Hallöle.
Ach, und Du bist ja durch und durch erleuchtet. In etwa wie „Es gibt die Meinung des dummen Volkes, und es gibt meine Meinung.“.
Kein existierender Einwand gegen Volksentscheide oder Volksbegehren auf Bundesebene ist stichhaltig.
Ironischerweise konnte ich mich mit meinem Willen zur politischen Partizipation ausgerechnet in der DDR (!) etwas erreichen.
Man schrieb eine sogenannte „Eingabe“, schickte das Schreiben mitunter an die Regierung der DDR selbst – und dann rumpelte es im Apparat. Wichtig war der Tonfall, z.B. Zitate von Marx, Textpassagen aus den Beschlüssen des SED-Parteitags, Aussprüche des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees, aufgepeppt mit etwas sozialistischer Rhetorik in der Peripherie „Ich dachte, in unserer schönen, friedliebenden Republik, könnte es nicht sein, daß …“.
Eine Eingabe war der beste Weg, eine individuelle Unzufriedenheit aus der Welt zu schaffen, z.B. wenn plötzlich das lange geplante Skilager für den Wintersport zuwenig Plätze hatte, um alle angemeldeten Kinder aufnehmen zu können. Dann standen die Chancen gut, mit dem Pochen auf die Kinderfreundlichkeit der DDR unter großen Entschuldigungsgesten des Apparates Ersatz zu ergattern.
Und dieser punktuelle Druck des Volkes fehlt in der BRD absolut.
Wenn meine Grundrechte verletzt werden, sind die Politiker indifferent oder lachen sich einen Ast hinter verschlossenen Türen oder dreschen hohle Phrasen vom Rechtsstaat, dessen Mühlen dermaßen langsam mahlen, daß sie fast rückwärtslaufen.
Das Stimmvieh, der Urnenpöbel kann aller vier Jahre Kreuzchen machen, ohne Einflußnahme auf die dummen Gestalten, die ihre Lügen auf der politischen Bühne schauspielerisch darbieten.
Ernstzunehmende (ehemalige) Verfassungsrichter kritisieren inzwischen seit Jahren die Loslösung der Politiker vom Volk. Die von den Westalliierten mit Unmengen Blockaden ausgestattete „Verfassung“ beschleunigt diesen Prozeß.
Wir leben im 21. Jahrhundert und es ist keinesfalls einzusehen, daß das Volk nicht über komplizierte Zusammenhänge erschöpfend informiert werden kann. Fernsehen für Leute in meinem Alter, das Internet für die Jugend. Es ist ohne gewaltige, generalstabsmäßige Planung möglich, neutrale Erklärungskampagnen zu bieten, die z.B. eine Mindestlaufzeit haben müssen. Ist diese Informationssperrfrist abgelaufen, darf vom Volk abgestimmt werden. Mit Hilfe solcher Mechanismen wäre in einem hinreichenden Ausmaße gesichert, daß 1. viele Bürger über das Anliegen der Volksabstimmung informiert werden und 2. diese vielen Bürger auch fachlich einen belastbaren Standpunkt entwickeln können.
Der Nebeneffekt wäre eine mögliche Dehnung der Legislaturperioden, um eine politische Kultur der Langfristigkeit einzuführen, die über den Dauerwahlkampf und das intellektuell deformierte Denken im 4-Jahres-Rhythmus erhaben wäre. Denn im Zweifelsfalle würde das Volk einfach handeln und nicht gewollte obrigkeitsstaatliche Anwandlungen der Parlamente unterbinden.
Die Staatsgewalt des Volkes hat einen höheren Wert als andere; und wenn wir aus der EU austreten wollen, wäre diese auf echtem demokratischen Wege herbeigeführte Willensbildung uneingeschränkt zu respektieren, egal was irgendein Experte meint.
Wenn es das Volk will, und wenn das Volk entsprechend entscheidet, gibt es kein Aber.
Gleiches würde gelten für ein einheitliches Bildungssystem ohne föderalistische Zersplitterung, ein einfaches Steuersystem, eine Bürgerversicherung als Gesundheitssystem, das Nein zum Bundeswehr-Außeneinsatz. Die Umfragen über das, was das Volk mehrheitlich will, sind klar, währenddessen in einer beispiellosen Weise über den Volkswillen hinwegregiert wird.
Oder wie war das mit dem Wahlrecht? Mit dem Listenabgeordneten, den die Mehrheit des Volkes am liebsten abschaffen möchte?
Volksabstimmungen bedrohen direkt die bestehenden Machteliten.
Die Angst vor der Entmachtung ist eindrucksvoll illustiert beim höchstseltenen Spektakel, daß sich der Bundestag in überwältigenden Dimensionen einig ist, keine plebiszitären Elemente auf der Bundesebene zuzulassen. Auch der Bundesrat demonstriert bei diesem Thema eine ungekannte Einigkeit.
Gehe ich heute zum Wählen, komme ich mir nicht wirklich anders vor als bei der Einheitslistenwahl der „nationalen Front“.
Es zieht auch nicht der selbstgefällige Spruch der konservativen Hohlköpfe: „Ja, dann ab in die Politik oder gründe Deine eigene Partei.“. Verfassungsexperten predigen seit Jahren, daß das Parteiensystem unter Abneigung vieler Bürger nicht demokratisch funktioniert, sondern es fallen Beschreibungen wie „Schlangengrube“ et cetera. Gegen das etablierte Parteienspektrum eine neue, einflußreiche Partei zu gründen, gilt als sehr unwahrscheinlich. Die Linkspartei ist ein gutes Beispiel. Deren Festigungsphase ist nicht beendet, und die Linkspartei hat Abertausende Wähler, besonders im Osten, im Rücken.
Für Volksabstimmungen ist es höchste Eisenbahn.
Grüße