Hallo Bellawa,
Darauf möchte ich auch kurz eingehen, obwohl viele das hier schon taten.
Nach eigener Erfahrung hat das schon was mit der Schuldbildung
zu tun. Wer eine umfassendere hat, kann meistens besser
rechtschreiben. Aber nicht immer. Sprachgefühl ist IMHO auch
angeboren, so wie ich nunmal nicht singen kann und es auch
nach angestrengtem Üben nicht können würde.
Sicherlich, wer wenig Bildung genossen hat (und die evtl. noch nicht einmal genossen hat), ist meist schlechter in Rechtschreibung als Leute mit Abitur und vllt. sogar einer weiterführenden Bildung. Muss aber nicht so sein. Es sind eher Tendenzen als klare Anzeichen.
Zum Sprachgefühl: ob es so etwas wirklich gibt, ist ja strittig (war’s nicht Fritz hier im Brett, damals, der das vehement abstritt?), vielleicht gibt es nur das gute oder schlechte Beherrschen der Regeln. Ich möchte mich nicht auf eine Seite stellen, aber es ist schon klar, dass einige sowas im Schlaf beherrschen und andere das auch unter Anstrengungen nicht zufriedenstellend hinbekommen.
Außerdem bin ich grundsätzlich der Meinung, daß das
Sprachkönnen immer schlechter wird. Ansonsten wäre so etwas
Unsägliches wie eine Rechtschreibreform ja gar nicht nötig
gewesen.
Damit meinst du jetzt sicher nicht das angeborene Sprachgefühl, sondern die Beherrschung der Rechtschreibung? Das kann wirklich viele Faktoren haben. Oder meinst du das Beherrschen der deutschen Sprache auch im Gesprochenen? Da gehe ich nämlich nicht so recht mit. Man ist leicht geneigt, das Deutsch von früher als schöner und besser zu empfinden und neuere Tendenzen als Fehler zu empfinden. In 100 Jahren gilt das Deutsch von heute als toll und das Deutsch des Jahres 2110 als furchtbar. Das war auch 1910, 1810 und 1410 schon so. Hier ist also nicht wirklich ein objektiver, feststellbarer Abstieg der Sprachqualität festzustellen, sondern eine kontinuierliche Veränderung, wie sie in jeder lebenden Sprache vorkommt.
Und dass diese Veränderung schlecht sein soll, müsstest du erst einmal beweisen. Ich möchte die „schlimmen“ Anglizismen mal außer Acht lassen, aber was siehst du als Ziel dieser Veränderung? Wenn die Leute weiter so schlecht sprechen und das Sprachkönnen weiter so sinkt, wie es für dich erscheint, was glaubst du, wird uns in 200, 300 oder 400 Jahren erwarten? Was wird mit der deutschen Sprache passieren, wenn die Leute immer weniger auf den Dativ achten, auf die richtigen Konjugationsformen oder was du ihnen noch so unterstellst?
Wenn man so Dinge liest wie „wegen starkem Schneefall auf
allen Linien Verspätungen“, dann ist sonnenklar, worin der
Trend sich bewegt. Irgendwann wird eben die s-Regel eben
komplett fallen, weil sie keiner mehr kann und es jedem egal
ist.
Der Trend bewegt sich dahin, dass der Genitiv in vielen Konstruktionen durch den Dativ ersetzt wird. Und ja, vielleicht wird es ihn irgendwann nicht mehr geben, den Genitiv. Da wird dann auch „der Mutter ihr Auto“ zur Norm werden.
Und dann? Was für Auswirkungen wird das auf die Sprache haben? Und auf die Sprecher? Werden wir uns dann schlechter verständigen können, weil wir nur noch 3 statt 4 Kasus haben? Wie stellst du dir das vor?
Ein Grund dafür ist sicher, daß viele Schulkinder gar nicht
mehr richtig mit Deutsch aufwachsen.
Sondern? Mit Dialekt? Ist das etwa kein richtiges Deutsch?
Oder meinst du die Immigranten?
Dazu kommt, daß durch Internet und Microsoft jeder Idiot Texte
veröffentlichen kann. Daher rühren auch so schlimme Dinge wie
Apostrophiti’s und das Deppen Leerzeichen. Früher konnten nur
ausgebildete Leute Text produzieren. Deswegen las man nur
Texte von Profis. Je öfter man etwas falsch liest, desto mehr
prägt sich der Fehler ein.
Wenn ich mir öffentliche Texte (also Zeitung o.Ä., keine privaten Briefe) von vor 1900 angucke, wimmeln die ehrlich gesagt genauso von Fehlern wie die von heute. Wimmeln ist natürlich stark übertrieben. Aber Deppenapostrophe, Deppenlehrzeichen, Nichteinhaltungen der ss/ß-Regeln gab es früher auch. So sehr Profis waren die Leute damals also auch nicht. Und die Texte, die früher bereits von Profis geschrieben wurden, sind heute auch noch genauso fehlerarm wie damals. Es sind nur einige Medien mehr hinzugekommen… eben das Internet. Hätte früher jeder Idiot seine Meinung auf Zettel geschrieben an eine öffentliche Pinnwand im Rathaus geheftet, fändest du genau so viele Fehler, vllt. anderer Natur.
Es schreiben also nicht mehr Leute falsch, sondern du liest nur mehr Texte von Leuten, die nicht gut in Rechtschreibung sind. Das ist ein Unterschied. Und daraus zu schließen, dass die Deutschen immer schlechter schreiben könnten, wäre etwas voreilig.
Erschwerend dazu kommt, daß die Deutschsprecher immer
Dialektsprecher sind. Die richtige Schreibung läßt sich nicht
aus der Aussprache ableiten, sondern man muß sie lernen.
Es sind nicht alle Dialektsprecher. Aber es sprechen auch nicht alle (besser: fast keiner) nativ Hochdeutsch.
Schlimmes wird auch vom Fernsehen und der Sychronitis- und
Denglischbranche verbrochen. Da Dinge wie „das macht Sinn“ als
modern gelten, hat die Werbung oft keine andere Wahl als auf
den Zug aufzuspringen. So verfestigen sich Fehler. Es ist
vielen einfach egal, wie geschrieben wird.
Dass das ein weit verbreiteter Aberglaube ist, wurde ja schon weiter unten mehrmals gesagt. „Sinn machen“ ist kein Anglizismus, und selbst wenn’s einer wäre, so ist er ja nicht unsinnig. Bastian Sicks erklärung, Sinn könne man nicht kneten oder im Hau-Ruck-Verfahren herstellen, ist natürlich absoluter Humbug (denn dann müsste ja auch das Englische „make sense“ falsch sein).
Leider reden viele Leute Bastian Sick und anderen Sprachpuristen einfach nach dem Munde und hinterfragen nichts. Die Leute, die das dennoch tun werden meist einfach nicht beachtet oder gar als Neider beschimpft, wenn sie es dann zu veröffentlichen versuchen.
Grüße Bellawa.
Gruß,