Da der interessante Thread von Tokei-ihto
/t/beziehungs-un-faehigkeit/5325781
leider bereits nach unten versunken ist, will ich die Frage bzw. das Thema („was sind Beziehungsunfähigkeiten“) hier nochmal aufgreifen.
Ich glaube, die Variante, wo „ich bin bezehungsunfähig“ nur benutzt wird, um sich elegant (und mit dem Motiv, Verletzung zu vermeiden, oder einfach aus Feigheit, Stellung zu beziehen) im wahrsten Wortsinn „aus der Affäre zu ziehen“, kann man sicher wirklich als Beitrag zum Thema abhaken.
Derweil gibt es tatsächlich eine Reihe von Persönlichkeitsstrukturen (und damit sind nicht nur (v)erlernbare Verhaltensmuster gemeint), die in eine Lebensgemeinschaft (das verstehe ich hier und jetzt unter „Beziehung“) Sprengstoff eintragen. Sie sind meist anfangs nicht erkennbar, daher machen sie sich erst bemerkbar, wenn der gemeinsame Lebensalltag einen breiteren Raum eingenommen hat, und also die Lebensgemeinschaft bereits zur Faktizität geworden ist.
Grundsätzlich gilt aber: Beziehungs-Unfähigkeit sagt etwas aus über die Stabilität von Beziehungen, aber - so paradox das jetzt klingen mag - keineswegs über deren Dauer. So jedenfalls die Beobachtung aus vielen hundert Beziehungkonflikten bzw. Beziehungsbiographien.
Beziehungen setzen voraus, daß die Partner sich aufeinander zu beziehen imstande sind. Das wiederum setzt voraus, daß jeder in sich eine stabile Persönlichkeit ist, die dem Anderen auf Augenhöhe zu begegnen imstande ist, also weder submissiv-servil, noch dominierend-herabwürdigend. Das heißt: Keiner von beiden darf es nötig haben, den anderen für seine eigene (emotionale!) Stabilität emotional auszusaugen (zu vampirieren) und keiner darf sich entsprechend emotional aussaugen lassen.
Auch gegenseitige Bewunderung darf nicht dazu führen, als problematisch empfundene Eigenschaften des Partners (die gibt es in jeder Partnerschaft) blauäugig zu übersehen oder unreflektiert zu überspielen. Sie müssen auch dann und wann und bei Gelegenheit zum Gegenstand kreativer und einvernehmlicher Auseinanderstzung machbar sein. Dann erst kann sich jeder der beiden als „ganzer Mensch“ in der Partnerschaft „aufgehoben“ und vertrauensvoll anerkannt fühlen.
Es gibt bereits einige „grundsätzlich“ formulierte Archiv-Artikel (meist aus dem Psycho-Brett) über damit zusammenhängende Inhalte:
[Beziehung - mal anders gesehen]
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
[Bindungsangst = Verlustangst]
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
[Beziehung und Vampirismus]
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
[Beziehungsspiele]
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
Sowie eine der destruktivsten Beziehungs"techniken", die aber am schwersten zu durchschauen ist und daher oft von Außenstehenden schneller erkannt wird, als vom betroffenen Partner selbst (und auch meist vom handelnden Partner nicht!):
[Emotionale Erpessung]
/t/krankheit-als-waffe/3946430/17
/t/vorwuerfe/2891242/2
Der Grund, weshalb Beziehungs un fähigkeiten manchaml sehr langdauernde, aber unstabile Lebensgemeinschaften bilden. Dann nämlich, wenn auf beiden Seiten komplemantäre destruktive Verhaltensweisen vorliegen, die folglich passen wie Topf und Deckel :
/t/schwangerschaftstest–10/5243221/20
/t/narzistische-persoenlichkeitsstoerung–2/4834071/13
sowie dies hier in einem ebenfalls von Tokei-ihto gestarteten Thread:
/t/allgemeine-frage-zur-psychologie/5230473/14
Zur Rolle der Kindheit bei dieser Fragestellung
/t/erziehungsfehler/4754284/7
wobei die gängigen „frühkindliche Störungen“-Theorien auch zurecht heftig kritisierbar sind:
Ursula Nuber: Der Mythos vom frühen Trauma
ISBN 3-10-051922-1 Buch anschauen
Generell entstehen langdauernde, aber extrem instabile Beziehungen, die bei passenden Trigger-Situationen entweder explosiv enden, oder in jahrlangen Quälereien dahinsiechen (besonders, wenn der Partner mit seinen Eigenschaften komplementär dazu paßt), bei folgenden Gegebenheiten, die letztlich alle auch irgendwie gekoppelt sind:
Die häufigste: Inner-persönliche Konflikte - Unvereinbare Idealvorstellungen von Beziehungstypen und/oder Partnern. Konflikte also, die nur zu bewältigen sind durch kognitive Entscheidungen, die aber irgendwann (Trigger-Situationen) zu Fall kommen bzw. nicht mehr eingehalten werden können. So z.B. Konflikt zwischen der Idee von Promiskuität oder Libertinage zugleich mit der Idee einer lebenslangen Treuebeziehung. Zwischen einem optimal fluktuierenden daily-life und geistigen, intellektuellen Bedürfnissen, die der Partner nicht teilen kann. Zwischen ungebundener Abenteuerlust und verantwortungsvollem family-life. Zwischen Kinderwunsch und entschlossener Kinderlosigkeit.
Maligne Persönlichkeitstörungen ganz allgemein (weil sie ja gerade in brisantem Beziehungsverhalten bestehen). Die „Paarung“ von &rarr: Bordeline PS mit → Narzißtischer PS ist interesanterweise auffallend häufig. Auch oft langdauernd, aber tagtäglich an der Abbruchkante.
Zwanghaftes Kontrollverhalten - einhergehend mit extremer, als existenzbedrohlich erlebter und daher oft mit Aggression beantworteter **Eifersucht
Verschmelzungswahn - einhergehend mit extremer, als existenzbedrohlich erlebter und daher oft mit Aggression beantworteter Verlustangst, die die Ketten um die Beziehung immer enger zieht, was (insbesondere, wenn es beiderseitig vorliegt) zu regelrechten symbiotischen Beziehungen führt, die sich sukzessive nach außen isolieren, sich aber innerlich emotional aushöhlen.
Verlustangst ist jedoch zugleich eines der stärksten Bindemittel in Beziehungen. Aber eines, das sich eben nur auf die Dauer auswirkt, nicht auf die Stabilität. Sie ist Sprengstoff, weil sie dazu führt, daß bereits erkannte trennungsrelevante Unverträglichkeiten einbetoniert werden. Hierzu gehört btw. auch die Angst, ein Lebensideal (z.B. eine Ehe zu führen, als „verheirat“ zu gelten, auch soziale Sicherheit usw.) aufgeben zu müssen. Das bindet, aber es ist Sprengstoff, weil es nur äußerlich-formell, nicht inhaltlich-emotional bindet.
Emotionale Erpressung - „wenn du dich anders verhältst, als ich will, muß ich leiden“ (siehe die Links oben), fatalerweise meist gepaart mit der Partnereigenschaft der
Bereitschaft zur Opferrolle - wo nach und nach Eigenschaften, Vorlieben, Interessen, Begeisterungen usw. aufgegeben werden, weil sie in das engere Weltbild des Partners nicht hineinpassen
Konfliktunfähigkeit - insbesondere die Weigerung, Stellung zu beziehung, Verhalten zu begründen, Fehler einzugestehen, Unfähigkeit, Kritik anzuerkennen und Konsequenzen daraus zu ziehen, Unfähigkeit, problematische Gefühlslagen dialogisch auszuagieren, aber eben auch komplementär dazu - die Unfähigkeit bzw. fehlender Mut, Kritik zu äußern, „nein“ zu sagen und „ich will das nicht!“ zu sagen
Defizitäres dialogisches Verhalten generell - Unfähigkeit, sich dem Partner verstehbar zu äußern, sich (und seine Gefühle oder andere Anliegen) dem Partner zu vermitteln, Gesprächsblockaden, Verweigerung des problemorientierten, lösungsorientierten Gesprächs (der häufigste Trennungsgrund von Frauen von ihren Männern: „Er spricht nicht mit mir“, „Er läßt nicht mit sich reden“)
Gruß
Metapher**