Hallo Eckard!
es wird sich erst dann eine :Änderung herbeiführen lassen, :wenn die Meßgröße für :Arbeitsleistung nicht „Zeit“ :ist, sondern „Erledigung :einer Aufgabe“.
Das ist tatsächlich ein Problem, sobald sich Arbeitsleistung (ein merkwürdiges und physikalisch unsinniges Wort) nicht laufend messen läßt. Wenn jemand aus dem Fenster schaut oder mit hochgelegten Füßen im Sessel sitzt, ist nicht zu unterscheiden, ob die Gedanken um die Freundin oder um ein fachliches Problem kreisen. Manchmal beißt man sich fest, kommt tagelang nicht recht weiter und an einem anderen Tag läufts wie geschmiert. Mit diesem Problem gehen die Unternehmen unterschiedlich um, wobei es regelmäßig auf eine Zielvorgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt hinaus läuft. Das Spektrum reicht von AT-Angestellten, die gefälligst keine Stunden zu zählen haben, bis zur Auftragsvergabe mit Zahlung für die fristgemäß beigebrachte Lösung. Dabei ist der Auftragnehmer in der Situation, feste Arbeitszeiten aus seiner Vorstellungswelt streichen zu müssen. Welche Lösung auch immer, sie paßt nicht in die zuweilen ideologisch bestimmte Diskussion von Aufteilung der Arbeit auf viele Schultern.
Solche Probleme haben Unternehmen aller Größenordnungen. Das reicht vom 1-Mann-Ingenieurbüro, über den Spezialmaschinenbauer bis zu Riesenunternehmen wie Siemens. Wenn dort ein bestimmtes Projekt fristgerecht abzuliefern ist, hat auch die Siemens-Abteilung nur ganz wenige Leute, die sich mit der speziellen Technik auskennen. Diese Leute müssen sich gegebenenfalls unabhängig von irgendwelchen Tarifbestimmungen einbringen. 6- oder 8-Stunden-Tage und überhaupt feste Arbeitszeiten sind dafür einfach die ungeeignete Denkkategorie.
Vergleichbare Probleme gibts aber nicht nur bei geistiger Arbeit (schon wieder kräuseln sich die Physiker-Fußnägel). Als Student verdiente ich mir meine Brötchen u. a. auf einer Reparaturwerft von Blohm & Voss in Hamburg. Typisches Projektgeschäft, längere Planungen sind unmöglich. Plötzlich liegt ein rostiger Pott am Reparaturkai. Oder wochenlang keiner. Oder auch zeitgleich 2 Stück. Ladeluken sitzen wie eingeschweißt fest, in der Bilge Unmengen Dreck und Öl, alle möglichen Pumpen im Eimer, ein Kolben in der Hauptmaschine muß raus … kurz: Die ganze Belegschaft, GF und Prokurist inbegriffen, malochen wie die Tiere. Der Dampfer muß einfach wieder flott werden. Da komme einer mit 6- oder 8-Stunden-Ideen oder dem Vorschlag, mehr Leute einzustellen. Nur Fachleute sind zu gebrauchen und die lassen sich nicht von den (Lade-)Bäumen schütteln.
Ähnliches spielt sich in vielen Handwerksbetrieben ab, denn auch das ist letztlich Projektgeschäft. In der Belegschaft aus geschulten Kräften lassen sich aus wirtschaftlichen Gründen keine Reserven vorhalten und Spitzen sind per Überstunden abzudecken.
Will sagen: Die Dreisatzrechnungen mit der Aufteilung der Arbeit auf mehr Schultern halte ich von Ausnahmen abgesehen für praxisferne Ideologie Wunschvorstellungen. Hinzu kommt, daß sich auf vielen Gebieten die Aufgabe der Verteilung auf mehr Schultern gar nicht stellt. Fachkräftemangel ist das Stichwort.
Die 32-Stunden-Woche gehört zu den regelmäßig durchs Dorf getriebenen Sauen, eine enge Verwandte der Austauschbarkeit von Arbeit. Die Sauen sind wieder Töchter der Vorstellung von Arbeitermassen, die den längst vollzogenen Wandel von beliebiger Austauschbarkeit zu Spezialisierung, Bildung und Know-how nicht zur Kenntnis nehmen mag.
Gruß
Wolfgang