, wie ich vermute, nichts Gutes über die Welt außerhalb ihrer Insel geschlossen haben.

Nicht „Grundschulkinder“, sondern „wie Grundschulkinder“ (z.B. im gleichen Kohlberg-Stadium der Moralentwicklung; es ging ja um Entwicklungsstufen).
Diese Gleichsetzung ist aber nicht meine, sondern ich meinte, dass sie sich folgerichtig ergibt, wenn man mit Zivilisiertheitsgraden argumentieren würde, was eben problematisch ist.

So wird das schon behauptet.

Das ist halt eine Grundsatzfrage, ob man annimmt, die Menschheit durchliefe eine bestimmte Universalentwicklung mit unterschiedlichen Stadien (immerhin haben wir alle weitgehend identische Körper und Geistesfähigkeiten; und teilen auch alle die gleiche Frühestentwicklung in Ostafrika, wo der Homo sapiens seinen Anfang nahm und lange blieb), oder ob man unterschiedliche Kulturen annimmt, die nicht miteinander auf einer gemeinsamen Skala verglichen werden können.

Das auf jeden Fall.
Ein gigantisches Machtgefälle.
Das bringt es übrigens auch mit sich, dass „wir“ v.a. ein ethisches Problem mit ihnen haben, kein politisches, denn da wäre die Lösung wegen des großes Machtgefälles simpel.
So sind wir unglaublich mächtiger, können mit denen machen, was wir wollen, und werden deshalb im ethischen Sinn voll dafür verantwortlich, ohne dass wir irgendeinen Sachzwang oder eine Gefährdungslage als Rechtfertigung für unser Tun heranziehen könnten.

Gruß
F.

2 Like

Addendum:

1991 gab es einen Kontakt der friedlich verlief, was die Forschungsgruppe darauf zurückführte, dass eine Frau auf dem Schiff war. Dabei wurden die Sentinelesen mit Kokosnüssen beschenkt:
https://www.youtube.com/watch?v=ExdEHU02Zk0

Puh, sehr schwierige Spekulation.
Selbst wenn wir sie unter die „Jäger/Sammler-Kulturen“ subsumieren, könnte ich mir bei einer so kleinen Population, die sich so lange auf isoliertem Gebiet entwickelt, durchaus ganz andere Stratifizierungen vorstellen. Dieses nomadische Element, das Jäger/Sammler-Kulturen großteils auszeichnet, fällt bei denen weitgehend weg. Und gerade lange Sesshaftigkeit, und bei denen wäre es eine extreme Form von Sesshaftigkeit/Endogamie, führt zu Hierarchien.

[quote]

Inwiefern nimmt man ihnen ihre Würde?

[quote]

Weil man sie aus meiner Sicht damit entmenschlicht (von der Gemeinschaft aller anderen Menschen fernhält)
Zudem natürlich auch, indem man sie zwangsläufig rein von außen betrachtet, d.h. vollkommen objektiviert, weil sie kommunikativ ja gar nicht erreichbar sind.

[quote]

Sie wollen doch ganz offensichtlich keinen Kontakt

[quote]

Bin ich mir nicht sicher.
Aber auch da gibts doch zwei grundverschiedene Arten:
a) die Gruppe handelt künftige Kontaktlosigkeit aus, dann lässt man sie in Frieden (Subjekt-Subjekt)
b) dieser Gruppe traut man nicht einmal zu, dass die was aushandeln könnten, darum lässt man sie in Frieden, weil man selbst ein schlechtes Gefühl dabei hätte, das nicht zu tun, aber entscheiden über diese Gruppen tun nur wir (Subjekt-Objekt)

Natürlich kann man meinen, mit ihren Pfeilen würden sie uns implizit zu verstehen geben, sie würden noch ein paar Jahrtausende unter sich bleiben wollen - das halte ich für Kaffeesatzleserei.

Weil er sie als Menschen besucht und angesprochen, damit als besuchbare und ansprechbare Menschen begriffen hat, und damit als vollwertige Menschen.
Das kann man sonst wohl kaum behaupten von ein paar hundert Lebewesen, die „paternalistisch“ durch andere Menschen (denn selbst könnten sie es nicht einmal eine Minute lang) vom ganzen Rest der Menschheit isoliert werden, damit sie existieren können. Das ist aus meiner Sicht eine extrem würdelos Existenz in einem Hyper-Reservat.

Gruß
F.

1 Like

Ich nutze die Funktion (wie Downvote auch) grundsätzlich nicht.
Aber ja, eine großartige Antwort!

Gruß
F.

Hast du einen guten Link, um das breiter nachlesen zu können?
Dieser starke Kontakt war mir bisher nicht bekannt.

Gruß
F.

Die vergleichsweise kleine Gruppengröße ist nachgerade typisch für Jäger-und-Sammler-Kulturen.

Ich nicht, da zum einen gerade die kleine Gruppengröße dagegen spricht und mir zum anderen keine Jäger-und-Sammlerkulturen mit einer derartigen Stratifizierung bekannt sind (nota bene: Ich habe Ethnologie studiert, wobei aber mein Schwerpunkt nicht auf Jägern und Sammlern lag).

Eine nomadische Lebensweise ist keineswegs bei allen Jäger-und-Sammler-Kulturen zu finden. Gerade bei solchen in tropischen Klimazonen, in denen ganzjährig leicht Nahrung zu finden ist, ist Sesshaftigkeit eigentlich üblich (z.B. auch im Amazonas).

1 Like

In 1880 a large, heavily-armed party led by 20-year-old Maurice Vidal Portman, the British colonial administrator, landed on North Sentinel and made what is believed to be the first exploration of the island by outsiders. Several days passed before they made contact with any Sentinelese, because tribe members disappeared into the jungle whenever strangers approached. Finally, after several days on the island, the party stumbled across an elderly couple who were too old to run away, and several small children. Portman brought the two adults and four of the children back to Port Blair. But the man and the woman soon started to get sick and then died, probably from exposure to Western diseases like smallpox, measles, and influenza, to which they would have had little or no resistance. So Portman returned the four children to North Sentinel Island and released them with gifts for the rest of the tribe. The children disappeared into the jungle and were never seen again.

Hier noch ein Bericht über die Ethnologin, die den ersten friedlichen Kontakt mit den Sentinelesen herstellte: https://theprint.in/opinion/madhumala-chattopadhyay-the-woman-who-made-the-sentinelese-put-their-arrows-down/156330/

Ethnologinnen zählen zu den furchtlosesten Wesen auf diesem Planeten. :smile_cat:

2 Like

Ich hab halt Probleme damit, sie ohne weiteres als „Jäger/Sammler-Kultur“ zu begreifen.
Der Grund ist nicht die Gruppengröße, sondern a) die extreme und lange Isoliertheit und b) die geringe Populationsgröße (Population ungleich Gruppe!),

Gruß
F.