Hallo Christian!
Will sagen: Es gab ganz bestimmt einen
historischen Jesus. Der war ganz bestimmt in Palästina
unterwegs und hat ganz bestimmt einige Gefolgsleute um sich
scharen können, und zwar mit Hilfe seiner Botschaft, die er
verkündet hat.
Da stimme ich Dir zu. Mehr als eine begründete Vermutung ist das allerdings nicht und mehr lässt sich begründet auch nicht vermuten.
Und: Es GIBT geschichtliche Hinweise auf Jesus. Insgesamt 5
dezidiert ncihtchristliche Schriftsteller haben Jesus erwähnt:
Der romanisierte und alles andere als strenggläubige Jude
Flavius Josephus, dann Tacitus und Sueton, ausserdem der
syrische Stoiker Mara ben Sarapion, und dann noch den bei
Julius Africanus - dem Autor der ersten christlichen
Weltgeschichte - im 3.Jh. zitierten Thallus, über den man
nicht sonderlich viel weiss, ausser dass er Jesus in seinem
Werk erwähnt hat - VOR den Evangelisten!
Das ‚Testimonium Flavianum‘ (zwei Stellen der ‚Jüdischen Altertümer‘) ist mit sehr viel Vorsicht aufzunehmen. Als ‚Beweis‘ im historischen Sinne kann es jedenfalls nicht dienen, die betreffenden Stellen sind höchstwahrscheinlich durch Origenes oder einen anderen christlichen Apologeten verfälscht (interpoliert). Zur Einführung in die Problematik kann diese Seite dienen:
http://ptet.dubar.com/ecw/josephus.html
Auch Tacitus’ Erwähnung (in den Annalen XV,44) kann kaum als Beweis dienen; Tacitus gibt offensichtlich lediglich wieder, was er von bzw. über Christen gehört hat:
„Dieser Name stammt von Christus, der unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war.“
Die Stelle sagt nicht mehr aus, als dass im Jahr 64 in Rom eine christliche Gemeinde bestand, zu deren Lehre die Hinrichtung ihres Gründers während Pilatus’ Prokuratur gehörte.
Sueton ist als Zeuge noch untauglicher. In seiner Claudius-Biographie schreibt er:
„Da die Juden unter ihrem Anführer Chrestos beständig Unruhe stiften, vertrieb er sie aus Rom.“
Ganz offensichtlich ging Sueton davon aus, dieser ‚Chrestos‘ habe sich im Jahr 49 in Rom aufgehalten. Entweder handelte es sich also um eine völlig andere Person als den Jesus der Evangelien oder Sueton stützte sich hier auf noch unzuverlässigere Quellen als Tacitus.
In Mara Bar Serapions Brief an seinen Sohn heisst es:
„Was hatten die Juden davon, dass sie ihren weisen König umbrachten? Ganz kurze Zeit darauf wurde ihr Königtum abgeschafft. […]Und auch der weise König der Juden starb nicht umsonst; er lebt weiter in der Lehre, die er verkündet hat.“
Offenbar hält Mara den ‚weisen König‘, von dem hier die Rede ist, für ein Mitglied der Hasmonäer-Dynastie. Als Quellenbeleg für historische Fakten ist auch dieses Zitat wohl kaum zu verwenden.
Das Thallus-Zitat bei Julius Africanus in der Chronographie 18,1 (kein direktes Zitat übrigens) ist allenfalls ein indirekter Belg dafür, dass Thallus über die Sonnenfinsternis vom 24.11.29 schrieb und sie auch als solche bezeichnet:
„Thallus erklärt im dritten Buch seiner ‚Geschichte‘ die Dunkelheit als eine Sonnenfinsternis - was mir unbegründet erscheint.“
Natürlich erscheint dies Julius Africanus als unbegründet, weil Jesus ja am Vortag des Pessach-Fest gestorben sein soll, das nicht nur nicht im November stattfindet, sondern obendrein bei Vollmond - wo eine Sonnenfinsternis astronomisch gar nicht möglich ist. Ob Thallus’ Erwähnung der Sonnenfinsternis des Jahres 29 tatsächlich auf die in den Evangelien berichtete Verfinsterung bezogen war und sie als natürliches Ereignis erklären wollte (wie Julius Africanus es versteht oder verstanden haben will), geht aus dem ‚Zitat‘ jedenfalls nicht hervor.
Um Missverständnisse zu vermeiden - die von mir genannten Stellen sind keine Auswahl, sondern mW die einzigen bei den angeführten Autoren, die als „Hinweise“ auf die Historizität Jesu gedeutet werden könnten. So ganz nebenbei sei noch bemerkt, dass die genannten Autoren natürlich alle nicht zeitgenössisch sind. Josephus’ Geburtsjahr ist 37, das von Tacitus 55, von Sueton 69, von Mara Bar Serapion 73. Thallus’ Geschichte entstand um 52, Julius Africanus schrieb seine ‚Chronographie‘ 221.
Freundliche Grüße,
Ralf