Hallo!
Das Problem ist, dass die Unabhängigkeit juristisch sehr problematisch ist und da gibt es mehrere Komponenten. Zum einen ist es richtig, dass es ein Selbstbestimmungsrecht gibt. Nicht ganz so einfach ist es aber, wenn in einem Land zwei Ethnien leben - da stellt sich nämlich sehr Wohl die Frage, ob alleine schon die absolute Mehrheit ohne Berücksichtigung der Ethnien genügt, um das Selbstbestimmungsrecht gegen den Willen der anderen Ethnie auszuüben. Man muss ja berücksichtigen, dass beide Hauptvolksgruppen dort autochton sind und es nicht zu einer Volksgruppenverschiebung durch Zwangsbesiedelung mit Serben im letzten Jahrhundert gekommen ist (wie es etwa in Südtirol war).
Ähnliche Probleme stellten sich - um mal in der EU zu bleiben - in Zypern. Der Kompromiss war dort die binationale Verfassung 1960, aber auch vollkommene Uneinigkeit, wer wie welches Selbstbestimmungsrecht hat, was wiederum zu den gewaltsamen Konflikten 1963 und 1974 geführt hat, die im Endeffekt bis heute andauern.
Problematisch erscheint mir der Doppelmaßstab. Der Kosovo wird als Staat anerkannt, obwohl die faktische Staatsgewalt eigentlich nur durch die militärische Gewalt der KFOR hergestellt ist. Der Türkischen Republik Nordzypern wird die Anerkennung u.a. verweigert, weil die faktische Staatsgewalt nur durch die militärische Gewalt der türkischen Armee hergestellt ist.
Das Grundproblem im Kosovokonflikt (und ähnlich auch in Zypern) ist auch die Frage der Legitimation der militärischen Intervention (auf deren Grundlage ja eigentlich die Unabhängigkeit gründet). Es ist zwar klar, dass Serbien die Menschenrechte im Kosovo seinerzeit massiv verletzt hat, aber es ist fraglich, ob das die militärische Intervention gerechtfertigt hat. Liest man die UN-Charta im Wortlaut muss man diese Frage jedenfalls klar verneinen. Rechtfertigen kann man den Angriff daher nur gegen den Wortlaut. Auch da gibt es gute Argumente.
Juristisch wird man das Problem natürlich nicht lösen können - im Endeffekt bleibt es eine politische Frage. Jedenfalls muss einem klar sein, dass es gute Argumente für die Unabhängigkeit gibt, aber ebenso gute gegen die Unabhängigkeit.
Gruß
Tom