Hallo Michael,
ich würde mir gern mal einzelne Punkte rausgreifen:
Tja - offensichtlich machen die Eltern in diesem Fall von
ihrem ureigensten Recht Gebrauch, eine Entscheidung
stellvertretend für ihr unmündiges Kind zu treffen und sie tun
das, was sie (nicht Du!) für das Beste für ihr Kind halten.
Dass sie dies unreflektiert tun, ist eine unbegründete
Unterstellung von Deiner Seite.Formal wird die Einverständniserklärung des Kindes nachgeholt,
wenn dieses die Religionsmündigkeit erreicht. Das nennt man
dann Firmung bzw. Konfirmation.Atheisten empfinden diese Regelung als „nicht neutral“, weil
das Kind ja von der Geburt bis zur Konfirmation
„indoktriniert“ werde, so dass es am Ende gar keine „freie
Entscheidung“ treffen könne. Darüber möchte ich nun gar nicht
diskutieren, aber wenn Eltern einen christlichen Glauben
haben, dann werden sie auch davon überzeugt sein, dass es das
beste für das Kind ist, diesen Glauben an es weiter zu geben.
Das ist aber nicht der Punkt. Fakt ist, dass man eine Zeit in der Menschen geistig unfähig sind kritisch zu hinterfragen nutzt um ihnen bestimmte Ideen und Konzepte beizubringen. Das ist natürlich nicht ungewöhnlich, sondern wird schlicht ‚Erziehung‘ genannt.
Problematisch wird es aber, wenn man den Kindern dabei angebliche Regeln und Gesetze beibringt, die im Zweifel in Konflikt mit den Gesetzen eines Landes stehen. Dazu kommen anderen konzepte die einigen Religionen inherent sind: Wenn man Kindern Angst mit der ewigen Verdammnis macht ohne ihnen jemals zu erzählen, dass es sowas nicht gibt ist das eben auch problematisch.
Darüber hinaus ist es natürlich ein Problem, dass Religion generell nicht hinterfragt werden will (was logisch ist). Das heisst aber auch, dass man die Kinder nicht grade zu kritischem Denken oder zur Selbstreflektion erzieht. Es dürfte schwer sein, in einem Bereich einen offenen Geist zu haben, wenn man es in einem anderen Bereich nicht darf.
Es wäre also falsch, wenn Christen sich auf die Fahnen
schreiben würden, dass das Christentum eine notwendige
Voraussetzung für Demokratie und Menschenrechte ist, aber es
bildet dafür einen recht fruchtbaren Nährboden.
Tatsächlich aber, war derjenige der in Deutschland anfing sowas wie Menschenrechte zu etablieren, nicht grade ein Freund der Kirchen im allgemeinen oder des Christentums im Speziellen. Das jeder „nach seiner facon selich“ werde, war immerhin der Anfang der Religionsfreiheit bei uns.
Angesichts von Ereignissen wie der Bartholomäusnacht, finde ich es einigermaßen grotesk davon zu sprechen, dass das Christentum die Grundlage für Demokratie und Menschenrechte ist. Das Gegenteil ist doch der Fall: Das Christentum lehrte den Menschen mit dem zufrieden zu sein, was er hat und nicht nach Höherem zu streben. Es lehrte die Gesellschaftsordnung zu akzeptieren um nach dem Tode für die Mühsal entlohnt zu werden.
Christliche Kirchen sind im allgemeinen streng hierarchische Konstrukte mit fast schon dikatorischen Zügen und damit so weit von Demokratie entfernt, wie man nur sein kann.
Zu jeder Zeit? Wenn Du vorher schon über das Grundgesetz
sprachst, so hatten die christlichen Werte natürlich einen
Einfluss darauf (Man denke z. B. an den Gottesbezug in der
Präambel). Außerdem waren viele Geistliche kurz zuvor noch für
ihre Überzeugungen ins KZ gewandert. Auch das kann man
natürlich zerpflücken, weil es nicht nur eine „Bekennende
Kirche“, sondern auch eine „Deutsche Kirche“ gab - aber es
stimmt einfach nicht, dass die Menschenrechte zu jeder Zeit
gegen den Widerstand der Kriche erkämpft werden mussten.
Auch wenn einige Geistliche womöglich ins KZ gingen, die großen Kirchen haben das Treiben fröhlich und mit Begeisterung mitgemacht. Sie haben die Chance auch genutzt um sich eine Reihe von Vergünstigungen und Vorteile zu verschaffen, die teilweise heute noch Bestand haben.
Mal ganz abgesehen davon, dass ganz profane Dinge, wie die Gleichberechtigung der Frau natürlich von den Kirchen ganz massiv bekämpft wurden (und sie bis heute teilweise nicht haben). Auch Rechte, wie die Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit mussten erst gegen den Widerstand der chrisltichen kirchen durchgesetzt werden.
Das ist einfach falsch! Die Kirchen unterwerfen sich natürlich
dem weltlichen Recht (von kleineren Ausnahmen wie
Beichtgeheimnis einmal abgesehen). Und was das Beeinflussen
der Politik anbetrifft: Natürlich darf eine Kirche ihre
Meinung zu einem politischen Thema äußern. Das dürfen alle
anderen Verbände auch. Auf welche andere Weise (außer der
Kommunikation) versucht denn die Kriche sonst noch Einfluss zu
nehmen?
Dennoch dürfen die Kirchen noch heute hochoffiziell gegen das Grundgesetz verstoßen. Weder die Gleichberechtigung der Frau noch andere Gleichstellungsforderugen werden erfüllt. Der Verstoß gegen christliche Grundsätze (wie die Scheidung) ist innerhalb katholischer Einrichtungen ein Kündigungsgrund und bisher ist mir auch noch keine katholische Bischöfin begegnet.
Nicht zugunsten von Religionen, sondern zugunsten von Respekt!
Respekt muss verdient sein. Religionen fordern ihn aber als ein Recht ein. Nur dass es keine Grundlage für diesen Respekt gibt.
Wenn jemand behauptet, die Rückseite des Mondes sein blau-gelb gepunktet und bestehe aus Mürbeteig, muss ich auch auch nicht respektieren! Oder weniger extrem: Wenn jemand behauptet, die Juden seien an allem schuld, dann darf er eine Meinung haben, aber respektieren muss ich ihn oder seine Meinung deswegen noch lange nicht.
Wirklich nicht? Denk mal nach, ich bin sicher da fällt Dir was
ein…
Wenn ich Dir jetzt ein paar dieser zahllosen Beispiele von
Menschen gebe, die sich wegen ihres Glaubens, ehrenamtlich
sozial engagieren, wirst Du vermutlich entgegnen: „Da sieht
man es wieder: Die Kirchen beuten die Ehrenämtler aus!“ Dass
es aber christliche Nächstenliebe gibt, passt einfach nicht in
Dein Weltbild.
Ist es nicht verdammt traurig, dass diese Menschen Nächstenliebe und Güte nur wegen ihres Glaubens haben, womöglich noch, weil sie Angst vor den Konsequenzen haben, die ihr Glauben für anderes handeln vorsieht? Wäre es nicht wünschenswerter, der Mensch würde aus der Vernunft heraus ‚gut‘ handeln?
Es gibt keine christliche Nächstenliebe! Es gibt Nächstenliebe. Ein Konzept ohne das unsere Gesellschaft nicht existieren könnte, ohne das keine Gesellschaft existieren kann und die deshalb von jeder Gesellschaft als notwendige Voraussetzung hervorgebracht wurde.
Wie weit es wirklich mit der Nächstenliebe ist, demonstriert die katholische Kirche ja stets aufs Neue. Und auch, wenn du natürlich recht hast, dass man Religionskritik und Kirchenkritik trennen muss - Kritik am Christentum von der Kritik an der evangelischen oder der katholischen Kirche zu trennen ist Nonsens.
Eine Kirche ist nichts weiter als eine Ansammlung von Menschen mit einer gemeinsamen Interpretation einer wie auch immer gearteten religiösen Geschichte. Das Verhalten dieser Menschen hängt maßgeblich davon ab, in welcher Kirche sie sind. Im Extremfall besteht so eine Kirche zwar nur aus einer Person (dann ist der Begriff ein bisserl irrführend), aber es gibt kein Christentum ohne Kirche.
Beispielsweise kannst du als Evangelikaner eine ganz andere Interpretation haben als die Katholiken oder die Mormonen - aber die ist kein bisschen richtiger oder falsche als die Interpretation der anderen - es gibt kein echtes Christentum, dass man unabhängig von einer Kirche kritisieren könnte.