Hallo Wolfgang,
Dabei zeigen die
Erfahrungen in Europa, daß Nationalismus und mangelhafte
Zusammenarbeit zu Katastrophen führten.
Das sind schöne Worte, aber die Realität sieht doch ganz anders aus! Tatsächlich besteht der Nationalismus natürlich fort, denn auf der Welt herrscht nun einmal auch Konkurrenzkampf. Und zwar nicht nur Konkurrenzkampf zwischen einzelnen Konzernen, etwa zwischen Apple und Samsung, oder zwischen VW und Audi, sondern eben auch Konkurrenzkampf zwischen den Nationen. Man muss schon sehr, sehr naiv sein zu glauben, dass andere EU-Staaten gleichermaßen auf nationale Eigeninteressen verzichten, wie das offensichtlich von Deutschland erwartet wird. Das genaue Gegenteil ist natürlich der Fall. Und wenn man nicht auf eine faire Art und Weise mit Deutschland konkurrieren kann, dann versucht man es eben mit unfairen Mitteln wie der EU. Ist im Grunde so ähnlich wie im Sport: Wenn ein Fußballspieler zu gut ist, wie Lionel Messi oder andere, dann hilft nur noch foulen.
Dazu möchte ich zwei längere Zitate anführen.
Zum einen aus dem „Spiegel“ 48/1968:
_(…)
Trotzdem wuchs unter den Siechen der Ärger über die gesunde Mark und zugleich der Wunsch, die deutsche Währungs-Disziplin als Verstoß gegen die internationale Solidarität hinzustellen. Frankreichs Premierminister Couve de Murville behauptete noch in der letzten Woche im französischen Fernsehen, schuld an dem Franc-Desaster sei in erster Linie Deutschland, das sämtliche Reserven an sich ziehe.
Der gaullistische „France-Soir“ brachte die Stimmung der Nachbarländer auf den Generalnenner: „Bei den gegenwärtigen Spannungen geht es im Grunde um den Platz der Bundesrepublik in der westlichen Welt, ihren Reichtum, der plötzlich drückend und übermäßig geworden ist. Niemand spricht davon, aber die deutsche Frage ist der eigentliche Hintergrund des monetären Dramas, **Die Bonner Regierung hat zu viele Devisen, weil die deutschen Exporteure zuviel ins Ausland verkaufen, weil ihre Industriellen zu tüchtig sind.“
Somit seien „die deutschen Tugenden zur Ursache der Unordnung in der Welt“ geworden.**
„France-Soir“: „Deutschland ist zu reich, seine Industrie ist zu mächtig, weil die Deutschen wenig verbrauchen, wenig ausgehen, selten in Ferien fahren, geduldig darauf warten, daß ihnen der Arbeitgeber eine kleine Lohnerhöhung gewährt. Und sie streiken niemals. Es wäre alles so einfach, wenn sie es so wie alle Welt machten.“
Den Regierungen in Amerika, England und Frankreich erscheint es daher leichter, die eigene Krankheit zu kurieren, indem sie Westdeutschland den Schlendrian einimpfen. Die atlantische Wirtschaftsgemeinschaft OECD in Paris forderte im vergangenen Juli die Bundesregierung in einer Studie auf, den Schiller-Kurs des kontrollierten Wirtschaftsaufschwungs zu ändern und statt dessen durch zusätzliche Steuer-Anreize Nachfrage und Preise so anzuheizen, daß der Wettbewerbsvorteil der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt schwinden würde.
(…)_
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45921983.html
Und aus der „Welt“ vom 30.12.2001:
_(…)
Der Verdacht, die Franzosen wollten gar kein handlungsfähiges europäisches Staatswesen, um ihre nationale Souveränität in keinem Fall preisgeben zu müssen, ist immer wieder von der französischen Seite selbst genährt worden. Das einzig konkrete europapolitische Ziel, so der Mitterrand-Vertraute Jacques Attali, sei die Abschaffung der D-Mark. Nach der Einführung des Euro sei die europäische Integration für Frankreich beendet. Noch deutlicher wurde der Historiker Emmanuel Todd, der als Präsidentenberater sowohl Mitterrand wie Chirac zu Diensten war: "Hinter der Euro-Euphorie steckt der Wille, Deutschland als Geldgroßmacht zum Verschwinden zu bringen, die deutsche Frage ein für alle Mal zu lösen."
(…)_
http://www.welt.de/print-wams/article618438/Jetzt-mu…
Und als „Sahnehäubchen“ noch mal zwei Zitate von Helmut Schmidt aus besagter Rede vom 4. Dezember 2011:
(…) Auch die nachgeborenen deutschen Generationen müssen mit dieser historischen Last leben. (…)
Und:
(…)De Gaulle und Pompidou haben in den 1960er und frühen 1970er Jahren die europäische Integration fortgesetzt, um Deutschland einzubinden - nicht aber wollten sie auch ihren eigenen Staat auf Gedeih und Verderb einbinden. (…)
http://www.spd.de/presse/Pressemitteilungen/21498/20…
(Hervorhebung von mir.)
Alles klar?
Natürlich ging es bei der EU nie darum, dass alle Mitgliedsstaaten ihre eigenen nationalen Interessen dem „Projekt Europäische Union“ gleichermaßen opfern, dazu sind die anderen Staaten natürlich nicht bereit, sondern vor allem Deutschland soll das tun. Deutschland soll mit Hilfe der EU, vor allem von Frankreich, „Knüppel zwischen die Beine“ geworfen werden. Und zwar nicht militärisch - die Zeiten sind lange vorbei - sondern wirtschaftlich. War für Frankreich die Aufgabe des Franc ein besonderes Opfer? Natürlich nicht. War für Deutschland die Aufgabe der Mark ein Opfer? Offensichtlich. Deutschland soll im Zweifel „blechen“.
Trotzdem wird den Leuten in Deutschland vorgegaukelt, alle EU-Länder würden gleichermaßen auf nationale Interessen zugunsten der EU verzichten, obwohl das offensichtlich nicht der Fall ist.
Von daher ist es wenig
hilfreich, andere Länder in anderen Kontinenten anzuführen, um
über Deutschland und die EU zu diskutieren.
Das sehe ich nicht so. Wenn behauptet wird, wie sehr angeblich Deutschland als Exportnation von der EU profitiere, ist es vollkommen legitim, auf andere erfolgreiche Exportnationen wie Südkorea oder Japan zu verweisen. Die sind auch erfolgreiche Exportnationen, aber würden niemals, über die schon erwähnten Freihandelsabkommen hinaus, ihre nationale Souveränität aufgeben.
Wir können uns nicht von der Geschichte lossagen, die u. a.
vom gegenseitigen mißtrauischen Belauern verschiedener
europäischer Mächte bestand.
1.) Die einzige Konsequenz aus den vielen verschiedenen blutigen Diktaturen, Ideologien usw. des 20. Jahrhunderts kann nur sein: sich konsequent und überall(!) für Menschenrechte einzusetzen, ganz egal, ob diese Menschenrechte nun von den USA, Russland, Deutschland, Kambodscha Israel, Birma, Chile, Brasilien, Kongo, China, Nordkorea, Südkorea, Saudi-Arabien, Ägypten oder sonstwem verletzt werden: Menschenrechte sind Menschenrechte, basta. Ob die nun von „Linken“ oder „Rechten“, von „Kommunisten“ oder „Kapitalisten“, Atheisten, Christen, Juden, Buddhhisten, Hindus oder Moslems, verletzt werden, ganz egal. Menschenrechte sind Menschenrechte.
2.) Der Nationalismus besteht, wie gesagt, natürlich in Form von wirtschaftlicher Konkurrenz auch zwischen den europäischen und weltweiten Nationen fort. Ist nun einmal so.
So wie es ja auch wirtschaftlich-nationale Konkurrenz z.B. zwischen Japan, den USA und Südkorea gibt. Oder auch zwischen China und Deutschland. Oder auch zwischen den USA und Deutschland.
Im Jahr 1999 berichtete z.B. der „Spiegel“, wie Geheimdienste der USA - eigentlich ja auch eine mit Deutschland eng „befreundete“ Nation - ganz ungeniert die Betriebsgeheimnisse deutscher Firmen „ausschnüffelten“ und diese Informationen dann an eigene US-Firmen weitergaben:
Ungeniert schnüffeln vor allem die Amerikaner die deutsche Wirtschaft aus: Mit großem Aufwand und High-Tech durchforsten sie Telefonleitungen und Computernetze.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-10630164.html
Oder wie es Charles de Gaulle einmal ausdrückte (und dies ausdrücklich auch auf die im zweiten Weltkrieg ja mit ihm verbündeten USA und Großbritannien bezog): „Frankreich hat keine Freunde, es hat nur Interessen.“
Nicht nur, aber auch deutsches
Großmachtstreben gehörte dazu.
Ach was? Und andere Länder hatten zu ihren Kolonialzeiten nicht genauso ein „Großmachtsstreben“? Großbritannien, Frankreich, sogar das kleine Portugal, das seine letzten afrikanischen Kolonien erst 1974 nach blutigen Unabhängigkeitskämpfen aufgab?
Allein schon die geographische Lage als der zentrale
Verkehrsknotenpunkt mit 9 unmittelbaren Nachbarn, über den ein
beträchtlicher Teil des Handels vieler Staaten Europas läuft,
macht enge Zusammenarbeit zwingend.
Aber dafür braucht Deutschland die EU genausowenig, wie die Schweiz die EU dafür braucht. Eine Freihandelszone reicht vollkommen. Außerdem finde ich die Vorstellung ziemlich entwürdigend, Deutschland sollte sich das „Habt-uns-doch-bitte-lieb“ seiner Nachbarn durch die Aufgabe eigener nationaler Interessen gewissermaßen „erkaufen“.
Selbst wenn es funktionieren würde - was es, siehe oben, nicht tut, denn sowieso geht es auch in der EU natürlich um Konkurrenz zwischen den Ländern, wie überall auf der Welt - aber selbst wenn: was für eine Form von „Freundschaft“ oder „Partnerschaft“ soll das denn sein, die „erkauft“ wurde?
Winston Churchill sagte einmal: „Man hat den Deutschen entweder an der Kehle oder an den Füßen.“ - Ist es nicht Zeit für Deutschland endlich zu erkennen, dass beides falsch ist?
Gruß Jasper