Urteil zur Beschneidung von Säuglingen II

Das kann man natürlich so sehen.

Mit demselben Recht kann man aber auch sagen: Wenn das gemeinsame Essen ein wichtiger Bestandteil der Feier ist, dann ist es für einzelne schon gravierend, wenn sie nicht daran teilnehmen dürfen. Insbesondere, wenn sie wegen eines persönlichen „Merkmals“ ausgeschlossen sind: Alle anderen Kinder dürfen, nur dieses eine (weil nicht beschnitten) nicht.

Bei Eucharistie/Abendmahl sind in der Regel alle anwesenden Kinder gleichermaßen betroffen und nicht ein einzelnes in Gegensatz zu den anderen. Davon abgesehen wird aus diesem Grund in der evangelischen Kirche zunehmend das „Abendmahl mit Kindern“ eingeführt, damit Eltern und Kinder gemeinsam teilnehmen können.

Martinus

Und in der jüdischen Praxis?
Und wie sieht die jüdische Praxis dazu aus? Dürfen unbeschnittene Kinder am Passahmahl teilnehmen oder nicht?

Martinus

Hallo Eli,

Ich denke, dass du hier der wohl einzigste bist, welcher
moderne medizinische Eingriffe aufgrund von alten Texten aus
der Tora bewertet.

Die Nachfrage war jetzt nicht von mir; aber der Eingriff an sich wird ja aufgrund eines alten Textes aus der Tora durchgeführt.

Darum nenne ich dieses unsachlich, weil
hierzu eben wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen und zum
anderen die Medizion sich doch etwas weiter entwickelt hat.

Aber wie man sieht, gibt es doch öfter Probleme, sonst hätten wir ja das Urteil nicht.

Ich kenne genügen Erfahrungsberichte und Untersuchungen zu dem
Thema, um diese Behauptung hier einfach einmal zu bestreiten.
Dennoch gibt es Ausnahmen. Aber wenn Kinder hinfallen, haben
sie auch Schmerzen und hier sollte man einmal alles
relativieren.

Also ist Schmerz zufügen ok? Bis vor Kurzem durften Eltern ihre Kinder auch schlagen, war ja schliesslich schon immer so.

Das Problem, welches ich hier sehe, ist das der Eingriff
dauerhaft ist und nur schwer rückgängig gemacht werden kann.

Eben, darum ging es ja den Meisten.

Allerdings konnte hier bislang auch niemand aufzeigen, dass
dieses ein grosses gesellschaftliches Problem wäre.

Sicher bislang nicht; aber sehen das denn die betroffenen Kinder als Erwachsene auch alle so?

Gruß
T.

Deutungstraditionen

das würde ich viel früher datieren - mit Philos De specialibus legibus natürlich.

Dort schreibt er allerdings zu den hygienischen Argumenten: "
Dies sind die Überlegungen, die uns zu Ohren gekommen sind von den Alten mit göttlichem Geist und Weisheit, die die Schriften des Moses sorgfältig studiert hatten."

Insofern war mein „historischer nonsense“ nachtzeitmäßig übereilt, denn er bezieht sich hier auf Argumente offenbar langer mündlicher Überlieferung. Ganz anders jedoch seine eigene Interpretation der peritomé, die auf seinem Mißverständnis des griechischen Ausdrucks beruht (er las die Torah ja nicht hebräisch sondern aus der Septuaginta): Er liest peritomé als „Wegschneiden des Überflüssigen“ (perittoú tomé) und versteht das als Abschneiden der (übermäßigen) Lust.

Ähnliches Argument in Quaestiones de Genesin III.48, wo er noch viel ausführlicher über die Beschneidung schreibt, vor allem im Vergleich bzw Unterschied zu den analogen ägyptischen Bräuchen.

Beschneidung war ja von Anfang an kein jüdisches Proprium.

Gruß
Metapher

Hi.

Allerdings konnte hier bislang auch niemand aufzeigen, dass
dieses ein grosses gesellschaftliches Problem wäre.

Stimmt aber nur oberflächlich:smile:

Lappalie könnte man salopp sagen, wenn hier in der Wirklichkeit nicht um die Macht ginge.
Das nicht offen zu sagen ist doch selbstverständlich. Hier geht nicht um ein Spiel mit für immer festgelegten Zugregeln das ist ja offensichtlich. Der das nicht rafft soll unsere Geschichte mal kurz anschauen.
Es ist ein Metaspiel vergleichbar mit NOMIC bzw. seine Entwickler (Informatiker und Kognitionsforscher) haben mit diesem die bekannten geschichtlichen Tatsachen in sich selbst verändernde Algorithmen fassen und Simulieren.
Da sind aber immer Naturtalente die das Spiel intuitiv beherrschen.
Die haben kapiert: die erste unveränderbare Regel ist, dass keine unveränderbare Regel gibt. Was gib ist das Fußvolk. Der Gewinner ist wer über sie komplett verfügt, Game over:smile:)))

Adenauer fasste das (kein genauer Zitat nur aus dem Gedächtnis:smile: so treffend zusammen; was kümmert mich heute meine Gerede vom Gestern?

Gruss,
Eli

Balázs

Hallo Martinus

Und wie sieht die jüdische Praxis dazu aus? Dürfen
unbeschnittene Kinder am Passahmahl teilnehmen oder nicht?

Es dürfen auch nichtjüdische Gäste am Seder teilnehmen, auch wenn es bei orthodoxen Juden äußerst selten vorkommen dürfte, dass solch eine Einladung ausgesprochen wird.

Das eigentliche Problem ist nicht ob beschnitten oder unbeschnitten, sondern dass an einem solchen Feiertag lediglich von einer schon bestehenden Flamme gekocht werden darf und auch das ausschließlich für Juden. Also kann man nichtjüdischen Gästen keine frisch gekochten Speisen anbieten.

Absolut tabu für Unbeschnittene ist nur das Afikoman, ein zerbrochenes Stück Mazze, das für das Pessach-Lamm steht. Das Lamm wurde ursprünglich am Tempel geopfert und dann beim Sedermahl verspeist. Da es seit 70 u.Z. keinen Tempel mehr gibt, wo Lämmer geopfert werden können, gibt es stattdessen das Afikoman. Wie man sieht, entwickelt sich auch die ganz gesetzesstrenge orthodoxe jüdische Praxis entsprechend veränderten historischen, politischen und sozialen Bedingungen weiter …

Ich gehe mal davon aus, dass für unbeschnittene Kinder dieselben Regeln gelten wie für Nichtjuden. Aber frag mich jetzt bitte um Himmels willen nicht, wie das bei beschnittenen Nichtjuden ist … Dazu musst Du schon einen Rabbi fragen und kriegst womöglich von drei Rabbis vier verschiedene Antworten …

Ob Folgendes zutreffend ist oder ob man mich da auf den Arm genommen hat, will ich mal offen lassen - als nichtjüdischer Gast sollte man streng vermeiden, eine geöffnete Weinflasche anzufassen, etwa um nachzuschenken. Die wäre dann nicht mehr kaschrut.

Soweit meine Kenntnisse - lasse mich natürlich gerne von Elimelech oder Iris (oder sonst jemandem, der es besser weiss) korrigieren.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo.

Du willst also ganz „objektiv behaupten“ eine Beschneidung sei
schmerzfrei?

Leiden und Schmerzen sind für mich zwei verschiedene Begriffe,

Da wird dir wohl jeder zustimmen. Man kann leiden ohne Schmerzen zu haben, aber Schmerzen stellen fast immer ein Leiden dar, wobei es natürlich immer in der individuellen Wahrnehmung und Bewertung liegt, wie sich die beiden zueinander verhalten.
Das „fast“ deutet dann noch auf die (in Richtung pathologisch tendierende) Umdeutung von Schmerz zu Lust hin, was aber in dem hier diskutierten Zusammenhang wohl nicht berücksichtigt werden muss.

vor allem weil hier doch in einigen Beiträgen von einem
dauerhaften Leiden die Rede war.

Und da ist deine Meinung objektiv, die der Anderen aber nicht?
Ich weiss nicht welche Äußerungen dich zu deiner Aussage bewogen. Der direkt bezogene Beitrag liefert mir dafür keine Erklärung, er enthält überhaupt keine Aussagen zu Leid und/oder Schmerz.

Ganz allgemein, gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse über ein schon in früher Kindheit (sogar schon vorgeburtlich) aktives „Schmerzgedächnis“.
Früher wurde die Auffassung vertreten sehr kleine Kinder würden Schmerzen gar nicht als solche Wahrnehmen bzw. sie hätten für sie keine Bedeutung, weil sie sich später an Ereignisse etwa vor dem 3. Lebensjahr gar nicht erinnern können. Darum hat man Kleinstkinder auch ohne Betäubung operiert.
Hängst du diesem Irrtum noch an?

(Das gegenteil ist ja angeblich subjektiv.)
Oder was willst du uns mitteilen?

Das hier viele über Dinge reden, von denen sie offensichtlich
keine Ahnung haben und auch niemanden dieses hier gross stört
oder es angesprochen wird.

Das hättest du aber sicher anders und vor allem zutreffender ausdrücken können. Dann hätte man auch überhaupt prüfen können, ob Argumente zutreffend sind.
Du bleibst auch jetzt, in deiner Klage über Mängel der Argumentation anderer, so unkonkret, dass man nicht viel mehr als den Vorwurf an sich herauslesen kann. Dabei beschleichen mich aber nun Zweifel, ob Du wirklich soviel Ahnung von der Materie hast wie du behauptest.

Eine Sachdiskussion zum Thema sähe für mich doch etwas anders
aus…

Stimmt,
aber auch von deiner Seite.

Gruß
Werner

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Hallo,

Ich kenne genügen Erfahrungsberichte und Untersuchungen zu dem
Thema, um diese Behauptung hier einfach einmal zu bestreiten.

Dann weise uns doch bitte mal den Weg. Mich würde eine Untersuchung die aufzeigt, dass eine Beschneidung allgemein schmerzfrei ist, sehr interessieren.

Und zum Thema Erfahrungsberichte kann man nur anmerken, dass es zu fast jeder auch völlig entgegengesetzten Erfahrung irgend welche individuellen Erlebnisse gibt.

Ich kenne auch Erfahrungsberichte von (medizinisch) beschnittenen, die alle von recht unangenehmen Tagen nach dem Eingriff berichten - heutzutage natürlich durch Schmerzmittel erleichtert.
Und diese Berichte habe ich aus erster Hand und persönlichem Erleben.
Deine Andeutung eine Beschneidung sei schmerzfrei kann ich von daher nicht nachvollziehen.

Allerdings konnte hier bislang auch niemand aufzeigen, dass
dieses ein grosses gesellschaftliches Problem wäre.

Wieso sollte das ein Gesellschaftliches Problem sein? Hier geht es doch um die Individualrechte der Kinder, nicht um eine Gesellschaftliche Störung.

Gruß
Werner

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Moin,

Mit demselben Recht kann man aber auch sagen: Wenn das
gemeinsame Essen ein wichtiger Bestandteil der Feier ist, dann
ist es für einzelne schon gravierend, wenn sie nicht daran
teilnehmen dürfen. Insbesondere, wenn sie wegen eines
persönlichen „Merkmals“ ausgeschlossen sind: Alle anderen
Kinder dürfen, nur dieses eine (weil nicht beschnitten) nicht.

ich denke, als verantwortlicher Elter, würde ich mit meinen Kindern dann eben dahin gehen, wo sie nicht als einzige ausgegrenzt werden, oder ihnen entsprechend den Rücken stärken.

Gruß,
M.

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Hallo Eli

Gut, die Beschneidung wird heute wohl unter Vollnarkose gemacht,

Nein.

Das ist ja schrecklich!!

Warum…

Dazu kann man sich hier mal Bilder zur Operationspraxis ansehen.
http://www.pflegewiki.de/wiki/Zirkumzision#Operation

…Auch wenn mediznische Gründe vorliegen, bzw.
Vorhautverengungen, dann wird hier ohne Vollnarkose operiert,
einfach weil die Kinder dafür viel zu jung sind…

Es gibt zwar Länder in denen das üblich ist, medizinisch indiziert ist es deshalb aber noch lange nicht:

http://www.mobileanaesthesie.de/zirkumzision.pdf

Insgesamt wird die Diskussion sachlicher und immer sachlicher…

Ja insofern Sachverstand die Grundlage bildet…

Gruß
Grin

Wobei wir wieder bei der Frage wären, was den Rechtsanspruch
auf körperliche Unversehrtheit aufheben könnte.

Na, die Religionsfreiheit zum Beispiel. Genau um diese Frage dreht sich die ganze Diskussion doch.

Ich gehe mal davon aus, dass die meisten Erwachsenen sich
dagegen wehren würden, wenn ohne ihre Zustimmung jemand anders
an ihnem Körper aus religiösen Gründen dauerhafte
Modifikationen vornehmen würde und zwar völlig egal wie sehr
dieser „jemand“ nun davon überzeugt ist, dem anderen was Gutes
zu tun.

Dieses Recht haben Kinder aber auch.

Niemand hat nach unserem Grundgesetz - und darum geht es hier gerade - ein schrankenloses Recht auf körperliche Unversehrtheit. Auf die verfassungsimmanenten Schranken habe ich schon hingewiesen. Hinzu kommt die eindeutige Vorschrift in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG.

Das Problem liegt hier eher darin, dass auch die entsprechend
körperlich modifizierten Kinder ihr Leben lang die
Konsequenzen tragen müssen.

Genau, dies ist ein Umstand, der in der Abwägung berücksichtigt werden muss.

Wie gesagt, es geht ja hier nicht um eine bestimmte Erziehung,
sondern um einen körperlichen irreversiblen Eingriff.

Nee, es geht um beides und noch mehr.

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Hallo.

das ist schon richtig.Er hat ja als Territorium „angedacht“
Argentinien - aber eben auch Palästina.

Als das „gelobte Land“? Nein, eben gerade nicht.

Und diese mögliche Wahl ist sehr wohl ein Grund gewesen um vor
allem traditionelle religiöse Kreise für seine Idee zu
gewinnen.

Er wollte diese Kreise nicht nur nicht gewinnen, sondern sogar sich von denen verabschnieden. Das war mit auch seine Hoffnung.

Er wollte ja Land „kaufen“, nicht erobern.

Wer will oder hat es erobert?

Das Schwergewicht der Argumentation hat sich dann auch sehr
wohl zum traditionellen Aspekt hin verschoben und dient heute
teils als Rechtfertigung auch für die „Landnahme“ aus
palästinensischen Beständen, den Anspruch auf Jerusalem usw.

Nur in der öffentlichen Wahrnehmung hier in Deutschland hat es dieses Gewicht. So entstand die Siedlungspolitik eben auch gerade nicht im Religiösen Spektrum sondern im Rechten.

Das andere dieses dann für sich in Anspruch nehmen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass ebenso grosse Teil der sekulären Israelis dahinter stehen und die Argumentation auf israelischer Seite eigentlich fast nie mit der Idee des „gelobten Landes“ begründet wird.

Gruss,
Eli

Hallo.

Dazu kann man sich hier mal Bilder zur Operationspraxis
ansehen.

Und diese Bilder beantworten meine Frage? Wohl eher nicht.

Es gibt zwar Länder in denen das üblich ist, medizinisch
indiziert ist es deshalb aber noch lange nicht:

Was hat dieses nun mit dem Aspekt der Vollnarkose zu tun?

Insgesamt wird die Diskussion sachlicher und immer sachlicher…

Ja insofern Sachverstand die Grundlage bildet…

Ja, Gefühlsäusserungen, Bilder, … aber Argumente?

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Hallo.

Hast du im Ernst geglaubt, wir reden hier von einem Skal
pell
schnittchen in Vollnarkose?

Bei vielen Muslimen gehört ja der Schmerz dazu, wenn man ein
Mann werden will. So ähnlich wie der Schmiss bei den
schlagenden Studenten.

Wieviel Prozent der Muslime verzichten bei ihrer Beschneidung deines Wissens nach auf eine Betäubung? Oder bezog sich obige Aussage weniger auf konkrete Beschneidungen, als auf deine Vorurteilswelt?

Gruss,
Eli

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Hallo

Zum Schluss eine Frage Woher kommt denn die Vorschrift der :Beschneidung? Die Begründung „steht in der Bibel“ reicht mir nicht. :Sie ist sicher lange gewachsen. In einer Weltgegend und Zeit, die :eine völlig andere ist als unsere (heutige) - was vielleicht kein :Grund ist. Ketzerisch argwöhne ich mal: In der Weltgegend war es :sehr trocken, wenig Waschgelegenheit, sehr heiß - da mag es aus :hygienischen Gründen sinnvoll sein, zu beschneiden. Das hat man dann :zwecks besserer Durchsetzung in eine religiöse Vorschrift gepackt. :Na ja, vielleicht ist das auch nur die unmaßgebliche Meinung eines :unmaßgeblichen Ungläubigen…

ist ja nicht so einfach
es gibt heute viele Religionen, viele verwenden auch die Schrift. - die enthält viele Gesetze- u.a. geht daraus hervor:
Unter dem mosaischen Gesetz war die Beschneidung Vorschrift…
warum auch immer…
und auch das zeigt die Bibel- Beschneidung für Christen nicht notwendig…
Rö.2,25…Die Beschneidung nämlich hat nur Wert, wenn du das Gesetz hältst; bist du aber ein Übertreter des Gesetzes, so ist deine Beschneidung zur Unbeschnittenheit geworden…
…Schlachter Bibel 2000
die Frage kommt auf- welches „Gesetz“ weiß, wie heute darüber richtig zu entscheiden ist… speedytwo

Hallo Eli,

Wieviel Prozent der Muslime verzichten bei ihrer Beschneidung
deines Wissens nach auf eine Betäubung? Oder bezog sich obige
Aussage weniger auf konkrete Beschneidungen, als auf deine
Vorurteilswelt?

sicher auf konkrete Beschneidungen, wobei die Beschneidung größerer Kinder in D wohl eher mit Betäubung erfolgt als z.B. in der Türkei.
http://www.3sat.de/page/?source=/scobel/137814/index…
„Traditionell findet die Beschneidung ohne Betäubung und nur unter Männern statt. Die Jungen werden festgehalten und haben etwas zum Draufbeißen im Mund, wenn der Beschneider das Messer ansetzt. Je weniger er schreit, desto tapferer ist er“, so Kelek: "Wenn die Zeremonie fertig und der Junge verbunden ist, heißt es, dass er ein Aslan, ein Löwe ist. Doch dann dauert es drei, vier Wochen, bis die Wunden verheilt sind und die Jungen wieder normal auf die Toilette gehen können. Oft führt mangelnde Hygiene zu Komplikationen und der Beschneider muss immer wieder kommen. Ich habe das als sehr demütigend und erniedrigend erlebt für diese Kinder.“

Gruss,
T.

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in die 19.Jhdt-Kiste muß man gar nicht greifen
Hallo Ralf,

nun muß ja sicher Dieter Graumann nicht unbedingt als ein Exponent für die Kategorie „jüdische Gelehrsamkeit und intellektuelle Brillanz“ bewertet werden. Er steht halt in den Charts der Medien-Front und hat sicher auch keine Kompetenz in kontroversen Themen der Midrashdiskussion. Er ist Exponent ebensowenig wie die Richter des LG für die Rechtstheorie und Rechtsphilosophie in Deutschland. Exponent dieser Art ist ja auch nicht die pfauenhaft-clowneske Rhetorik eines Sloterdijk für die deutsche Philosophie oder die kindisch-populistische Stammtischrhetorik eines Harald Lesch für die Physik.

Insofern mache ich mir keine Sorge um ein Fehlen intellektueller Brillanz, auch bzgl. dieses Themas nicht, ebensowenig wie es ein Emil Fackenheim, ein Jacob Taubes oder eine Evelyn Goodman-Tau tun würde.

Um so befremdlicher, auch in historischer Vogelperspektive, nehme ich wahr, wie bei einem an sich uralten kontroversen Thema (du pointierst es ja ebenfalls) das unter der Oberfläche der Zeitgeschichte weste, aus dem Uterus der Öffentlichkeit religiösen und antireligiösen und nicht-jüdischen Laientums urplötzlich, so als sei das was Neues, eine unübersehbare Menge von „Fachleuten für jüdische Ritualik“ entspringen.

Meine psychoanalytische Zweitnatur lacht sich dabei ins Fäustchen, und täte das auch laut, wenn das Thema nicht so ernst wäre. Abgesehen davon ist es noch eine Kirsche auf dem Sahnehäubchen, daß das Gerichtsurteil ja nicht etwa in Usbekistan oder Arkansas gefallen ist, sondern in Schland. Aber das Faß mach ich hier nicht auf, obwohl es das richtige Brett dafür wäre.

Es ist nämlich nicht so, daß bei dem Thema Argumente gegen die Beschneidung etwa nicht gewußt würden, so also, daß man es nötig hätte, auf Reformbewegungen des 19. Jhdts zurückzugreifen. Die ameriaknischen Bewegungen haben ja ebenfalls → dieselben Argumente, auch wenn sie mutmaßlich weder Abraham Geiger noch (den viel bedeutenderen) Samuel Holdheim studiert haben.

Nebenbei bemerkt: Holdheim wird sehr wohl in der Judaistik auch gegenwärtig studiert. Um nur ein Beispiel zu erwähnen:
http://www.ralphbisschops.info/holdheim%20polemik.PDF

Immerhin hatten seine Bemühungen, den Talmudismus vom Judaismus historisch abzuschälen, beinahe zu einem Schisma geführt (Reformverein Frankfurt usw.). Aber Holdheim ist ein Gesamtpaket, für dessen historischen Verlauf ins vorläufige Aus es, wie du ja auch sagst, viele schillernde Aspekte gab. Aber auf diesem Gesamtpaket ist das Thema „Beschneidung“ (und Holdheims Argumentation dazu) lediglich eine Briefmarke. Eine, die man ohne Aufwand neu drucken kann.

Auf ausgerechnet ihn also als Argumentevorrat zurückzugreifen, hieße, mit einem Elefanten eine Mücke aus dem Schlafzimmer vertreiben zu wollen. Zumal seine Beschneidungsargumente derartig naheliegend sind, daß sie auch heute von Menschen gepflegt werden (siehe oben als Prototyp), die seine intellektuelle Brillanz nicht teilen. Nur das Gewicht und die Zutrefflichkeit dieser Argumentionen gewinnen halt (zumindest bis heute) keinen Konsens.

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Wobei wir wieder bei der Frage wären, was den Rechtsanspruch
auf körperliche Unversehrtheit aufheben könnte.

Na, die Religionsfreiheit zum Beispiel. Genau um diese Frage
dreht sich die ganze Diskussion doch.

Nein, darum dreht sie sich nicht. Religionsfreiheit meint nicht die Freiheit, andere Menschen ohne deren Einwilligung für ihr weiteres Leben körperlich zu kennzeichnen, sondern allenfalls sich selbst.

Niemand hat nach unserem Grundgesetz - und darum geht es hier
gerade - ein schrankenloses Recht auf körperliche
Unversehrtheit. Auf die verfassungsimmanenten Schranken habe
ich schon hingewiesen. Hinzu kommt die eindeutige Vorschrift
in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG.

wir reden hier auch nicht von „schrankenlos“ sondern darüber, dass Menschen andere Menschen ohne deren Einwilligung und ohne Vorteil für den Betroffenen körperlich kennzeichen wollen.

Das Problem liegt hier eher darin, dass auch die entsprechend
körperlich modifizierten Kinder ihr Leben lang die
Konsequenzen tragen müssen.

Genau, dies ist ein Umstand, der in der Abwägung
berücksichtigt werden muss.

Da muss ich gar nichts abwägen. Ich würde jeden, der mich ohne meine Einwilligung körperlich kennzeichen würde, verklagen, ganz egal wie gut dieser das aus welcher religiösen oder sonstigen Absicht auch immer gemeint haben mag.

Wie gesagt, es geht ja hier nicht um eine bestimmte Erziehung,
sondern um einen körperlichen irreversiblen Eingriff.

Nee, es geht um beides und noch mehr.

Dann erklär mir dochmal, welche erzieherischen Auswirkungen es hat, ob einem kleinen Jungen die Vorhaut fehlt. Wird er dadurch schlauer? gehorsamer?

Gruß
M

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Hallo Benvolio,

Wobei wir wieder bei der Frage wären, was den Rechtsanspruch
auf körperliche Unversehrtheit aufheben könnte.

Na, die Religionsfreiheit zum Beispiel. Genau um diese Frage
dreht sich die ganze Diskussion doch.

… wobei ich doch nochmals darauf hinweisen möchte, dass es hier doch mE um das Recht auf Religionsfreiheit der Kinder geht, das von Eltern lediglich stellvertretend für diese in Anspruch genommen wird. Das Recht auf Religionsfreiheit ist ein persönliches Recht - es erstreckt sich nicht auf andere Personen (und das ist verdammt gut so), auch nicht auf die eigenen Kinder. Das Berechtigung von Eltern, das Recht der Religionsfreiheit für ihre Kinder unter 12 (negativ) bzw. 14 Jahre (positiv) stellvertretend auszuüben , ist nach meinem Verständnis ein Ausfluss des Erziehungsrechts. Es hat aber, wie jedes stellvertretend wahrgenommene Recht, seine Schranken im wohlverstandenen Interesse des Vertretenen.

Nun ist das Interesse eines Kindes (zumal eines 8 Tage alten Säuglings), die Religion der Eltern mit allen Konsequenzen anzunehmen, definitiv nicht zweifelsfrei gegeben. Die Lebenswirklichkeit (und die hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt, wodurch sich dieses Problem erst überhaupt ergeben hat) zeigt nur zu deutlich, dass sich Kinder häufig bei bzw. nach Erlangen der Religionsmündigkeit für einen anderen Weg als ihre Eltern entscheiden. Dass vorherige Entscheidungen ihrer Eltern dann möglicherweise unschädlich sind (hier spielt allerdings die Irreversibilität einer Beschneidung schon eine Rolle) ist mE hier eher nachrangig, es geht vielmehr um eine sachgerechte Interessenwahrnehmung.

Das Interesse, nicht ohne medizinische Notwendigkeit (d.h. zur Abwendung einer drohenden Gefahr für Leib und Leben) Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit erdulden zu müssen ist hingegen schon eindeutig gegeben - immerhin ist dies ein ganz vitales, evolutionsbiologisch verankertes Interesse.

Insofern kann hier das Ergebnis einer Abwägung der konkurrierenden Rechte eigentlich gar keinem sachlich begründeten Zweifel unterliegen. Auch wenn die drei hier abzuwägenden Grundrechte theoretisch gleichrangig sind, so ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit zwar disponibel (d.h. man kann in einen Eingriff einwilligen - was z.B. chirurgische Operation idR legal macht), aber doch nahezu unbeschränkt. Das Recht auf Erziehung ist jedoch durch das Kindeswohl sehr deutlich beschränkt und das Recht auf Religionsfreiheit ebenfalls insofern es hier nur stellvertretend ausgeübt wird.

Ich gehe mal davon aus, dass die meisten Erwachsenen sich
dagegen wehren würden, wenn ohne ihre Zustimmung jemand anders
an ihnem Körper aus religiösen Gründen dauerhafte
Modifikationen vornehmen würde und zwar völlig egal wie sehr
dieser „jemand“ nun davon überzeugt ist, dem anderen was Gutes
zu tun.

Dieses Recht haben Kinder aber auch.

… sie haben nur offensichtlich das Problem, dieses Recht nicht selbst wahrnehmen zu können - insbesondere wenn sie erst 8 Tage alt sind. Wenn nun die Eltern als gesetzliche Vertreter das nicht in geeigneter Weise tun oder wenn es in Zweifel steht, dass sie das tun, dann ist es ein Fall für die Justiz, dies zu überprüfen und ggf. an Stelle der Eltern das Recht des Kindes zu schützen. Wie gehabt.

Niemand hat nach unserem Grundgesetz - und darum geht es hier
gerade - ein schrankenloses Recht auf körperliche
Unversehrtheit. Auf die verfassungsimmanenten Schranken habe
ich schon hingewiesen. Hinzu kommt die eindeutige Vorschrift
in Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG.

Ja. Von der schon erwähnten Disponibilität dieses Rechtes abgesehen (da geht es ja um Freiwilligkeit), ist allerdings die Rechtmäßigkeit eines Eingriffs nach Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG äußerst schwer zu begründen. Ich erinnere mich da z.B. an die schon etwas länger zurückliegende Diskussion über die Zwangsernährung von hungerstreikenden Häftlingen - wahrlich kein Ruhmesblatt der deutschen Rechtsgeschichte. Ich hoffe, Du zielst nicht darauf ab, solch ein Eingriffsrecht aus dem Erziehungsrecht oder gar dem Recht auf Religionsfreiheit abzuleiten bzw. zur Lösung der hier diskutierten Problematik eine solche Ausweitung der elterlichen Gewalt per gesetzlicher Ermächtigung vorzuschlagen. Dann kämen wir nämlich wirklich in Teufels Küche bzw. zu ganz abstrusen Konsequenzen. Wenn man diese Möglichkeit grundsätzlich bejahen würde, könnte man beispielsweise durchaus auch dafür argumentieren, dass ein Vater seinem missratenen, als Dieb straffällig gewordenen minderjährigen Sohn nach Scharia eine Hand amputieren lässt … Sicher ein Extrembeispiel - aber man muss sich schon fragen, was da hinter der Tür wäre, die man da evt. öffnen würde.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Auswirkung von Beschneidung
Moin,

offenbar gibt der Herr jedoch nur seine eigene, subjektive und nicht mit dem Ergebnis von Studien übereinstimmende Meinung der Auswirkung einer Beschneidung wieder.

Mehr Informationen, auch Verweise auf Studien zum Thema etc. finden sich hier:
http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/maennlich…

Gruß
M.

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