Hallo Kate,
Lustig, dass du bei Karma sofort an den Buddhismus denkst, dabei stammt der Begriff doch gar nicht von da. Ich redete hier von der frühen Hindu-Religion (nicht mit Hinduismus verwechseln) .
nun, das lag ja wohl nahe, da Du in unmittelbarem Anschluss daran auf ein chinesisches „Sutra“ verweist und von „der frühen Hindu-Religion“ nirgendwo die Rede war. In China ist die frühe Hindu-Religion bekanntlich recht wenig verbreitet …
Wie auch immer - wenn Du Dich speziell auf den Karma-Begriff bezogen hast, wie er im Hinduismus verstanden wird, wäre es sinnvoll gewesen das dann auch zu schreiben. Wobei auch da der Hinweis, dass der buddhistische Karma-Begriff anders aussieht, allemal angebracht gewesen wäre.
Karma wirkt sich in den Hindu-Religionen NIE in diesem Leben aus
Das mag sein - Du hast aber nicht von karma „in den Hindu-Religionen“ geschrieben sondern allgemein von karma.
Das ist ja schön, aber was hat das mit den Unterdrückungsmitteln nach denen der Threadersteller gefragt hat zu tun?
Genau das habe ich mich bei Deiner Antwort, so weit sie sich auf ‚karma‘ und auf das ‚Blutschalen-Sutra‘ bezog, auch gefragt.
Na und? Die meisten Sutren die in China benutzt werden sind apokryph.
Sind Dir die textlichen Grundlagen des Buddhismus in China tatsächlich so wenig vertraut? Wenn ich von von „kanonisch“ spreche, dann ist selbstverständlich der chinesische Tripitaka (三藏) gemeint. Die umfassendste Ausgabe, die heute als Referenz benutzt wird, ist der 100 dickleibige Bände umfassende Taishô Shinshû Daizôkyô (大正新修大藏經) - der weltweit mit Abstand umfangreichste Kanon religiöser Schriften. In diesem Kanon sind selbstverständlich „die meisten Sutren die in China benutzt werden“ enthalten. Ich würde sogar sagen, nahezu alle. „Apokryph“ in diesem Kontext sind Texte, die nicht in ihm enthalten sind wie z.B. das ‚Sutra kindlichen Respekts‘ (佛說父母恩重難報經), das Dharani Sutra des Buddha der Langlebigkeit (佛說長壽滅罪護諸) und eben das hier in Frage stehende Blutschalen-Sutra. Nicht, weil man sie vergessen hätte, sondern weil sie zu obskur sind, um auch nur einen Platz in der ‚Sekten‘-Abteilung des Tripitaka (T.1851 - T.2025) zu finden.
Willst du jetzt etwa behaupten der Buddhismus sei nicht patriarchalisch?
Genau das. Buddhismus entstand und wurde tradiert in einer patriarchalischen Gesellschaft - aber er begründet und rechtfertigt solche Strukturen nicht, vertritt keine patriarchalische Ideologie. Bereits von Anfang an gab es nach buddhistischer Vorstellung keine Entstehungs-„Hierarchie“ wie beispielsweise nach biblischer Lehre. Nach buddhistischer Auffassung gab es zunächst keine unterschiedlichen Geschlechter bei den Menschen; erklärt werden sie durch eine Entwickelung parallel zur Arbeitsteilung (Digha-Nikaya Nr. 27). Daraus ergeben sich u.a. gleiche Rechte und Pflichten in der Partnerschaft für Mann und Frau (Digha-Nikaya Nr. 31). Wichtiger als solche obsoleten Herleitungen jedoch ist: das Ziel buddhistischer Praxis, also die ‚Erleuchtung‘ (bodhi), kann in gleicher Weise von Mann und Frau erlangt werden, ohne Unterschied in der Methode oder der Qualität des Erreichten. Es gibt bei Mann und Frau keine Unterschiede bei den Abhängigkeiten und Anhaftungen, die überwunden werden müssen (Anguttara-Nikaya 1,1).
Selbstverständlich erkannte auch Buddha Ungleichheiten (Samyutta Nikaya 37,3), nämlich solche biologischer Natur (Menstruation, Schwangerschaft und Geburt) und solche sozialer Natur im Kontext der damaligen indischen Gesellschaft. So muß im Gegensatz zum Mann eine Frau ihr Elternhaus verlassen, um zum Mann zu ziehen und sie muss ihrem Ehemann dienen. Diese Unterschiede werden aber nicht als notwendige oder gar gottgewollte Übel angesehen, sondern schlicht als Tatsachen des Frau-Seins in der indischen Gesellschaft. So wurde auch der buddhistische Frauenorden von Buddha an den Männerorden angegliedert und ihm unterstellt, weil es in der damaligen indischen Gesellschaft keine Möglichkeit für einen unabhängigen Frauenorden gab. Eine Frau ohne Vormundschaft eines Mannes - sei es Vater, Ehemann, Sohn oder ersatzweise sonst ein naher männlicher Verwandter - dessen Haushalt sie angehörte, war in der indischen Gesellschaft schutz- und rechtlos; sie konnte z.B. ohne weiteres versklavt werden. In diese Vormundschaft trat für die Nonnen der Männerorden ein.
In der Begrifflichkeit der frühen Sutren ist übrigens zwischen dem neutralen Begriff „itthi“ (Frau) und dem diskriminierenden Begriff „matugama“ (etwa: ‚Mutter im Dorf‘) zu unterscheiden. Wenn in den Sutren z.B. abwertend von einfältigen Frauen und weiblicher Launenhaftigkeit gesprochen wird, dann ist von matugama die Rede, nicht von itthi. Nun ist zwar jede matugama eine itthi, aber nicht jede itthi eine matugama.
Oh hör mir mit Zen auf diese Kriegstreiber.
Das ist mir zu sehr auf derselben Ebene angesiedelt wie populistisches Islam-bashing oder die ‚Religionskritik‘ eines Hisham Bekouri, um es eingehend zu kommentieren. Ich erlaube mir einen Verweis auf den hier im Brett ganz unten stehenden Artikel (/t/mod-thema-aggressionspotential-in-religionen/4232923
Ansonsten erlaube ich mir, Deine Literaturliste um das bekannteste und am weitesten verbreitete Buch zu diesem Thema zu ergänzen: Brian Victorias ‚Zen, Nationalismus und Krieg‘ ISBN 3896201328 Buch anschauen. Deutlich umfangreicher und fundierter als das von Dir genannte ‚Zen War Stories‘ des gleichen Autors - ein Buch, das im übrigen auch den Widerstand von Buddhisten (z.B. der hingerichtete Zenpriester Uchiyama Gudo) gegen Japans imperialistische Politik nicht ganz vergisst. Die Geschichte des japanischen Buddhismus - auch des Zen-Buddhismus - in der Zeit des japanischen Militarismus ist nicht weniger vielschichtig als die des christlichen Widerstandes und der christlichen Kollaboration im 3. Reich. Im Übrigen wird gerade dieses Thema zumindest in westlichen buddhistischen Kreisen breit diskutiert. Dass Brian Victoria selbst ordinierter Zen-Priester ist und sein Buch in einem auf Zen-Literatur spezialisierten Verlag erschien, mag man als Indiz dafür nehmen.
Freundliche Grüße,
Ralf
P.S.: hier angefügt auszugsweise eine offizielle Stellungnahme der Sotoshu Japan (der größten zenbuddhistischen Organisation weltweit). Etwas Ähnliches, die Verstrickungen der christlichen Kirchen in den Faschismus (nicht nur den deutschen, auch den italienischen, spanischen, kroatischen …) betreffend, ist mir nicht bekannt - dies nur nebenbei bemerkt.
_"Wir, die Soto-Schule, haben seit der Meiji-Zeit und bis zum Ende des Pazifik-Krieges den guten Namen und Ruf unserer Aktivitäten […] benutzt, um die Menschenrechte der Völker Asiens und insbesondere derjenigen Ostasiens zu verletzen. Dies geschah, indem wir mit den politisch Mächtigen […] gemeinsame Sache machten und ihre finsteren Pläne unterstützten. […] Dies alles haben wir aus unserem Glauben an die Überlegenheit des japanischen Buddhismus und der nationalen Politik heraus getan. Und nicht nur das, diese Handlungen, die die Lehren des Buddhismus mißachteten, wurden ausgeführt im Namen Buddha Shakyamunis […]. Über diese Aktivitäten lässt sich nichts anderes sagen, als daß sie wahrhaft beschämend sind.
[…]
Wir schämen uns, […] daß unsere Gemeinschaft seit der Meiji-Zeit an Kriegsaktivitäten beteiligt war - manchmal, weil wir uns dazu verführen ließen, mit dem Staat gemeinsame Sache zu machen, in anderen Fällen, weil wir dem Staat aus freien Stücken unsere Unterstützung anboten.
[…]
Wir haben es versäumt, selbstkritisch unsere eigene Kriegsverantwortung zu untersuchen, was wir eigentlich unmittelbar nach der Kapitulation im Jahre 1945 hätten tun müssen.
Obwohl die Soto-Schule sich des Gefühls, zu spät zu sein, nicht erwehren kann, möchten wir uns trotzdem noch einmal für unsere Nachlässigkeit entschuldigen und gleichzeitig auch dafür, daß wir in jenem Krieg mit den Kriegstreibern kollaboriert haben. […] Wie wir wissen, lehrt der Buddhismus, daß alle Menschen als Kinder des Buddha gleich sind und daß sie weiterhin lebende Wesen sind, deren Würde aus keinem wie auch immer gearteten Grund von anderen beeinträchtigt werden darf. Trotzdem hat unsere Gemeinschaft […] einen Angriffskrieg gegen andere Völker Asiens unterstützt, sich eifrig bemüht, mit den Kriegführenden zu kooperieren, und dieses unglückselige Geschehen auch noch als heiligen Krieg bezeichnet."_