Unabhäniger Kosovo. Wo ist das Problem?

Wie definierst du in diesem Fall Unabhängigkeit?

Unabhängigkeit ist ein ethisches Grundrecht. Das erstmal ganz grundsätzlich.

Wie geht es
nach den freien Wahlen dann weiter?

Das ist eine logistische Frage, die nicht mit der Grundsatzfrage zu tun hat.
Gruß,
Branden

Wenn die Mehrzahl in einem Land, in einer Region, in einer
Völkergruppierung, die Unabhängigkeit will, dann darf man sie
nicht verhindern. Ich sehe dies als ein Grundrecht an.

Dann hat jeder mit Eigentum an Grundstücken das Anrecht, seinen eigenen Staat anerkannt zu bekommen.

Theoretisch magst du damit recht haben, lebenspraktisch ist es nicht mehr als eine Spitzfindigkeit.
Aber das weißt du ja selbst.
Und mit Spitzfindigkeiten kann man keine reale Politik machen.
Da haben wir mal wieder ein schönes Beispiel für den Unterschied von Wahrheit und Wahrhaftigkeit.
Gruß,
Branden

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Hallo!

Das Problem ist, dass die Unabhängigkeit juristisch sehr problematisch ist und da gibt es mehrere Komponenten. Zum einen ist es richtig, dass es ein Selbstbestimmungsrecht gibt. Nicht ganz so einfach ist es aber, wenn in einem Land zwei Ethnien leben - da stellt sich nämlich sehr Wohl die Frage, ob alleine schon die absolute Mehrheit ohne Berücksichtigung der Ethnien genügt, um das Selbstbestimmungsrecht gegen den Willen der anderen Ethnie auszuüben. Man muss ja berücksichtigen, dass beide Hauptvolksgruppen dort autochton sind und es nicht zu einer Volksgruppenverschiebung durch Zwangsbesiedelung mit Serben im letzten Jahrhundert gekommen ist (wie es etwa in Südtirol war).

Ähnliche Probleme stellten sich - um mal in der EU zu bleiben - in Zypern. Der Kompromiss war dort die binationale Verfassung 1960, aber auch vollkommene Uneinigkeit, wer wie welches Selbstbestimmungsrecht hat, was wiederum zu den gewaltsamen Konflikten 1963 und 1974 geführt hat, die im Endeffekt bis heute andauern.

Problematisch erscheint mir der Doppelmaßstab. Der Kosovo wird als Staat anerkannt, obwohl die faktische Staatsgewalt eigentlich nur durch die militärische Gewalt der KFOR hergestellt ist. Der Türkischen Republik Nordzypern wird die Anerkennung u.a. verweigert, weil die faktische Staatsgewalt nur durch die militärische Gewalt der türkischen Armee hergestellt ist.

Das Grundproblem im Kosovokonflikt (und ähnlich auch in Zypern) ist auch die Frage der Legitimation der militärischen Intervention (auf deren Grundlage ja eigentlich die Unabhängigkeit gründet). Es ist zwar klar, dass Serbien die Menschenrechte im Kosovo seinerzeit massiv verletzt hat, aber es ist fraglich, ob das die militärische Intervention gerechtfertigt hat. Liest man die UN-Charta im Wortlaut muss man diese Frage jedenfalls klar verneinen. Rechtfertigen kann man den Angriff daher nur gegen den Wortlaut. Auch da gibt es gute Argumente.

Juristisch wird man das Problem natürlich nicht lösen können - im Endeffekt bleibt es eine politische Frage. Jedenfalls muss einem klar sein, dass es gute Argumente für die Unabhängigkeit gibt, aber ebenso gute gegen die Unabhängigkeit.

Gruß
Tom

Hallo!

Theoretisch magst du damit recht haben, lebenspraktisch ist es
nicht mehr als eine Spitzfindigkeit.

Nein das ist keine Spitzfindigkeit - du weichst einem Argument aus und gibst keine Antwort. Auch wenn ich das nicht gerne sage, aber da hat er schon recht der Ostlandreiter.

Gruß
Tom

Hallo,

Wie definierst du in diesem Fall Unabhängigkeit?

Unabhängigkeit ist ein ethisches Grundrecht. Das erstmal ganz
grundsätzlich.

Das wusste ich schon vorher, daher meine Frageergänzung ‚in diesem Fall‘.

Wie geht es
nach den freien Wahlen dann weiter?

Das ist eine logistische Frage, die nicht mit der
Grundsatzfrage zu tun hat.

Du unterstützt also eine Forderung nur um der Forderung willen? Klingt nach Ideologie.

Amy

Hallo,

Dann hat jeder mit Eigentum an Grundstücken das Anrecht,
seinen eigenen Staat anerkannt zu bekommen.

Theoretisch magst du damit recht haben, lebenspraktisch ist es
nicht mehr als eine Spitzfindigkeit.
Aber das weißt du ja selbst.

Ich weiß das nicht selber. Nehmen wir die Hallig Hooge. Wenn also deren Bewohner unabhängig sein wollen, könne sie ihren Freistaat Hooge oder was auch immer ausrufen und sind fortan ein souveräner Staat mit einer Einwohnerzahl von 81 Personen?
Ich meine das keineswegs spitzfindig. Wie also soll dieser Staat funktionieren, deiner Ansicht nach?

Amy

hi

Unabhängigkeit ist ein ethisches Grundrecht. Das erstmal ganz
grundsätzlich.

Woher nimmst Du das???

gruß

Du unterstützt also eine Forderung nur um der Forderung
willen? Klingt nach Ideologie.

Nein. Du magst fortfahren, mir Sachen zu unterstellen, die mir fern sind, aber damit ist niemand gedient. Ich bin allen Ideologien kritisch gegenüber, undzwar grundsätzlich.
Andererseits willst du ja nicht etwas Grundsätzliches von mir hören, sondern speziell zum Kosovo.
Ich denke, dass es -auch gerade in Betracht der jahrzehntelangen Spannungen zwischen den Völkern des ehemaigen Jugoslawien und dem vergangenen Kieg dort- nicht sinnvoll ist, etwas zwanghaft zusammen zu halten, was sich offenbar lösen will.
Gruß,
Branden

Woher nimmst Du das???

Das nehme ich, wenn du so willst, aus meinem humanistischen Denkansatz.
Gruß,
Branden

Wie also soll dieser
Staat funktionieren, deiner Ansicht nach?

Genau das ist der Schlüssel zum praktischen Aspekt, den Ihr ja anscheinend sucht. Ein Land, eine Region, ein Volk WEISS in etwa, ob es als unabhängiger Staat „funktioniert“.
Wenn eine Hallig mit 80 Personen unabhängig sein wollte, würde sie dies versuchen, zu werden. Aber da sie den Sinn des Ganze3s nicht erkennt, lässt sie es natürlich.

siehe gleich eins drüber, meine Antwort an Amy
!

Wie also soll dieser
Staat funktionieren, deiner Ansicht nach?

Genau das ist der Schlüssel zum praktischen Aspekt, den Ihr ja
anscheinend sucht.

Was sonst? Unabhängig sein zu wollen und vielleicht zu wissen, wie es funktionieren könnte, reicht einfach nicht aus.

Ein Land, eine Region, ein Volk WEISS in
etwa, ob es als unabhängiger Staat „funktioniert“.

Woher? Und reicht ‚in etwa‘ dafür aus?

Wenn eine Hallig mit 80 Personen unabhängig sein wollte, würde
sie dies versuchen, zu werden. Aber da sie den Sinn des
Ganze3s nicht erkennt, lässt sie es natürlich.

Davon war nicht die Rede. Wenn sie es wollen, sollten sie es nach deiner Definition auch machen dürfen. Die Frage bleibt: wie groß an Fläche und Bevölkerung muss ein unabhängiger Staat mindestens sein, um funktionieren zu können? Und wenn das definiert ist, heißt das aber auch, dass kleinere Gebilde dann kein Recht mehr auf staatliche Unabhängigkeit haben, was wiederum bedeutet, dass deine Aussage tatsächlich zu pauschal oder eben ideologisch motiviert war.

Die Frage bleibt:
wie groß an Fläche und Bevölkerung muss ein unabhängiger Staat
mindestens sein, um funktionieren zu können?

Wie ich schon sagte: Ich würde dies NICHT von Fläche- und Bevölkerungsgröße abhängig machen. Das käme mir vor wie im Erdkunde-Unterricht der Grundschule. :wink:

Und wenn das
definiert ist, heißt das aber auch, dass kleinere Gebilde dann
kein Recht mehr auf staatliche Unabhängigkeit haben, was
wiederum bedeutet, dass deine Aussage tatsächlich zu pauschal
oder eben ideologisch motiviert war.

A ist falsch, B ebenso und die Verknüpfung also dann ebenso.
Und wie ich schon sagte: Ich bin nicht ideologisch motiviert (in welcher Richtung denn bitte?) und ich urteile auch nicht pauschal.
Du solltest aber außerdem hier zwischen pauschal und grundsätzlich unterscheiden.

Die Frage bleibt:
wie groß an Fläche und Bevölkerung muss ein unabhängiger Staat
mindestens sein, um funktionieren zu können?

Wie ich schon sagte: Ich würde dies NICHT von Fläche- und
Bevölkerungsgröße abhängig machen. Das käme mir vor wie im
Erdkunde-Unterricht der Grundschule. :wink:

Daran wäre ja nichts Schlechtes. Wenn du es aber weder an der Fläche noch an der Bevölkerungszahl festmachen möchtest, müssten wir noch einen Schritt zurück gehen und zunächst herausfinden, was für dich ein Staat ist und was für dich seine Funktionalität ausmacht.
Wie also siehst du das?

Und wenn das
definiert ist, heißt das aber auch, dass kleinere Gebilde dann
kein Recht mehr auf staatliche Unabhängigkeit haben, was
wiederum bedeutet, dass deine Aussage tatsächlich zu pauschal
oder eben ideologisch motiviert war.

A ist falsch, B ebenso und die Verknüpfung also dann ebenso.

Warum?

Und wie ich schon sagte: Ich bin nicht ideologisch motiviert
(in welcher Richtung denn bitte?) und ich urteile auch nicht
pauschal.
Du solltest aber außerdem hier zwischen pauschal und
grundsätzlich unterscheiden.

Ich denke, dass deine Aussagen zum Thema ideologisch gefärbt sind. Die Richtung ist mir noch nicht ganz klar, sie scheint aber eine gewisse, möglicherweise romantisch bestimmte Unbedarftheit zu enthalten, was ich aber bitte nicht als Beleidigung verstanden haben möchte.
Ich weiß übrigens durchaus zwischen ‚pauschal‘ und ‚grundsätzlich‘ zu unterscheiden, bleibe hier aber bei ‚pauschal‘, da ich Grundsätze nicht zu erkennen vermag.

Wenn du es aber weder an der
Fläche noch an der Bevölkerungszahl festmachen möchtest,
müssten wir noch einen Schritt zurück gehen und zunächst
herausfinden, was für dich ein Staat ist und was für dich
seine Funktionalität ausmacht.

So ganz kann ich mir ja ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn ich das lese. Ich komme mir bei deinen Fragen ein bißchen vor wie 1960 im Geschichtsunterricht.
Ich merke aber so im Verlauf unseres Dialoges, dass dich ganz andere Aspekte dabei interessieren als mich. Zugespitzt gesagt: Du findest meine Argumente in etwa so irrelevant wie ich deine finde. Ob wir da eine Synthese finden bei dem Thema, bezweifle ich.

A ist falsch, B ebenso und die Verknüpfung also dann ebenso.

Warum?

Weil deine Hypothese über meine Motive und mein Denken eben nicht zutreffen. Daher konnte ich sie nicht bestätigen, sondern musste sie als falsch beurteilen.
Nochmal konkret zum Kosovo: Jenseits aller theoretischen und ideologischen Überlegungen spricht der Druck, aus dem heraus die Kosovaren ihre Unabhängigkeit und Abgrenzung von Serbien initiiert haben, eine klare und unmissverständliche Sprache. Es ist doch nicht so, dass die Kosovaren sich mal eben aus eine Laune (oder wie die Bayern aus einem „ja mei, mir wolln n Freistaat hom“-Gefühl) heraus unabhängig erklären, sondern dass es einen (wenn du es gerne dialektisch hättest:smile: großen Druck gab, dessen Quantität schließlich in die Qualität der Unabhängigkeitserklärung umschlug.

Hi Ralph

Serbien geht
also ein Stück ihres Staatsgebietes verloren, auf dem zudem
noch einige Serben leben. Deswegen sind sie nicht glücklich,
genauso wenig wie Deutschland glücklich wäre, wenn plötzlich
Bayern unabhängig sein wollte

Wobei es nicht so sehr darauf ankommt, Serbien glücklich zu machen, sondern das gefühlte und reale Unglück der Kosovaren, welches sie durch die Unabhängigkeit in Gück verwandeln möchten, zu verstehen.
Gruß,
Branden

Ich denke, dass es -auch gerade in Betracht der
jahrzehntelangen Spannungen zwischen den Völkern des ehemaigen
Jugoslawien und dem vergangenen Kieg dort- nicht sinnvoll ist,
etwas zwanghaft zusammen zu halten, was sich offenbar lösen
will.

Du vergißt dabei, das irgendwer auf der Strecke bleiben muß. Das Land (ehemaliges Jugoslawien) war bis auf Slowenien und Mazedonien ein Gemisch. Wo ziehst du die klaren Grenzen, wenn in jedem Teil des Landes fast alle Völkergruppen vertreten sind!? Jeder möchte bei seinen Leuten bleiben und von denen regiert werden. Da ist es nicht so einfach, das Land aufzuteilen. Es wird auch gerade darüber diskutiert, ob sich die Serben in Bosnien abspalten oder nicht. Und was mit der Vojvodina passiert ist auch noch nicht ganz klar.

Hallo

Das ist gerade für den Deutschen überhaupt nicht so leicht
nachvollziehbar, zumal gleichzeitig wieder und wieder
behauptet wird, daß im Fall des deutschen Volkes die
Volkszugehörigkeit ausschließlich durch eine Legaldefinition
des Grundgesetzes bestimmt sei.

Aber es ist doch wohl jedem klar, wieso das gerade in Deutschland so ist. Wie soll man es den sonst definieren? Ethnisch und völkisch ist in Wirklichkeit doch so ziemlich das selbe. Und an der Kultur oder an der Sprache kann man es ja nun auch nicht festmachen.

Was, wenn der Staat Albanien in seiner Verfassung eine
vergleichbare Definition hat? Sind dann die mazedonischen und
die Kosovoalbaner auf einmal keine Albaner mehr?

Vermutlich hat dieser Staat nicht eine solche Definition. Ich denke aber auch, dass ‚die‘ Albaner wesentich mehr reale Gemeinsamkeiten miteinander haben als ‚die‘ Deutschen. Schließlich sind das viel weniger Leute, die wesentlich enger beisammen wohnen.

Viele Grüße
Simsy

Wo ziehst du die klaren Grenzen, wenn
in jedem Teil des Landes fast alle Völkergruppen vertreten
sind!?

Geschichte ist ein lebendiger Przess und zieht die Grenzen selbständig. Wenn der Wunsch nach Unabhängigkeit nicht von einer Mehrheit in der Region getragen worden wäre, wäre es nicht zur Unabhängigkeit gekommen.
Interessant ist für mich auch immer der (drohend-bedrohliche) Gegener der Unabhängigkeit. Das ist oftmals ein in der Tiefe diktatorisch gesinntes Regime, was nur mit demokratischer Tünche oberflächlich bepinselt ist.