Hallo Castafiore,
Erlaube mir eine Zwischenfrage:
gerne.
Bist du in Berlin aufgewachsen?
Jawoll. Von Jeburt an Berliner.
Wo und von wem hast Du diese Wendungen gehört? Von „echten“
Berlinern oder von „zugezogenen“?
Von Zugezogenen eher selten, die müssten dann schon aus Brandenburg/Sachsen kommen, denn in anderen Regionen scheint’s das ja nicht zu geben.
Von jungen (sarenwama bis 30) oder von älteren?
Ich kenne viele ganz Alte, die noch ordentlich Berlinern, und ich kenne zahlreiche „Twens“, die dies tun. Letztere eigentlich nur in der ehemaligen Hauptstadt der DDR, da die Westberliner Bevölkerung zu sehr vom Zuzug geprägt ist (gab ja dort keinen Wehrdienst).
Die Generation meiner Eltern ist immer zu sehr bemüht gewesen, sich das Berlinerische nicht anmerken zu lassen - ich denke aber, „Es ist jetzt kurz vor um“ wird auch dort benutzt, weil wir uns ja nicht dessen bewusst sind, dass dies eine regionale Wendung ist.
Die Jüngeren haben nun wieder einen deutlichen Einfluss vom Deutsch der Bürger mit Migrationshintergrund, weissu?, und da weiß ich nicht genau, ob „es ist um 3“ benutzt wird. Müsste ich mich mal umhören.
Ich bin (Exil-)Berlinerin und habe „es ist jetzt um drei“ und
„kurz vor um“ (da schüttelt’s mich) nie in meinem Leben
gehört, WOHL aber „kurz vor viertel“ oder gar „fünf vor
dreiviertel“.
Je nun, „fünf vor dreiviertel“ kenn ich zwar auch, aber das sagt man meist aus Daffke, weil eigentlich heißt’s ja „zehn nach halb“. (Ich glaube, selbst das ist regional, und anderswo würde man „zwanzig vor“ sagen.) Aber wer „kurz vor viertel“ sagt, muss doch auch „kurz vor um“ sagen, oder benutzen Deine „Informanten“ da immer die Zahl? („Kurz vor um drei“ kenn ich auch nicht; nur, wenn die Zahl, welche die Stunde angibt, weggelassen wird, ist es „kurz vor um“, nicht „kurz vor“.)
„Um sieme wolln wa los? - Denn komm ick kurz vor dreivürtel.“
(Wäre für mich ganz normal.)
Okay, kann ich mir auch gut vorstellen.
Also ich frage mich, ob sich da mein Heimatdialekt verändert
bzw. verändert hat oder ob das nur situative Bildungen sind.
Und ob ick bei meinen neexten Besuch die Lauscher kräftich
uffstellen muss, damit ick denn ooch uffm Laufenden bleibe…
Ja, eine diachrone Studie hab ich jetzt nicht zur Hand. Vielleicht ist es auch eine Entwicklung, die auf die DDR beschränkt war. (Um das zu klären, müssten sich jetzt z.B. Schlesier melden, die nicht in der DDR lebten, damit wir einen angrenzenden Dialekt finden, der nicht solch einer Entwicklung unterlegen gewesen sein kann (vielleicht genügen auch erst einmal die Franken, evtl. Region Hof/Saale); und wenn man herausfinden will, ob es das in der ganzen DDR gab, fehlen noch die Thüringer und Mecklenburger-Vorpommeraner.)
Liebe Grüße
Immo