Der hat damit nur sehr eingeschränkt zu tun - eigentlich gar nichts. Wir hatten in Deutschland in den 50ern eine sehr spezielle Situation: alles war zerstört und musste wieder aufgebaut werden. Das geschah anfänglich fast ausschließlich aus Steuereinnahmen. Das (d.h. die jährliche Neuverschuldung) änderte sich schlagartig als ein gewissen Helmut S. aus HH zunächst Finanzminister und dann Bundeskanzler wurde:
Natürlich konnte man der Wirtschaftskrise Anfang der 70er mit steigenden Staatsausgaben begegnen, nur ist halt erstaunlich und für die nachfolgenden Generationen ein bisschen doof, dass Schmidt als studierter Volkswirtschaftler ausgerechnet den zweiten Teil der Keyenesianischen Lehre vergaß, nämlich dass sich der Staat das zuvor zwecks Wirtschaftsankurbelung ausgegebene Geld in guten Zeiten über Steuereinnahmen zurückholen sollte.
Zudem wurde das Geld ja auch nicht für Investitionen ausgegeben, sondern für Sozialleistungen, die dann dauerhaft erhöht blieben, wie das in Deutschland ja ohnehin eine hübsche Tradition ist. Zudem waren Investitionen auch gar nicht erforderlich, konnte man meinen, weil das ganze Zeug ja alles erst 10-20 Jahre alt war - also Infrastruktur, Schulen, Universitäten, Bundeswehr usw. usf.
Danach kam der nächste Helmut, in dessen Amtszeit die Verschuldung zunächst nicht sank, aber zumindest langsamer stieg. Letztlich war es ein Glücksfall, dass zeitgleich mit der Wiedervereinigung die Bedrohung aus dem Osten weggefallen zu sein schien und man die Bundeswehr verkleinern konnte (bzw. nach dem 2+4-Vertrag ja sogar musste). Man übersah dabei, dass auch eine kleinere Bundeswehr gelegentlich neues Gerät braucht, weil das Zeug trotzdem älter wird, auch wenn man weniger davon braucht und einen Teil als Ersatzteillager verwenden kann.
Naja, um das ganze ein bisschen abzukürzen: im investieren war keine Regierung der letzten 50 Jahren besonders gut, aber es gibt durchaus strukturelle Unterschiede und zwar dergestalt, dass unter den SPD-geführten Regierungen die Verschuldung dramatisch nach oben ging, aber eben nicht aufgrund von Investitionen, sondern von Konsumausgaben, die aber weder die Brücken reparieren, noch die Ausstattung von Schulen verbessern oder die Bundeswehr stärken.
Das mag man unter sozialphilosophischen und ethischen Gesichtspunkten gut finden, aber es ist eben das Gegenteil von dem, was man vernünftigerweise tun sollte. Man unterstützt Familien vordergründig durch einen Anstieg des Kindergeldes, aber auf lange Sicht viel besser, indem man allen Kindern eine gute Ausbildung angedeihen lässt und zwar unabhängig davon, was das Elternhaus in der Hinsicht leisten bzw. wie gut es unterstützen kann. Natürlich kann man Sozialsysteme stärken, aber Beschäftigung dienlicher sind auch Autobahnen, auf denen der Verkehr fließt, anstatt zu stehen oder sich stockend durch Täler im Sauerland zu bewegen.
Die Ursachen für die fehlgeleitete Entwicklung, dass nämlich die umfangreichen Investitionen nach dem Krieg schlicht abgewohnt wurden, sind vielfältig. Wesentliche Ursachen sind
- die Fehlsichtigkeit des Bürgers, der (natürlich) sein eigenes volleres Portemonnaie mehr goutiert als eine langfristige verbesserte wirtschaftliche Perspektive des ganzen Landes,
- die irrsinnige Fehlsteuerung der öffentlichen Haushalte durch die Kameralistik, die dazu führt, dass in Haushaltsjahren gedacht wird und nicht in Investitionszyklen und den langfristigen Erträgen von Investitionen,
- die monetär kaum zu bewertenden Erträge aus Bildung, Infrastruktur, Landesverteidigung usw., so dass Investitionen in diese Bereiche nicht leicht gegen Geld abgewogen werden können, das man stattdessen heute für Konsum ausgegeben könnte und natürlich
- die ganz grundsätzliche Problematik, dass die Zukunft viel weiter weg ist als die Gegenwart - insbesondere, wenn man nächstes Jahr wiedergewählt werden möchte.
Das Problem ist übrigens kein rein staatliches. Wie Dinge behandelt werden, wenn sie erst einmal da und noch funktionsfähig sind, braucht nur mal eine in einer beliebten Ferienregion in Deutschland befindliche Ferienwohnung aus den 80ern oder 90ern anzumieten. Anstatt da mal gründlich zu renovieren und ggfs. mal eine halbe Saison auszusetzen, wird das Objekt so lange vermietet wie es eben geht. Das gilt übrigens auch für Hotels und bei manchen Leuten auch für die eigene Immobile. Wer tauscht schon Heizung oder rüstet Dämmung nach, wenn er nicht muss oder die Kosten für Energie durch die Decke gehen wie bspw. letztes Jahr. Man braucht nur mal in die Immobilienanzeigen zu schauen, um einen Eindruck davon zu bekommen, was im Bestand in den letzten 50 Jahren einfach nicht renoviert wurde (was auch finanziell doof war).
Und um den Bogen zu den angeblichen Neoliberalen zu schlagen: hätte man die zukünftigen Erträge bspw. von Bildung und Infrastruktur in Euro ausgedrückt und auf der Basis mal eine Vergleichsrechnung mit anderen Projekten angestellt (was ja mitunter mal von eher wirtschaftlich denkenden Politikern gefordert wurde), dann wären wir heute in vielen Bereichen nicht auf dem Stand der 60er und frühen 70er. Dann hätte man entweder fortlaufend in die Erhaltung investiert oder eben auch frühzeitig in einen Neubau, wenn der Bestand absehbar nicht zu retten war.
Schulden sind nicht per se genauso böse (oder nicht böse) wie nicht gemachte Schulden. Die Frage ist, wofür man das Geld ausgibt bzw. wofür man es eben nicht ausgibt. Geld für Nachhilfe und anderweitige Unterstützung von Kindern mit fehlenden Sprachkenntnissen auszugeben, ist sicherlich richtig. Besser wäre es aber, Schulen und Kindergärten so auszustatten, dass es gar nicht so weit kommt, dass Kindern die Sprachkenntnisse so sehr fehlen, dass sie Unterstützung brauchen.
Geld für Menschen auszugeben, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst erwirtschaften können, ist sicherlich richtig. Besser wäre es aber, es gar nicht so weit kommen zu lassen, dass sie Unterstützung brauchen - also bspw. dafür zu sorgen, dass a) die Wirtschaft hinreichend Arbeitsplätze bereitstellt und zwar auch für Menschen z.B. mit Behinderung und b) ein Umfeld entsteht, in dem Menschen diese Arbeitsplätze auch besetzen können, anstatt durch lange Fahrzeiten, Betreuung von Eltern oder Kindern usw. daran gehindert zu werden.
Laufend Geld dafür auszugeben, dass die Folgen anderer Versäumnisse kaschiert werden, ist nicht klug. Es ist nicht klug, sich jahrelang mangelhaft zu ernähren, um sich dann nach Auftreten der ersten Mangelerscheinungen für viel Geld vom Arzt untersuchen zu lassen und anschließend Medikamente zu nehmen, um den ursprünglichen Zustand so halbwegs wieder herzustellen.
Das ist aber das, was wir machen: wir lassen Infrastruktur vergammeln, erhalten sie dann über Jahre mühsam in einem leidlich betriebsfähigen Zustand und fangen irgendwann mit einem schuldenfinanzierten Neubau an, anstatt dauerhaft pfleglich mit ihr umzugehen und frühzeitig den Ersatz zu planen und dafür Geld zur Seite zu legen. Es ist auch nicht vernünftig, Schulen einmalig gut auszustatten und Lehrer gut ausgebildet an die Schule zu schicken, um den Blick über Jahrzehnte dann woanders hin zu richten und nach 40 Jahren festzustellen, dass der Zustand von Schule und Lehrkörper mehr als beklagenswert ist. Besser wäre es, die Schulen mit einem vernünftigen Budget für Neu- und Ersatzinvestitionen zu versorgen und die Lehrer einer regelmäßigen Begutachtung und verpflichtenden Fortbildung zu unterziehen.
Man kann den jeweils letzteren Ansatz natürlich als doofen und neoliberal bezeichnen, aber das ist halt nicht vernünftig.