Makkabäer und Deschner
Hallo Täubchen,
Bereits vor christlichen Zeiten waren die Juden
unterschiedlichen Verfolgungen ausgesetzt.
‚Verfolgung‘ trifft mE allenfalls auf die antijüdischen Edikte
zu, die 135 nach dem Bar-Kochba-Aufstand durch Kaiser Hadrian
erlassen wurden (z.B. Verbot der Beschneidung).
daran hab ich gedacht, wenn auch "vor"christlich nicht ganz
richtig ist, ebenfalls an die Auseinandersetzungen der
Makkabäerzeit
Gut, Antiochos IV. wäre evt. noch ein zweiter Beleg. Aber passen seine Maßnahmen tatsächlich in das Schema Antijudaismus bzw. Antisemitismus? Die Juden hatten von Kyros bis zum Makkabäeraufstand für beide Seiten vorteilhafte Beziehungen mit der jeweiligen regionalen Großmacht gepflegt - mit den Persern, mit Alexander, den Ptolemäern und schließlich auch den Seleukiden. Noch Antiochos III. hatte den Juden ihre religiöse und politische Autonomie bestätigt (und Juden in Lydien und Phrygien angesiedelt) - als Gegenleistung für die Unterstützung gegen die Ptolemäer.
Als Antiochos IV. Epiphanes dann 167 die jüdische Religionsausübung verbot und die Teilnahme an Staatsopfern verlangte, war dies dann im Grunde der (von beträchtlicher politischer Dummheit zeugende) Versuch, die schon weit vorangeschrittene Hellenisierung Judäas forciert abzuschließen, um Judäa nahtlos in sein Reich einzugliedern. Religiöse oder gar rassische Vorbehalte seitens der Seleukiden darf man da wohl nicht vermuten - um so mehr auf Seiten der Juden, wo nun die ‚Hellenisten‘ der Oberschicht jeden Rückhalt in der Bevölkerung verloren und sich radikal-fundamentalistische Gruppen durchsetzten.
Der eigentliche Anlass von Antiochos’ Maßnahmen waren zunächst innerjüdische Auseinandersetzungen, ein blutiger Kleinkrieg zwischen hellenisierten Großgrundeigentümern und Steuerpächtern einerseits und kleinen Bauern und Handwerkern andererseits. Antiochos IV. fürchtete zu Recht um die innere Stabilität des wichtigen Pufferstaates in der Auseinandersetzung mit Ptolemaios VI. Philometor und sah sich gezwungen, 168 Jerusalem zu besetzen.
Statt einen innenpolitischen Ausgleich zu schaffen, setzte er in grober Selbstüberschätzung auf Annexion - und verlor das Spiel gegen die Makkabäer und ihre ‚Hassidim‘ (ich bin fast ein wenig versucht, diese ‚Frommen‘ mit den Taliban zu vergleichen - es war eben nicht nur ein Krieg gegen äußere, sondern auch gegen innere Feinde).
Wie gesagt, ich bezweifle, dass man dies unter ‚Judenverfolgung‘ einordnen kann. Und wenn man dies tut, sollte man nicht übersehen, dass da Juden auch von Juden verfolgt wurden.
Dann (um bei der Makkabäerzeit zu bleiben) haben wir da noch Antiochos VII. Sidetes. Als er 135 Jerusalem belagerte, soll er nach dem (nicht zeitgenössischen) Bericht des Poseidonios von Apameia die feste Absicht geäußert haben, die Juden vollständig auszurotten ("… denn als einziges von allen Völkern weigerte es sich, irgend eine gesellschaftliche Beziehung zu anderen Völkern zu unterhalten und betrachtete dieselben alle als Feinde.") - aber so schlimm wurde es dann ja doch nicht, das ist eher zeitübliche Rhetorik. Es wurde im Gegenteil mit dem Hohepriester Johannes Hyrcanes I. ein Kuhhandel geschlossen - weitgehende jüdische Autonomie (einschließlich Münzprägerecht) gegen Anerkennung nomineller seleukidischer Oberherrschaft und militärische Unterstützung gegen Phraates von Parthien (im Grunde status quo ante 167). Der Krieg gegen Parthien ging zwar gründlich in die Hose, gab aber dafür Hyrcanes Gelegenheit, das nun schutzlose Samaria und Edom zu schlucken - und die Edomiter vor die Alternative Exil oder Konversion zum Judentum zu stellen (wobei man sich als Kuckucksei nebenbei die Familie des Herodes einhandelte).
Also so ganz bin ich von Deiner These
Bereits vor christlichen Zeiten waren die Juden
unterschiedlichen Verfolgungen ausgesetzt.
nach wie vor nicht überzeugt - nicht in dem hier diskutierten Zusammenhang.
Nun zu Deschner.
na bitte nicht, zu einem ernsten Thema gehört ernsthafte
Lektüre und nicht ein pseudowissenschaftlicher Schmarren wie
dieser. Sorry, aber nichts ist dem Diskurs abträglicher als
schlechte Bücher wie die von Deschner
Über Geschmack („schlechte Bücher“) lässt sich sicherlich streiten - wobei es dann allemal hilfreich ist, wenn man den Streitgegenstand auch gelesen hat. Deschner schreibt offen parteiisch - kein „sine ira et studio“. Aus diesem Grund würde ich die Bezeichnung „populärwissenschaftlich“ durchaus akzeptieren, auch wenn zumindest das „sine studio“ selbst bei akademischen Historikern selten mehr als Fiktion ist (die wissen das im übrigen idR auch).
Aber „pseudowissenschaftlich“ heisst für mich, dass jemand mit Unwahrheiten und Fälschungen agiert. Und das hätte ich in Bezug auf das meiner Meinung nach sauber recherchierte Material, das Deschner in außerordentlicher Fülle vorlegt, dann bitteschön doch gerne erst einmal nachgewiesen.
Natürlich ist Deschner für einen Christen keine bequeme Lektüre. Niemand verlangt von Dir, die Schlussfolgerungen, die Deschner aus den von ihm vorgelegten Fakten zieht, nachzuvollziehen. Ich habe Dir nur vorgeschlagen, Dein Bild vom Christentum - von seiner historischen Gestalt - etwas zu vervollständigen. Und dazu bietet Deschner seriöses Quellenmaterial in ausreichender Menge - Material, das in der ‚offiziellen‘ Geschichtsschreibung der Kirchen nur zu gerne übersehen wird.
_"… es gibt Leute, die nichts häßlicher finden als Kritik - wenn sie ihnen gilt. Sie würden das nie zugeben. Sie würden und werden immer sagen: Wir haben gar nichts gegen Kritik, wir sind sehr für Kritik. Doch eine fördernde, aufbauende, konstruktive Kritik. Nicht für eine zersetzende, niederreißende Kritik. Wobei aufbauend immer die ist, die sie schlimmstenfalls bloß beiläufig, wenn nicht gar nur scheinbar kritisiert, um sie dann desto besser bejahen und bejubeln zu können. „Zerstörerisch“ aber, „unfruchtbar“, „verdammenswert“, ist natürlich jede Attacke, die ihre Fundamente angreift und ruiniert. Je überzeugender sie ist, desto mehr wird sie verteufelt - oder totgeschwiegen.
Am meisten kritikempfindlich sind klerikale Kreise. Gerade jene, die zwar rufen: Richtet nicht!, doch selber alles, was ihnen nicht paßt, in die Hölle schicken, gerade jene, deren Kirche sich als erste Moralinstanz der Welt aufspielt, seit Jahrhunderten aufgespielt hat und weiter aufspielen wird, gerade jene sind hell empört, beginnt da einmal einer sie selber zu messen, zu richten, und je schärfer, je vernichtender dies geschieht, desto zorniger sind sie, wütender - wobei ihr Zorn und ihre Wut (im Unterschied zu unseren Affekten) heiliger Zorn sind, heilige Wut …
Ich bekenne mich, wie jeder Gesellschaftskritiker, zur wertenden Geschichtsschreibung. Ich betrachte die Geschichte, wie mir das nützlich, weil notwendig scheint, ethisch engagiert unter dem Anspruch eines „humanisme historique“. Für mich ist ein Unrecht, ein Verbrechen, vor fünfhundert, tausend, fünfzehnhundert Jahren genauso lebendig und empörend wie ein Unrecht, ein Verbrechen, das heute geschieht oder erst in tausend, in fünftausend Jahren.
Ich schreibe also politisch motiviert, das heißt in aufklärerisch-emanzipativer Absicht. Die „histoire existentielle“ steht mir allemal näher als die „histoire scientifique“. Und die neuerdings vielverhandelte Frage, ob Geschichte überhaupt eine Wissenschaft sei - schon von Schopenhauer und Buckle bestritten -, kümmert mich wenig; ja, die argumentativen Anstrengungen (und Verrenkungen) so vieler Berufshistoriker, den Wissenschaftscharakter ihrer Disziplin (und ihr Ansehen) zu wahren, erscheint mir suspekt, weniger „wissenschaftlich“ oft als „allzumenschlich“. Solange es unseresgleichen gibt, wird man Geschichte treiben, mag man ihr das Prädikat Wissenschaft zuerkennen oder nicht. Wozu die Aufregung! Die Theologie ist auch keine Wissenschaft, allenfalls die einzige, deren Vertreter - und das läßt sich den Historikern nicht nachsagen - keine Ahnung von ihrem Forschungsobjekt haben … "_
Karlheinz Deschner, Kriminalgeschichte des Christentums, Band I, Einleitung zum Gesamtwerk
Freundliche Grüße,
Ralf