Hallo Fritz,
Ich glaube nicht, dass die dort zitierten Texte von dir und
mir oder von anderen Frauen oder Männern unterschiedlich
interpretiert werden, wenn wir gemeinsam versuchen, zu
verstehen, was N. damit meint.
Ok, da lesen wir schon etwas anders. Mein Ziel ist nicht primär herauszufinden, was z.B. Nietzsche damit bis in die letzte Bedeutung hinein gemeint haben könnte, sondern ich verstehe Auseinanderstzung mit solchen Werken (ähnlich wie bei Kunstwerken) als Dialog. Das dieser Dialog bei mir anders ausfallen dürfte als bei dir oder jemand anderem, sehe ich eigentlich als selbstverständlich an.
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang, dass du als bekennender „Macho“ in Nietzsches Werk eine gewisse „Freuenfeindlichkeit“ heraus/hineinliest, während ich, als bekennende „Emanze“, die doch eigentlich hoch sensible Sensoren für jede Art von Frauenfeindlichkeit habe, das wesentlich entspannter lese.
Ich kann sogar entfernt vermuten, warum das so ist, aber der Gedanke muss noch etwas reifen
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Reaktionen, deine
und meine, und die der anderen Männer und Frauen, gleich
ausfallen werden.
Ja, darum geht es mir hier. Mir ist zwar klar, dass du was „Selbstverständnis von Frauen“ angeht, hier vielleicht nicht so ganz der richtige Diskussionspartner bist *g*, aber mit Nietzsche teilst du in diesem Fall die Rolle des „Frauenverstehers“ (bzw. eben grade nicht), und auch da zeigt sich ja ein gewisses Maß an Selbstreflektion und beisst der von mir oben angeführten Annahme der Ansichten von Männern über Frauen wie diese:
Ich, als heimlicher und unheimlich gerner Möchtegernmacho,
denke mir: Na bitte! Wusst´ ich´s doch! Weiber!
durch Frauen in ihrem Selbstbild wieder in den Schwanz.
Du wirst vielleicht mit etwas weniger Pathos mit Hedwig Dohm,
einer anderen Frauenrechtlerin vom Anfang des 20. Jhdts,
denken:
Nein, da bin ich weit davon entfernt, schon allein weil ich kein ausgesprochener Fan von Nietzsche bin. Ich halte ihn durchaus für lesenswert und einiges finde ich gradezu genial, aber für meinen Geschmack ist er im Allgemeinen etwas zu geschwätzig
In dem von dir zitierten Text:
?Friedrich Nietzsche, du mein größter Dichter des
Jahrhunderts, warum schriebst du über die Frauen so ganz
jenseits von Gut? Ein tiefes, tiefes Herzeleid für mich. Es
macht mich noch einsamer, noch älter, noch abseitiger.?
wird IMHO hingegen mal wieder deutlich, wie sehr Frauen ihr Selbstverständnis uns Selbstbild von der Meinung von Männern abhängig mach(t)en. Da fällt dann die versuchte Gegenwehr:
_Nur über
uns Frauen kannst du nicht reden.?_
Doch eher schwach aus.
Diese Passage wurde von dir überinterpretiert. [Diese
Zwiespältigkeit: Frauenrechtlerin und Verteidigerin der
Nietzscheanischen Boshaftigkeiten, das muss frau erst
hinkriegen. Und das könnte eventuell „typisch Frau“ sein.] Ich
habe da bloß das immer noch üblich ?man? durch
?frau? ersetzt, des Genius loci wegen. Es sollte
hier also kein Gegensatz von ?Mann und Frau?
evoziert werden.
Nun ja, hättest du es so geschrieben, hätte ich es auch anders interpretiert Kann es sein, dass du da nicht vielleicht doch etwas provokant sein wolltest ?
Zur Frage, warum ein altes Weiblein und nicht der große
Bruder. Das ist meiner Meinung nach kein
psychologisch-philosophisch-feministisches Problem, sondern
ein literarkritisches.
Und diese Weisheiten fallen
ganz entsprechend deiner Annahme, dass Frauen über Frauen
nachdenken und reden und dabei die gängigen
?patriarchalen, oder patriarchalistischen?
Vorurteile ihren Meinungen zu Grunde legen, ebenso
entsprechend aus.
Ich denke auch Nietzsche war sich dessen bewusst (ich glaube nicht, dass Frauen zu der Zeit anders waren als heute, siehe auch die Antwort von grilla). Insofern sehe ich die Bedeutsamkeit, dass sein altes Weib spricht, schon etwas anders als du, aber nun denn…
Das das Verhätlnis von Männern zu Frauen zunächst auch durch ihre Biographie und den Frauen in ihrem unmittelbaren familiären Umfeld geprägt ist, sollte auch klar sein. Dennoch denke ich nicht, das Nietzsche jemand war, der solche Interaktionen und Beeinflussungen nicht durchschaut hat, auch wenn er es vielleicht nicht geschafft hat, sich vollständig davon zu befreien.
Ich hatte eine sehr schwere Zeit mit meiner Schwester, als
Bekannte von ihr sie darauf aufmerksam machten, dass sie jeden
zweiten Satz (das ist natürlich übertrieben) mit den Worten
eröffnete: Mein Bruder sagt, …
Ja, da muss man schon sehr aufpassen, wer in wessen Schatten steht.
Und wenn ich daran denke, dass Jahrhunderte lang junge und
alte Weiblein in Kirchenbänken saßen und sich die
?Wahrheiten über die Frauen von Eva an? von der
Kanzel herunter vorsagen lassen mussten, so ist mir klar und
verständlich, dass Frauen sich für eine ebenso lange Zeit von
allen Einflüsterungen von Männern fernhalten wollen.
Hier nun wieder schließe ich mich der Meinung von grilla an. Frauen wurden immer auch und in erster Linie von Frauen dazu angehalten, ihre konservative Rolle einzunehmen.
Und in diesem Kontext ist auch eine vielleicht etwas
überspannte Aussage, wie die von Carla verständlich, ohne dass
Obsidian Kastrationsängste entwickeln müsste.
Da gebe ich dir nun wieder recht
Gruss
Marion