Seelenbegriffe - ein Überblick
Hi,
es wäre günstiger, wenn du in deiner ViKa ein paar Andeutungen über dich machtest, damit man etwas besser einschätzen kann, welche Voraussetzungen du für die Beantwortung deiner Fragen mitbringst. Sonst beschwert sich wieder irgendwer im ALK darüber, daß Experten nicht für jedermann veständlich formulieren
Die Frage, so formuliert
was ist die Seele überhaupt […] oder gibt es keine Seele
ist so nicht beantwortbar gestellt. Es geht vielmehr darum, welche Begriffe von „Seele“ in den diversen Religionen und (antiken) Philosophien gebildet und gebraucht wurden.
Analoge Begriffe in anderen Sprachen/Kulturen, meist nur annähernd ähnlich, nur mit der Gemeinsamkeit, daß sie individuell zum Menschen gehören und immateriell sind:
psyche (griechisch) bei Sokrates dasjenige im Menschen, das im Körper gefangen ist während des Lebens, dann aber ins Reich der Ideen geht, wo es - unsterblich - die ewigen Ideen zu sehen vermag. Das ist der Ursprung des europäischen Begriffs der unsterblichen Seele.
Bei Aristoteles ist psyche im Wesentlichen der Sitz des Wahrnehungs- und Erkenntnisvermögens.
Ansonsten, wie besonders später Neuen Testament, die Lebenskraft
anima (lateinisch) im Wesentlichen die Lebenskraft, wie psyche
näphäsch/neschamah/ruach (Altes Testament, hebräisch/aramäisch) eine reichhaltige Diskussion über die Bedeutung und den Unterschied der drei Begriffe gibt es im Archiv in diesem Unterthread:
/t/haben-tiere-eine-seele/798563/15
Dort wird auch angemerkt, daß in der israelitischen Vorstellung der Mensch nicht eine Seele hat, sondern enen Seele ist.
k’a (ägyptisch) hier ist es diejenige Seele (neben anderen Arten von Seelen), die im Grab des Toten verbleibt
fravash (altpersisch, Awesta, Zarathustra) die überhaupt ältesten Textzeugnisse über Seelenbegriffe
saiwala (gotisch) die „vom Meer kommende“
ferah/seola (germanisch) ferah ist etymologisch verwandt mit fravash und seola mit saiwala. Seola (die Vorform von „Seele“) ist etwas, daß z.B. Liebende miteinander austauschen.
atman (in den Veden bzw. frühen Brahmanismus) etymologisch verwandt mit lat. anima und Atem
- Weitere in Australien, Polynesien, Nord-, Südamerika, Afrika
Im ost- und nordsibirichen Schamanismus gibt es unterschiedlioche Seelen, die einen verlassen den Körper bei Krankheit, andere im Traum, andere im Tod.
Im Grunde ist die Frage nach Existenz und Unsterblichkeit der Seele diesem Psychologiebrett fehl. Denn einen Begriff einer Seele im Sinne eines (zwar immateriellen) Dinges (Entität, Substanz, Substrat), das selbständig zugleich mit dem Körper existiert und sich je nachdem im Tode, im Schlaf oder Traum von ihm entfernt, ist spätestesn seit der Psychiatrie und (philosphischen) Psychologie der Romantik (ca Anfang 19. Jhdt) nicht mehr Im Gebrauch, bzw. überflüssig geworden. Er wird auch in der Psycholgie nur noch hier und da metaphorisch gebraucht.
So etwa bei Eduard v. Hartmann (Philosophie des Unbewußten, 1869), in der Aktualitätsheorie von Wilhelm Wundt (System der Philosophie, 1889) und bei Freud, Jung, Adler usw. sowieso.
Hier kannst du in Kurzform lesen,
http://www.textlog.de/1420.html
daß in Europa schon seit der Antike Seelen-Begriffe vorhanden waren, die eine statische, eindeutige Substanz ablehnten.
Ins Christentum kam ebenfalls die Vorstellung einer Seele, die sich im Tode aus dem Körper entfernt, erst spät dazu. Sie wurde übernommen aus griechischen, ägyptischen und germanischen Mythologien. Im Neuen Testament existiert sie noch nicht. Hier ist psyche (siehe oben) die Lebenskraft im Lebewesen, so auch im Menschen.
Auch in der katholischen Glaubenslehre ist sie so nicht vorhanden - der Mensch ist unsterblich („Auferstehung“), nicht nur die Seele. Es gibt zwar die dogmatische Fassung
„Jeder Mensch besitzt eine individuelle unsterbliche Seele“
aber die Seele ist lediglich die geistige Wesensform des Menschen, neben der materiellen Wesensform des körpers. Körper und Seel sind eine Einheit.
Es gibt sie nur in der sog. Volksfrömmigkeit und, natürlich, in der Poesie (speziell in der Liebeslyrik) und in der Malerei.
Seit dem europ. Mittelalter gibt es speziell die Vorstellung, daß die Seele nach dem Tod von Engeln in das Reich der Unsterblichkeit hochgetragen wird.
Ein paar besonders beeindruckende Beispiele:
William Bouguereau 1882:
http://www.illusionsgallery.com/soul-heaven.html
Lord Byron (1788-1824):
http://www.karo.b-hoffmann.de/Dat/Seele.html
Goethe, Faust II , 5.Akt, Szene Bergschluchten:
Zeile 11933 und ff.: Bühnenanweisung „Engel schwebend in der höheren Atmosphäre, Faustens Unsterbliches tragend“
Im Archiv des Religionsbrettes extistieren zahlreiche Artikel von von über die Religions- und Begriffsgeschichte der Seelenvorstellungen. Z.B.:
[Seele religionsgeschichtlich]
/t/haben-tiere-eine-seele/798563/13
[Seele, Psyche, Geist]
/t/tiere-seele/4380628/16
[Wortgebrauch „psyche“ im NT]
/t/seelenrecycling/4604611/36
Gruß
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