Wird der Schulübertritt absichtlich verdorben?

Das System ist verdorben
Hallo!

In Bayern gehen zwar statistisch gesehen die wenigsten Schüler
aufs Gymnasium - dafür sind aber die tatsächlichen Leistungen
der bayrischen Gymnasiasten die besten aller Gymnasiasten in
Deutschland.

Das halte ich für ein Gerücht. Ich hätte dazu gern mal einen stichhaltigen Beweis. Ich habe mein Abitur nicht in Bayern gemacht, aber dort studiert und Praktika an Schulen (Gymnasien) gemacht. Es ließ sich bei weitem kein Unterschied zwischen bayerischen Abiturienten und denen feststellen, die in einem angeblich „leichteren“ Land ihr Abitur gemacht haben. Ich bin sogar versucht zu sagen: Im Gegenteil… Über den Tellerrand hatten dort leider nur wenige geschaut. Ich will das bayerische Gymnasium und das Abitur dort nicht leichter reden, als es ist. Schwerer als anderswo ist es aber mit Sicherheit auch nicht.

Vor 50 Jahren gingen vielleicht 10-20 Prozent der Schüler auf
ein Gymnasium - heute sind es über 40…

Nein, es sind nicht über 40. Du solltest mit realistischen Zahlen arbeiten.
Und überhaupt: Wer sagt denn, dass es richtig ist, dass nur 10-20 % der Schüler eines Jahrgangs aufs Gymnasium gehen?!

Sind innerhalb von 50 Jahren ein Viertel der Bevölkerung
schlauer geworden?

Kann es nicht auch sein, dass man in 50 Jahren ein bisschen was gelernt und ein paar zeitgemäße Änderungen im System vorgenommen hat?!

Das Gymnasium hat seine Anforderungen so weit gesenkt, dass
der eigentliche Gedanke nicht mehr funktioniert.

Was ist denn der „eigentliche Gedanke“?

Nur ist das Gymnasium nunmal als Schule der Hochbegabten
gedacht.

Das ist doch Unsinn! Weißt du überhaupt, was Hochbegabung ist? Dann wäre wohl sogar deine 10-20%-Diagnose viel zu hoch gegriffen.
Und genau hier liegt der Fehler im System! Eine Schule für Hochbegabte ist eine Schule für Hochbegabte. Ein Gymnasium ist eine allgemeinbildende Schule, die die allgemeine Hochschulreife als Ziel hat. Nicht mehr und nicht weniger. Das Gymnasium war ursprünglich als Schule der Eliten gedacht. Von diesem Gedanken sollten sich auch die letzten endlich dringend verabschieden. Allein schon deshalb, weil die Eliten gar nicht mehr genügend Kinder bekommen, um sich problemlos zu reproduzieren.
Wir können es uns gar nicht mehr lange leisten, eine so selektive Schulpolitik zu praktizieren. Ständig wird von den älteren Kollegen gejammert, wie weit das Niveau runter ist und wie wenig die Schüler heute können. Völliger Nonsens! Es kommt nicht darauf an, Lateinvokabeln in des Kindes Kopf zu hämmern oder sie brillante Gedichtinterpretationen schreiben zu lassen. Mit mir wurde all das gemacht und ein besserer Mensch ist aus mir nicht geworden. Dieser Formalismus verbaut den Blick auf das wesentliche. Und das wesentliche ist, jeden bestmöglich zu fördern. Und nur weil einer im Alter von 10 Jahren drei Rechtschreibfehler zu viel im Diktat hatte, ihm den Lebensweg zu erschweren?! Absolut abartig!

Aber es ist so.

Basta.

Frohes Fest!
Sonne

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Falscher Denkansatz
Hallo XXXX86,

Vor 50 Jahren gingen vielleicht 10-20 Prozent der Schüler auf
ein Gymnasium - heute sind es über 40…

Sind innerhalb von 50 Jahren ein Viertel der Bevölkerung
schlauer geworden?

Das Gymnasium hat seine Anforderungen so weit gesenkt, dass
der eigentliche Gedanke nicht mehr funktioniert.

Was ist der eigentliche Gedanke des Gymnasiums. Früher war es mal so gewesen, dass man eine relativ kleine Schicht der Bevölkerung als Akademiker brauchte, Ärzte, Juristen, Ingenieure, Geisteswissenschaftler, usw… Die Masse der bevölkerung waren ungelernte Arbeiter oder Angestellte. Da genügte die Volksschule.

Das war einmal. Nun steht dieses Land in Konkurrenz mit anderen Industrienationen. Und die Anforderungen an die Arbeitnehmer wachsen stetig.

http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/535/309471/text/
Zitat aus dem Link:
Der Anteil der Studienanfänger wie auch der Graduierten je Jahrgang wuchs in den meisten OECD-Ländern in den vergangen Jahren schneller als in der Bundesrepublik, und das von einem deutlich höheren Niveau. So stieg der Anteil der Hoch- und Fachhochschulabsolventen je Jahrgang in Deutschland von 2000 bis 2006 von 18 auf 21 Prozent, im OECD-Schnitt dagegen von 28 auf 37 Prozent.

Ich kenne das Geblubber, dass man Deutschland nicht mit anderen Nationen vergleichen kann, weil unsere Ausbildungen so gut sind, wie Studiengänge in andere Nationen.
Vor PISA waren auch Alle davon überzeugt, das deutsche Bildungssystem wäre eines der Besten der Welt ist.
Aber im globalen Wettbewerb sieht ein deutscher Energieelektroniker schlecht gegen einen französischen Elektroingenieur aus.

Die geistige Elite kann weiterhin geistige Elite in Elitestudiengänge bleiben. Aber die Unis und FHs dürfen kein Hort einer kleiner Elite bleiben,…
es sei denn, man ist ein fanatischer Anhänger des Kastenwesens, um den Preis, dass Deutschland wirtschaftlich, wissenschaftlich und sozial zurückfällt.

Gruß
Carlos

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Was machen wir mit 40% Akademikern?
Studierte Kellnerin oder wie ?
Hierbei hänge ich immer.

Kreative antworten gerne gesehen …

Gruss

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Hallo Carlos,

hast du jemals in einer deutschen Hauptschulklasse gestanden und unterrichtet? Falls das deutsche Abitur ein Niveau erreichen sollte, das von der Mehrzahl dieser Schüler geschafft werden würde, könnten wir nach meiner Überzeugung auch ganz darauf verzichten.

Über den Zeitpunkt der Selektion kann man sicher nachdenken, zu glauben, man könne sie aufheben und dabei den selben Standard wahren, halte ich für recht naiv. Daran ändern auch Praktiken in anderen Ländern nichts. Die Versuche gleichzumachen führen letzten Endes immer zu einer Verschlechterung, da man ein Mittel aus den Guten und den Schwachen bilden muss. Das geht immer zu Lasten der Guten.

Nichtsdestotrotz halte ich es für unabdingbar, Schwächere zu fördern und vielfältige Möglichkeiten für Quer- und Seiteneinstiege zu schaffen.

Ein Problem, dessen Lösung aber noch vor allem stehen müsste ist in meinen Augen aber das Fehlen von Kulturtechniken und den (an sich) simpelsten Grundsätzen von Anstand und Erziehung. Solange Lehrer damit beschäftigt sind, drei Viertel ihrer Unterrichtszeit damit zu verbringen, Schüler daran zu hindern, sich zu schlagen, mit unflätigen Bemerkungen um sich zu werfen und sich komplett respektlos zu verhalten, kommt Wissensvermittlung zu kurz.

Selbstverständlich ist Unterricht immer auch Erziehung und nicht nur die Vermittlung von Fakten. Aber: Das wird zwar lautstark gefordert, aber gleichzeitig permanent unterlaufen. Auch hier im Forum kann man beobachten, wie Schüler bei völlig normalen Erziehungsmaßnahmen nach dem Rechtsanwalt rufen und Eltern den Lehrern jegliches Recht entziehen, erzieherisch zu handeln, sobald sich der Sprössling bei Mama beklagt.

Es ist schwierig für Kinder, Lehrer als Respektsperson zu betrachten, wenn Eltern ihnen zuhause vermitteln, dass sie sich von ihnen nichts gefallen lassen müssen. Natürlich dürfen Kinder nicht in Angst vor Lehrern leben müssen. Umgekehrt darf das aber ebenso wenig passieren.

Schöne Grüße,
Jule

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Hallo Diggi,

Was machen wir mit 40% Akademikern?
Studierte Kellnerin oder wie ?

Das ist eine selten dämlich Bemerkung.
Als Faustformel habe mir für Deutschland Folgendes gemerkt:
Arbeitslosigkeit bei Akademikern ~5%
Arbeitslosigkeit bei mittlerer Ausbildungstufe ~10%
Arbeitslosigkeit bei Ungelernten ~20%

Es gibt nur vereinzelte Länder, wo diese Proportionen nicht gelten, wo beispielsweise Akademiker genauso oder sogar häufiger Arbeitslos sind, wie Personen mit mittlerer Ausbildungsstufe.

Die studierte Germanistin, kann als Lektorin, Eventmanagerin oder eben Kellnerin arbeiten. Die Ungelernte eben nur als Kellnerin.
Und schließlich gilt, dass die Wirtschaft ständig nach Fachkräften verlangt. Der Ruf, nach Ungelernten (den gab es mal in den 60ern) werden wir so schnell nicht mehr hören.

Gruß
Carlos

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Ich sage ja nicht, dass man keine Akademiker braucht,
sondern dass man nicht für jeden Furz Akademiker braucht.

Die niedrige Arbeitslosenquote bei den Akademikern sag ja im
Endeffekt nicht zwingend aus, dass es bei Akademikern einen Mangel gibt (gut, den gibt es schon), sondern nur dass die Leute genommen werden, nur eben nicht immer
da wo sie mit ihrem Studium hinwollen (z.b. auf eine Stelle als
einfacher Sachbearbeiter bewerben sich bei meinem Vater immer mehr
BWL-Absolventen, obwohl er eigentlich an jemanden mit einer ganz
normalen kaufmännischen Ausbildung gedacht hat) .
Ungelernte Arbeiter werden immernoch benötigt, nur wage ich mal zu
behaupten dass die Qualität der ungelernten Arbeitskräfte seit den
60ern abgenommen hat.
Gruss

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Hallo,
aber unter den angeblich viel zu wenigen Studienanfängern in Deutschland befindet sich die Rekordzahl von über 25% Studienabbrechern! Woher das wohl kommt?
Gruß Orchidee

In anderen Ländern gibt es keine Duale Berusausbildung und keine Fortbildungen. Darum müssen die zum CC oder College gehen. Selbst ein Associate gilt dort als akademischer Abschluß und ist eher mit BFS oder Berufsschule vergleichbar.

Aw: Propaganda und Indoktrination
Weihnachtliche Grüße!

Nur ist das Gymnasium nunmal als Schule der Hochbegabten
gedacht.

Mitnichten.
Das Gymnasium ist nicht einmal als Schule der Talentierten oder guten Schüler gedacht.

/t/trennung-zwischen-hauptschule-und-realschule/5498…

Eine schöne Bescherung, nicht wahr?
Ho, ho, ho! :smile:

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Ghettos für Minderleister
Hallo Jule,

hast du jemals in einer deutschen Hauptschulklasse gestanden
und unterrichtet? Falls das deutsche Abitur ein Niveau
erreichen sollte, das von der Mehrzahl dieser Schüler
geschafft werden würde, könnten wir nach meiner Überzeugung
auch ganz darauf verzichten.

Uberrascht dich das? Überrascht dich das wirklich?
Allgemein ist der Anteil der Hauptschüler zurückgegangen. Insbesondere in den Ballungszentren und nördlichen Bundesländern bestehen die Hauptschuler fast nur noch aus:

  • Schüler mit Migrationshintergrund
  • Schüler aus bildungsfernen Haushalten
  • Kognitive Minderleister
  • Verhaltensgestörte Schüler
  • Schüler, die von anderen Schulen geflogen sind

Das Ergebnis beschreibst du hier:

Solange Lehrer damit beschäftigt sind, drei Viertel
ihrer Unterrichtszeit damit zu verbringen, Schüler daran zu
hindern, sich zu schlagen, mit unflätigen Bemerkungen um sich
zu werfen und sich komplett respektlos zu verhalten, kommt
Wissensvermittlung zu kurz.

Stell dir nun vor, du würdest nun in eine solche Klasse einen exzellenten Gymnasiasten reinsetzen. Was denkst du, werden seine schulischen Leistungen in diesem soziale Gefüge weiterhin exzellent bleiben?

Über den Zeitpunkt der Selektion kann man sicher nachdenken,
zu glauben, man könne sie aufheben und dabei den selben
Standard wahren, halte ich für recht naiv. Daran ändern auch
Praktiken in anderen Ländern nichts.

Die Selektion hat versagt. Deutsche Gymnasiasten gehören nicht zu den besten Schülern der Welt. Im internationalen Vergleich sind deutsche Schüler insgesamt nur Mittelmaß.
Nur in einem Punkt ist das deutsche Schulsystem herausragend. In keinem anderen OECD-Land ist der Schulerfolg so von der sozialen Herkunft abhängig, wie in Deutschland.

Und genau DAS ist der ursprüngliche Zweck des dreigliedrigen Schulsystem. Reinerlein beschreibt die hervorragend:
/t/trennung-zwischen-hauptschule-und-realschule/5498…

Die Versuche
gleichzumachen führen letzten Endes immer zu einer
Verschlechterung, da man ein Mittel aus den Guten und den
Schwachen bilden muss. Das geht immer zu Lasten der Guten.

Man muss die Kinder aus gutem Elternhaus davor schützen, dass ihre gute Schulleistungen durch Störenfriede aus niederen Schichten gemindert werden.

Nichtsdestotrotz halte ich es für unabdingbar, Schwächere zu
fördern und vielfältige Möglichkeiten für Quer- und
Seiteneinstiege zu schaffen.

Erst stopft man die „Schwächeren“ in Ghettos und dann sollen es Quer- und Seiteneinstiege richten? Stimmt, es macht Sinn, denn auf diese Weise bleibt die Trennung gesellschaftlicher Schichten enthalten.

Gruß
Carlos

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Hallo Diggi,

Ich sage ja nicht, dass man keine Akademiker braucht,
sondern dass man nicht für jeden Furz Akademiker braucht.

So ist es.
In früheren Zeiten machte man eine Ausbildung, suchte sich eine Festanstellung und machte den Job ein Leben lang.
Heute spricht man von einer Wissensgesellschaft und lebenslangen Leben. Der gleiche Mensch hat in seinem Leben unterschiedliche Jobs und die Anforderungen an Fähigkeiten und Ausbildungen variieren dabei.
Welches ist deiner Meinung nach die beste Basis?

Ungelernte Arbeiter werden immernoch benötigt, nur wage ich
mal zu
behaupten dass die Qualität der ungelernten Arbeitskräfte seit
den
60ern abgenommen hat.

Im Vergleich zu massenhaft angeworbene anatolischen und sizilianische Bauern??? o.O
Vielleicht :smiley:

Gruß
Carlos

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Hallo Orchidee,

aber unter den angeblich viel zu wenigen Studienanfängern in
Deutschland befindet sich die Rekordzahl von über 25%
Studienabbrechern! Woher das wohl kommt?

Sag du es mir.

Die Anforderung an eine höhere Zahl von Akademikern kommt von internationalen Bildungsexperten und der Wirtschaft.
-> Soll-Zustand

Der Anteil der Studienabbrecher ist das Ergebnis des bestehenden Hochschulsystems.
-> Ist-Zustand

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten
1.) Aus der Diskrepanz von Soll und Ist ergibt sich ein Regelungsbdarf. D.h., wir versuchen den Ist-Zusatnd zu ändern.
2.) Wir korregieren den geforderten Soll-Zustand.

Gruß
Carlos

Hallo Carlos,

Die Anforderung an eine höhere Zahl von Akademikern kommt von
internationalen Bildungsexperten und der Wirtschaft.
-> Soll-Zustand

Aber nicht nur die Anforderungen an eine höhere Zahl, sondern vor allem die an gut ausgebildete Akademiker!

Der Anteil der Studienabbrecher ist das Ergebnis des
bestehenden Hochschulsystems.
-> Ist-Zustand

Oder das Resultat der unterschiedlichen Vorstellungen von Studierfähigkeit von Hochschulen und Abiturienten bzw. Bildungspolitikern. Ich denke nur an das Gejammer von Oberstufenschülern, wenn an zwei aufeinander folgenden Tagen Klausuren geschrieben werden, wenn eigene Arbeit bzw. Recherche gefragt ist, die länger als eine Stunde am Stück dauert, wenn Kenntnisse verlangt werden, die ein paar Wochen vorher erarbeitet wurden und nicht vor der Klausur wiederholt etc. Wir bereiten unsere Abiturienten nicht realistisch auf das Leben an der Uni vor.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten
1.) Aus der Diskrepanz von Soll und Ist ergibt sich ein
Regelungsbdarf. D.h., wir versuchen den Ist-Zusatnd zu ändern.

Na an dem wird ja herumgeschraubt wie verrückt - ob das zum Besseren geschieht werden wir sehen. Klar ist, dass nicht zwangsläufig eine größere Menge Abiturienten auch eine größere Menge an leistungsfähigen Akademikern produziert (schon gar nicht in den naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen.)

2.) Wir korregieren den geforderten Soll-Zustand.

Wohin? Nach unten?
Gruß Orchidee

Hallo Carlos,

Stell dir nun vor, du würdest nun in eine solche Klasse einen exzellenten Gymnasiasten reinsetzen. Was denkst du, werden seine schulischen Leistungen in diesem soziale Gefüge weiterhin exzellent bleiben?

Nur unwesentlich länger als für alle guten Schüler in einer Gemeinschaftsschule, in der z.B. ein Migrantenanteil von mehr als 50 Prozent besteht oder die in einem sozialen Brennpunkt liegt.

Die Selektion hat versagt… In keinem anderen OECD-Land ist der Schulerfolg so von der sozialen Herkunft abhängig, wie in Deutschland.

Das Problem ist aber doch nicht primär über die Schaffung von Gemeinschaftsschulen zu lösen. Ich finde die „Begleitumstände“ ausländischer Schulsysteme viel interessanter: Ein Betreuungsschlüssel von einer Lehrkraft auf 8 Schüler beispielsweise. Damit wäre nämlich ein gravierender Teil aller bestehenden Probleme in unserem Schulsystem schon deutlich einfacher zu bewältigen. Wenn ich mich um nur 8 Schüler kümmern muss, ist ein völlig anderer Beziehungsaufbau möglich - von Dingen wie Wissensvermittlung oder Eingehen auf Fragestellungen mal ganz abgesehen.

Erst stopft man die „Schwächeren“ in Ghettos und dann sollen es Quer- und Seiteneinstiege richten?

Wenn ein solches „Ghetto“ z.B. bewirkt, dass ausländische Schüler erst mal ausreichend deutsch lernen, bevor sie sich einer Leistungsbewertung in einer deutschen Regelschule stellen müssen, wäre ich ein Fan davon. Dazu müsste übrigens auch eine entsprechende Sprachschulung der Eltern/ Mütter gehören.

Mein Mann war Hauptschullehrer und hat in den letzten 12 Jahren seiner Berufstätigkeit in sogenannten „Übergangsklassen“ unterrichtet. Dort saßen dann z.B. 21 Schüler aus 17 Nationen und lernten primär die deutsche Sprache und deutsche Kultur kennen. Die eigentliche Leistungsbewertung konnte ausgesetzt und durch pädagogische Gutachten ersetzt werden, die Kinder hatten zudem muttersprachlichen Unterricht. Diese Kinder hatten beim Übertritt in Regelklassen gute Chancen, auch höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen. Inzwischen hat man diese Klassen abgeschafft und die Schüler in Regelklassen „integriert“. Die Chancen haben sich damit für keinen der beteiligten Schüler verbessert.

Wir müssen dringend an der pädagogischen Betreuung arbeiten. Wenn das deutsche Schulsystem an etwas krankt, dann daran, dass zuviel Gewicht auf der Vermittlung von Fakten liegt. Nur gerät Pädagogik schnell an ihre Grenzen, wenn ein Lehrer allein vor 30 Schülern steht, von denen mindestens die Hälfte auffällig ist und im 45-Minuten-Takt „Bildung“ zu betreiben hat. Kein einziger von ihnen hätte mehr Chancen dadurch, dass er in einer Gemeinschaftsschule unterrichtet würde, solange die Rahmenbedingungen sich nicht mitverändern.

Wenn wir aber in der Lage wären, an den Rahmenbedingungen zu arbeiten, würde nach meiner Überzeugung auch unser bestehendes System funktionieren.

Schöne Grüße,
Jule

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Anmerkung
hallo,

für mich stellt sich immer wieder in unterschiedlichen Kontexten die Frage, was ein Mensch mit überdurchschnittlichen Fähgigkeiten überhaupt beim Staat verloren hat.

Jeder der gut ist sieht zu dass er in der Wirtschaft unterkommt.

Gruss,
TR

Hallo Orchidee,

Wir bereiten unsere Abiturienten nicht realistisch auf
das Leben an der Uni vor.

Könnte sein.

Klar ist, dass nicht
zwangsläufig eine größere Menge Abiturienten auch eine größere
Menge an leistungsfähigen Akademikern produziert (schon gar
nicht in den naturwissenschaftlichen und
ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen.)

Hier müssen wir uns über Grundsätzliches verständigen. Wir sind uns sicherlich einig, dass nicht jeder Mensch ist in hohem Maße bildbar ist.
Aber wie sieht es mit der Masse der Bevölkerung aus.
Müssen wir davon ausgehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich maximal bis zum 19,20 Lebensjahr bildbar ist und danach ist Sense?
Wie hoch ist der Anteil der Bevölkerung, die sich in einer Uni oder FH in Vorlesungen, Seminaren und Kursen weiterbilden lässt?
Zur Einnerung, es geht nicht darum, dass 50% der Jugendzur Elite gehören soll. Das geht schon definitionsmäßig nicht.

Die Vorstellung, dass jeder Schüler 10 Jahre zur Schule geht, war im 19ten Jahrhundert eine absurde Idee, die allenfalls einigen Humanisten sinnvoll erschien. Heute geht es um die Idee einer breiten akademischen Bildung. In anderen Industrieländern ist so was Realität.
Zur Wiederholung, in anderen Industrieländern ist es Realität.

2.) Wir korregieren den geforderten Soll-Zustand.

Wohin? Nach unten?

(grins)
Überlege dir nochmal, was du meinst und dann geschrieben hast (Zur Hilfestellung, der Sollzustand bezieht sich auf die Akademikerquote).

Gruß
Carlos

Hallo Thomas,

für mich stellt sich immer wieder in unterschiedlichen
Kontexten die Frage, was ein Mensch mit überdurchschnittlichen
Fähgigkeiten überhaupt beim Staat verloren hat.

Was machen eigentlich Menschen mit überdurchschnittlichen Fähgigkeiten in der Wirtschaft? Sie helfen dabei Dividenten zu erwirtschaften (z.B. geniale Investmentbanker).
Was machen Lehrer mit überdurchschnittlichen Fähgigkeiten?
Sie helfen jungen Menschen ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.

Gruß
Carlos

Der obige Text enthält polemische Überspitzungen

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Hallo Jule,

um langsam zum Schluß zu kommen.
Ich gebe dir in fast allen Punkten recht. Nur in einem einzigen Punkt muss ich dir widersprechen.

Kein einziger von ihnen hätte mehr Chancen dadurch, dass
er in einer Gemeinschaftsschule unterrichtet würde, solange
die Rahmenbedingungen sich nicht mitverändern.

Sicherlich würden sich die Leistungen vieler Hauptschüler verbessern, wenn sie in weniger problematische Klassen kämen. In einer normalen Klasse bemüht sich ein Lehrer Störenfriede zu trennen.
In einem Schulzweig zu landen, in dem Störenfriede gesammelt werden, ist für den einzelnen Schüler nicht hilfreich.

Wenn wir aber in der Lage wären, an den Rahmenbedingungen zu
arbeiten, würde nach meiner Überzeugung auch unser bestehendes
System funktionieren.

So ist es.

Gruß
Carlos

Hallo Carlos,

Hier müssen wir uns über Grundsätzliches verständigen. Wir
sind uns sicherlich einig, dass nicht jeder Mensch ist in
hohem Maße bildbar ist.

Das ist zumindest meine Überzeugung - bei den meisten Anhängern der „Abi-für Alle-These“ bin ich da nicht so sicher.

Aber wie sieht es mit der Masse der Bevölkerung aus.
Müssen wir davon ausgehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung
sich maximal bis zum 19,20 Lebensjahr bildbar ist und danach
ist Sense?

Natürlich nicht - vorausgesetzt, der Wille zur weiteren Bildung ist da. Und Bildung ist nicht unbedingt gleich mit Ausbildung.

Wie hoch ist der Anteil der Bevölkerung, die sich in einer Uni
oder FH in Vorlesungen, Seminaren und Kursen weiterbilden
lässt?

Keine Ahnung, wie hoch der derzeit ist - es kann ja auch ein Handwerker mit Meisterprüfung mittlerweile die Uni oder FH besuchen. Finde ich ja auch völlig in Ordnung und bestätigt doch die These, dass Quereinstiege jederzeit bereits jetzt möglich sind!

Die Vorstellung, dass jeder Schüler 10 Jahre zur Schule geht,
war im 19ten Jahrhundert eine absurde Idee, die allenfalls
einigen Humanisten sinnvoll erschien. Heute geht es um die
Idee einer breiten akademischen Bildung. In anderen
Industrieländern ist so was Realität.

Ja, allerdings muss man dann schon hinterfragen, wo die akademische Bildung anfängt und welche Voraussetzungen sie verlangt. Wer nicht wissenschaftliches Arbeiten gelernt hat, wird an der Uni scheitern oder einen harten Weg vor sich haben. Und wo lernt man das wissenschaftliche Arbeiten? In der Schule, aber das kann dort halt nur der lernen, der die intellektuellen Voraussetzungen mitbringt.

Zur Wiederholung, in anderen Industrieländern ist es Realität.

2.) Wir korregieren den geforderten Soll-Zustand.

Wohin? Nach unten?

(grins)
Überlege dir nochmal, was du meinst und dann geschrieben hast
(Zur Hilfestellung, der Sollzustand bezieht sich auf die
Akademikerquote).

Ja, ich weiß, deswegen war ich ja so erstaunt, dass du diesen Sollzustand - also die geforderte Akademikerquote - nach unten korrigieren willst. Ich war der Meinung, das widerspricht deiner Grundeinstellung. Ich bin natürlich der Meinung, ein Buchhalter muss nicht BWL studiert haben und eine Hotelfachfrau braucht kein Abitur…
Gruß Orchidee

Hallo Thomas,

für mich stellt sich immer wieder in unterschiedlichen
Kontexten die Frage, was ein Mensch mit überdurchschnittlichen
Fähgigkeiten überhaupt beim Staat verloren hat.

Jeder der gut ist sieht zu dass er in der Wirtschaft
unterkommt.

Ich denke, das Problem besteht weniger darin, dass der Mensch mit übersurchschnittlichen Fähigkeiten beim Staat nichts verloren hat, sondern darin, dass der Staat ihn sich nicht leisten kann, die Wirtschaft seinen Preis aber bezahlt. Wenn du zwei juristische Staatsexamina mit Prädikat hast, kannst du zwar Staatsanwalt werden, da verdienst du aber etwa die Hälfte von dem, was dir eine internationale Großkanzlei bezahlt. Und wenn du Glück hast, wirst du beim Staat in 10 Jahren Mal Oberstaatsanwalt - da verdienst du dann 300 Euro mehr…
Und wenn ein Lehrer nicht wirklich Lust auf den Job hat, findet er in der Wirtschaft auch einen lukrativeren Job, wenn er gut ist. Deswegen rollen wir ja mittlerweile jedem Absolventen mit 2 Staatsexamina einen roten Teppich in die Schule aus und müssen trotzdem Leute unterrichten lassen, die keinerlei entsprechende Ausbildung haben…
Gruß Orchidee