Hallo IceageHatnochFragen,
ist es so, dass man aufgrund bestimmter Parallelen
unterschiedlicher Schriften,
die jedoch alle nach dem Tod von Jesus verfasst wurden,
eine (hohe) Wahrscheinlichkeit seiner tatsächlichen Existenz erkennt
Ja.
„Man“ ist allerdings bereits ein weiter Begriff. Es handelt sich um einen Forschungszweig zunächst der reformierten Theologie des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Professor Bultmann ist hier der wichtigste Name. Die katholische Theologie hat sich weit skeptischer verhalten, betreibt die kritische Exegese inkl. historischer Forschung zwar seit 1965 ebenfalls offiziell, trennt aber letztendlich nicht bleibend zwischen dem historisch Erkennbaren und dem zusätzlich Geglaubten, da sie die Grenze für fliessend hält.
Weiß man eigentlich, ob er selbst auch schreiben konnte?
Jesus ist gemäss den Evangelien zweifellos ein gebildeter Mann, Er unterhält sich mit den Pharisäern, Sadduzäern und Gesetzeslehrern auf deren höchstem Niveau und liest öffentlich aus der Schrift vor. Somit konnte Er lesen und theoretisch auch schreiben. Man muss bezüglich der Schriftlichkeit allerdings damit rechnen, dass Er es als vergleichsweise armer Mann in einer Zeit, wo Pergament oder Papyrus kaum zu haben war, nur auf dem Sand übte.
Warum gibt es von ihm keine eigenen Zeugnisse
Mündliche zuhauf, wie es auch bei anderen Rabbinern üblich war. Schüler eines Meisters besuchten diesen, lebten mit ihm und tradierten mündlich seine wichtigsten Sätze - so entnimmt man es der kulturwissenschaftlichen Lehre von der Umwelt des Neuen Testaments.
Hat er keine hinterlassen oder gibt es dazu auch andere Annahmen,
z.B. dass solche vernichtet wurden?
Das wäre mir neu. Es gibt allerdings ein Zeugnis, dass er schrieb (Joh 8, Geschichte von der Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Als die Gelehrten Jesus vorhalten, Mose habe geboten, dass solche Frauen zu steinigen seien, bückt Er Sich und schreibt mit dem Finger auf die Erde. Erst als sie hartnäckig bleiben und nachfragen, richtet Er Sich auf und tut den berühmten Satz: Wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein auf sie. Damit blamiert er die Gelehrten).
Aber zeigt nicht gerade die erwähnte Johannesstelle, dass die Lehre wichtiger ist als die Frage, wer schreibt? Nun, man kann natürlich der jüdischen und griechischen Weisheitslehre jener Zeit auch recht viel entnehmen und also z. B. vermuten, der Evangelist verbreite solche Lehren mit dem Hinweis auf einen angeblichen Jesus.
Waren es denn auch Ereignisse, die sich direkt
auf einen solchen Menschen bezogen
„Da wurde einer hingerichtet, den man Chraestus nannte“(Sueton)
oder lediglich bestimmte zeitlich einordbaren Ereignisse,
die aber nicht direkt mit Jesus in Verbindung stehen?
Da habe ich als Beispiel die bevorstehende Zerstörung Jerusalems genannt. Ein Wissenschaftler, der beispielsweise den Glauben und die christliche Lehre zerzausen will, wird zunächst behaupten, Jesus habe diese Zerstörung nicht voraussehen können, und dem Eintrag des Evangelisten in dieser Sache weniger Glauben schenken als etwa der Behauptung, dass Einer gekreuzigt worden ist, da es -zigtausende davon gab. Natürlich bleibt dieser Wissenschaftler die Erklärung schuldig, warum man gerade von einem Jesus spricht und nicht von anderen; es gab aber auch andere Wanderprediger und Propheten, denen die Leute nachliefen. Immerhin wird dem besagten Wissenschaftler rätselhaft bleiben, woher die Lehre dann kommt. Theoretisch ist aber möglich, dass da Einer war, dem man nun allerelei Gelerntes noch zusätzlich andichtet.
Könntest Du eines empfehlen?
Ratzinger, Jesus von Nazareth (Herder, Freiburg i. Br. 2007)
Ja, ich sehe schon… das wäre ein jahrelanges Studium,
das mir dann bevorstehen würde:smile:
Theologie bzw. Dogmatik, Kirchengeschichte, Exegese des Neuen Testaments.
Besten Gruß
IHF
Besten Gruss
Mike