Bernd, danke dass wenigstens Du, offenbar als einziger der Mitdiskutanten, willens und in der Lage warst, die verlinkte Studie zu lesen.
Ich sehe nicht, wie der Test einzelner in Fahrzeugen verwendeter Zellen bzgl. Ladezyklen, sogar unter Berücksichtigung von Temperaturen und verschiedener Ladeleistungen, nicht relevant sein soll für den Einsatz der Kombination dieser Zellen in Fahrzeugen, die sich unter den Bedingungen „draußen“ bewegen, welche man versucht hat im Testaufbau recht realistisch nachzustellen.
Auch verschiedene Ladezustände wurden getestet und die landläufige 80-20-Regel weitgehend bestätigt.
Was verstehe ich hier Deiner Ansicht nach nicht?
Zum calendar aging:
Ich habe ja nicht behauptet, dieses würde den Akku alleinig binnen Monaten töten.
Aber es ist ein relevanter Faktor für die Degradation.
Dass die Geschwindigkeit des Alterungsprozesses von den Rahmenbedingungen abhängt, finde ich noch wichtig. Insbes. extreme Temperaturen und der Ladezustand beim Abstellen des Fahrzeuges sind hier offenbar spannende Faktoren.
Ich beobachte dies auch bei den drei Akkus, die ich während der letzten 11 Jahre für meinen Torqeedo Traveller 1003 Außenbordmotor genutzt hatte. Den ersten Akku hatte ich mal voll geladen über den Winter im Boot gelassen (in Bayern) und er hielt 3 Jahre bis er auf 30% Restkapazität abgefallen war.
Der zweite sah nie Frost, wurde jedoch immer voll aufgeladen. Über den Winter lagert er halb geladen im Keller. Er ist 8 Jahre alt und liegt bei ca. 60% Kapazität.
Der dritte Akku, den ich dazu kaufte, ist ca. 4 Jahre alt. Er wird ebenso behandelt wie Akku Nr. 2. Er scheint schlechtere Zellen bekommen zu haben, denn er liegt bei ca. 70% Kapazität.
Die Akkus sehen als nie weniger als 10°C, aber durchaus auch mal Sonne und 35°C.
Natürlich ist das nicht empirisch valide, allerdings liegen die Erfahrungen der anderen Nutzer dieser Modelle bei uns im Hafen ähnlich.
Die Leistung der Akkus liegt neu bei immerhin 0,5 Kwh, also kein Spielzeug wie in einem Mobiltelefon, welches man argumentieren könnte nicht mit einem PKW-Akku vergleichen zu können.
Was natürlich für die Bootsakkus problematsich ist, sind die 100% Ladung. Wegen der schon neu sehr begrenzten Reichweite ist das jedoch leider weitgehend alternativlos. Daher auch der 2. Akku. So liege ich für ein paar Jahre besser als mit einem einzelnen Akku, den ich nur unter 80% betreibe.
Blöd dabei: der Ersatzakku kostet inzwischen knapp 1.000 Euro.
Superblöd: ich kann wegen verschiedener Bestimmungen nicht auf einen Benziner-AB gehen. Das würde ich bevorzugen allein weil er nur 1/4 kostet und 3x so lange hält, aber gewisse Ängste vor gutem Wetter haben eben auch vor Oberbayern nicht halt gemacht…
Wenn man dies nun auf die härteren Bedingungen in einem BEV übersetzt, muss man eines kaufen das locker die doppelte Kapazität hat als man eigentlich regelmäßig benötigt, um Degradation und eingeschränkte Ladekapazität (80-20-Regel) längerfristig ausgleichen zu können. Zumindest wenn man nicht nur 3 Jahre netto least, sondern nachhaltig agiert und für viele Jahre kauft.
Dass, wie gesagt, ein Alterungsprozess stattfindet, ist unstrittig.
Er geht nur, abhängig von den vom Nutzer beeinflussbaren Faktoren (die Produktqualität an sich kann er ja nicht beeinflussen), unterschiedlich schnell vonstatten.
Mir ist es zu risikoreich, ein Auto wie z.B. den Renault Zoe, der in der einfachsten, für mich vollkommen ausreichenden Version gut 37.000 Eur inkl. Überführung kostet, zu kaufen und es nach (für mein Dafürhalten) wenigen Jahren nur mit einem gewaltigen Abschlag wegen des Akkuthemas zu verkaufen, oder es „bis zum Ende“ zu fahren und es dann teuerabschreiben zu müssen.
Meine Prioritäten liegen nicht bei Alltagsautos. Für so etwas gebe ich nicht groß Geld aus.
Ein BEV dürfte somit keinesfalls mehr kosten als ein Benziner. Eher weniger, wegen der geringeren ANzuahl an Teilen, so wie es ja auch ursprünglich angekündigt worden war. Freilich wusste ich, dass das wegen der Akkus unmöglich sein würde, aber der technisch in dieser Hinsicht unbeleckte Normalbürger hat das geglaubt.
Unser Familienauto, mit dem wir lange Strecken fahren, kann sowieso kein BEV sein. Das wäre bei Urlaubsreisen völlig unrealistisch. Ich war 3x mit einem Porsche Taycan auf Langstrecke (1.000 Km aufwärts) unterwegs und empfand das Laden als Katastrophe. Das letzte Mal war im Herbst 2023, also ist das Argument, früher wäre die Ladesäuleninfrastruktur schlechter gewesen, nicht relevant.
Wartezeiten von 2 Stunden, defekte Säulen, Säulen in der Pampoa die einen großen Umweg erfordern, lange Ladezeiten, im Sommer mit Klimaanlage und auch mal 150 Km/h sehr magere Reichweite von unter 300 Km. Das tue ich mir nicht mehr an.
Außerdem fährt meine Frau auch mal längere Strecken mit dem Wagen alleine. Mehr als 600 Km allerdings nie. Also tankt sie an einem sicheren Ort und muss sich nicht nachts auf einem einsamen Autobahnparkplatz, möglichst noch im Regen, mit dem Nachladen des Wagens befassen und sich in Gefahr bringen.
Nur mal zum Vergleich: unser Familienauto ist ein Ford Kuga, der bald 6 Jahre alt ist, als Benziner mit Allrad und Automatik sehr gut fährt, ausreichend ausgerüstet ist und inkl. 6 Jahren Garantie und 8 Rädern 27.500 Euro „Straßenpreis“ gekostet hatte.
Der Wagen hat nach wie vor 600-800 Km Reichweite, je nach Fahrstil, kann in Sommer wie Winter mit Heizung, Klimaanlage, SItzheizung usw. bei 150 Km/h entspannt betrieben werden und hat einen Restwert von ca. 50%.
Service ist überschaubar, all die wild unterstellten Defekte moderner Verbrenner hatte er natürlich nicht. Außer der Reihe waren zwei Plastikteile neu zu befestigen, von denen eines meine Tochter abgerissen hatte. Der Wagen steht ganzjährig draußen, springt immer brav an und ist auch bei -20°C schnell einsatzbereit, da er eine beheizte WIndschutzscheibe besitzt.
Man fährt mit so etwas moderat, also sind die 8 Reifen auch nach über 100.000 Km noch locker jeweils eine Saison nutzbar. Beim BEV, hohes Gewicht und viel Torque, kauft man doppelt so oft Reifen, unterstelle ich.
Ich gehe davon aus, dass dieses Auto noch die 8 Jahre hält, die wir ihn noch brauchen bis die Jüngste flügge wird. Auch dann, mit 14 Jahren und über 250.000 Km, wird er noch 600-800 Km Reichweite besitzen.
Was also soll ich mit einem BEV in dieser Fahrzeugklasse der Kompakt-SUVs, das das Doppelte kostet und nur stark eingeschränkten Nutzen bietet?
Nur darauf, Bernd, lange Rede, kurzer Sinn, möchte ich hinaus.
Wie gesagt liegt mir eine ideologische Petrolhead-Verblendung zumindest bei Alltagsautos völlig fern. Ich möchte nur eine vernünftige, sichere und preiswerte Lösung für die Alltagsmobilität meiner Familie.
Elektro wäre da fein, da wir meistens zu Hause laden könnten. Aber es funktioniert eben noch nicht einmal für unsere eher geringen Anforderungen, die wir an ein Auto stellen.
Eher würde ich noch einen Plug-In-Hybriden sehen, mit dem man die Kurzstrecken elektrisch fahren kann und bei Langstrecken kein problem mit dem Nachladen hat.
Durch einen solchen würden wir den aktuellen Wagen auch ersetzen, sollte das noch nötig werden.
Die Corona-Mondpüreise fallen ja schon wieder und die Straßenpreise für einen Kuga AWD Plug-In bewegen sich so langsam in realistische Gefilde, von 55.000 zu 35.000 Euro „Straßenpreis“. Zum Vergleich: der Ford Mustang Mach E kostet 56.000 Euro und ist innen eher kleiner und außen mit 10 cm mehr noch in der gleichen Klasse wie der Kuga unterwegs.
Teure Spinnereien finden bei mir mit Motorrädern statt. Auch hier wäre ich offen für ein Elektro-Zweitbike.
Nach Testfahrten mit Zero und Harley Live Wire musste ich jedoch feststellen, dass auch hier die systemischen Schwächen der individuellen Elektromobilität voll durchschlagen: hohes Gewicht und geringe Reichweite 80-150 Km.
Damit kann ich nichts anfangen.
Schon gar nicht bei, dritte Schwäche, dem 3-4-fachen Preis im Vergleich zu einer netten neuen 600er.
Sogar mit meiner antiken Harley komme ich locker und wegen guter Wartung sogar zuverlässig 250 Km weit und habe binnen 5 Minuten nachgetankt.
Mit meiner noch älteren Yamaha schaffe ich leicht 400 Km und denke somit auch bei diversen Touren in den Bergen mit manchmal dünner Tankstellendichte nicht ans Tanken.
Meine Ausflüge sind meist 150-300 Km lang.
Ab und zu besuche ich Bekannte in Florenz. Ich tanke, wenn es Freitag Nachmittag eilt, schnell in Scharnitz und in Trient nach. 600 Km in 6 Stunden ganz entspannt. Mit einem Elektromotorrad? 3-4x laden á 1h und 120 Km/h um nicht noch ein weiteres Mal laden zu müssen. Unter 10 Stunden keine Chance. Mit der bald 50-jährigen Japanerin? 140 Km/h und wenn man es wirklich wissen will, auch 150-160 Km/h, was jedoch in Italien teuer werden könnte. Dann sind aber auch 5,5h drin.
Fährt man rein Landstraße, wird es mit der Zero S schon eng wenn man die Strecke an einem Tag schaffen will. Mit der Yamaha bin ich in 9 Stunden, mehr als gemnächlich, am Ziel. Und wir sprechen hier von einer bald 50 Jahre lang hart genutzten 750er. Mit einem Reisemotorrad wie der BMW GS, deren Preis dem der Zero S ähnlich ist, sieht das nochmal anders aus. Damit fährt man problemlos 350 Km zwischen den kurzen Tankstops.
Zusammenfassung des ganzen Sermons:
Hier in der Gegend ist mein Mobilitätsbedarf bei Autos die Regel und nicht wenige fahren auch Motorrad und damit dann Touren.
Noch nicht einmal meine Bekannten in der Stadt können mit BEVs etwas anfangen, weil sie sie nicht geladen bekommen und nicht in einem Rutsch damit zum Gardasee kommen.
Daraus leite ich für mich schlicht ab, dass die E-Mobilität eine kleine Nische ist, die, wie wir ja aktuell auch sehen, ohne gewaltige Subventionen und Verbote von Wettbewerbstrechnologien keine Chance am Markt hätte und die für die große Mehrheit eben weder technologisch noch preislich passt.
Darauf dass mehr als 50% der Leute in Deutschland in Mehrfamilienhäusern ohne oder ohne elektrifizierbare Autostellplätze leben, sind wir des Weiteren noch gar nicht eingegangen.
Ebensowenig auf den dreckigen deutschen Strommix.
Hier soll aus rein ideologischen Gründen einer großen Mehrheit eine teure, schlechtere Technologie aufoktoyiert werden. Als freiheitlicher Demokrat und Mann der Wirtschaft und der Technik muss ich das kategorisch ablehnen.
Solltest Du bis heirhin mitgelesen haben: besten Dank für Deine Aufmerksamkeit und Deinen guten Dikussionsstil.