Hallo,
Bei den Londoner Ausschreitungen (und auch in Griechenland,
Spanien, Frankreich, Tunesien, Ägypten usw.) sind
Systemverlierer unterwegs, deren sozialer Sprengstoff aus
Hoffnungslosigkeit und Lebensenttäuschung nun hochgegangen
ist.
ich möchte jetzt nicht neue Fässer aufmachen, sondern bei Großbritannien bleiben. Außerdem muß man zwischen der ersten Nacht und den Folgenächten unterscheiden. In der ersten Nacht ging es zunächst um den Todesfall.
Die späteren Krawalle sind mitnichten Protestaktionen der Benachteiligten, sondern - wie ich schon schrieb - Veranstaltungen von Leuten, die sich in ihrer Freizeit auf etwas aktivere Art betätigen wollen.
_"Doch auch das krasse soziale Gefälle kann die massive Gewalt auf englischen Straßen nicht wirklich erklären. Die Krawallmacher kamen mitnichten nur aus der Unterschicht, das waren nicht alles Arme. Unter den ersten Plünderern, die verurteilt wurden, sind Millionärskinder und Jugendliche aus der Mittelschicht. Leute, die aus Elektronikmärkten Flachbildfernseher geklaut haben, obwohl in ihrem Kinderzimmer schon einer hängt.
Kirchenvertreter sehen die Ursache des Übels in einer verkorksten Bildungspolitik. In einem maroden Schulsystem, das Kindern aus bildungsfernen Schichten keine Chance gibt, auszubrechen. An dem Argument ist viel Wahres dran - doch es zieht ebenfalls nur bedingt. Dazu haben viel zu viele Leute mit guter Bildung randaliert und geplündert: Designer, Lehrer, Sozialarbeiter."_
http://www.tagesschau.de/ausland/kommentar496.html
Wo es zur Sache geht, wird nicht zwischen allen potentiellen
Beteiligten bei einem Täschen Mate-Tee ausdiskutiert, sondern
von einigen wenigen entschieden. Ob das ganze dann per Twitter
oder Telefonkette weitergegeben wird, ist lediglich eine Frage
der Effizienz und der Kosten.
Das denke ich nicht. Es bedarf keines Organisators, der plant
und die Massen an eine bestimmte Stelle lotst. Es reicht wenn
die Lage irgendwo an einer beliebigen Stelle kippt, diese
Information in Sekundenschnelle verbreitet wird und der
restliche Mob sich dann dorthin bewegt, wo es hoch her geht.
Das ist ja gerade nicht Inhalt der Botschaften gewesen, sondern die Aufforderungen, sich irgendwo zum Randalieren zu treffen, liefen schon Stunden vorher um - also bevor die Randale des jeweiligen Tages überhaupt schon begonnen hatte.
Kosten sind auch kein Thema; Internet-Flatrates gibt es für
kleine Taschengeldbeträge, ins Internet kommt man heute schon
mit einfachsten Handys.
Die Kommunikation lief über den hierzulande nur wenig bekannten Blackberry Messanger. Ein Vertrag (und der ist zur Benutzung hilfreich; klauen hilft also nicht viel) kostet ab etwa 40 Euro aufwärts (monatlich).
Weißt Du, ich würde ja gerne glauben, daß da ein Protest im Gange war, bei dem das Ziel Gerechtigkeit und Veränderung das Ziel war und nicht Spaß an Gewalt und persönliche Bereicherung. In dem Fall wäre ich kein Befürworter, aber ich hätte Verständnis.
Nur deutet leider nur wenig darauf hin, daß in den Nächten 2-x Protest im Vordergrund stand. Natürlich sind die Geschichten, die ich seit Jahren von Polizisten und anderen Leuten „an der Quelle“ erzählt bekomme, auch nicht dazu geeignet, Sozialromantik aufkommen zu lassen.
Die Quintessenz lautet, daß Elend so lange nicht randaliert. Zumindest nicht so lange, bis es wirklich existentiell wird.
Was hingegen zu Randale führt, sind Langeweile, asoziale Grundeinstellung, Respektlosigkeit, Gelegenheit bzw. Anlaß und Führung.
Gruß
Christian
P.S.
Noch ein paar Zitate:
" ‚He’s a good boy. He’s not from a bad home," said his mother. "They can’t always blame the parents. He has a job, he plays football. He’s a good kid. I don’t know what is going to happen to him now.(…)‘ "
"Two hours later, the M&G heard how another 18-year-old boy – Mario Quiassaca – had joined a hooded gang near the upmarket Sloane Square in central London and attacked a trendy Hugo Boss store, and tried to force open an ATM machine.
The clothing they stole was worth up to £350, and the gang was accused of throwing missiles at the police.
Seven items were found in Quiassaca’s possession and all were from Hugo Boss, the court heard. The clothing was brand new in appearance, its tags were removed but Metropolitan police said they were brand new. They also apparently found a pair of latex gloves with blood on it in the pockets of one of the pieces of clothing that were allegedly stolen.
Quiassaca told police he had heard there were gangs raiding London and he had joined in when the trouble began."
"The young boy in the dock with him, 17-year-old Charlie Burton, had also been in Sloane Square on Monday night, he said. He told police the gang wanted to create havoc , but „he had not wanted to steal“.
Burton had gone home and told his mother after he had joined in the gang raids, he said. His supporters were in the public gallery. „He’s not a bad lad. He just got caught up in it,“ said one of his friends."
"Some of the children appearing in court for looting and rioting were as young as 15, and the oldest person was 32.
The M&G watched in the public gallery as a judge heard compelling reasons why a 23-year old young man – Iannick Pinto – who was captured on film looting and stealing, should not be sent to prison. Pinto entered a Sports Direct shop in London and stole clothing valued at up to £300.
" You have not been in trouble before. You have part time work and you are studying ," said senior district court judge, Howard Riddle, who made the extradition recommendation that Shrien Dewani should be sent back to South Africa."
http://mg.co.za/article/2011-08-12-where-are-all-the…
Ein paar Einzelfälle:
http://www.telegraph.co.uk/news/uknews/crime/8699804…
Bilder von einigen fröhlichen Menschen beim Einkaufen:
http://www.met.police.uk/disordersuspects/