Überirdische Lichtwesen in allen Weltreligionen

Dämonologien in allen Religionen
Hi,

In allen Weltreligionen finden sich Berichte über
übermenschliche Wesen, die unter verschiedenen Namen dargestellt werden

Zunächst einmal: „Nicht-menschliche Wesen“ finden sich nicht nur in den Mythologien und (vor allem) in den Dämonologien (so nennt man das Gebiet der Religionswissenschaften, die sich mit eben diesen Gestalten befaßt) der vier oder fünf Religionen, von denen hier meist die Rede ist, sondern in allen religiösen Denksystemen, von denen es Hunderte gibt und gab.

Und „nicht-menschlich“ wäre auch schon das einzige Attribut, was diese Gestalten in den Religionen „gemeinsam“ haben. Nichts, aber auch gar nichts sonst. Insbesondere hat der Ausdruck „Lichtwesen“ da nichts zu suchen, denn mit Licht haben sie fast ausnahmslos weder inhaltlich, noch in der „Konsistenz“ etwas zu tun.

Sie gehören als eine Komponente zu dem umfangreichen Bestand an Grundbestimungen, die überhaupt den Begriff „Religionen“ fundieren.

Nebenbei bemerkt:
Andere solcher Grundbestimmungen sind z.B. die generelle Unterschiedung des „Heiligen“ und des „Profanen“ und des „tremendum“ und „fascinosum“. Darüber wurde ja kürzlich erst hier gesprochen:
/t/unreine-tiere–2/4738018/3
Außerdem besonders erwähneswert ist eine erstaunliche Übereinstimmung in der Logik von (ebenfalls in einer großen Anzahl vorhandenen) kosmogonischen Mythen nachzuweisen.

Die Frage ist also berechtigt, ob
Wesenheiten, von denen in so unterschiedlichen und in Raum und
Zeit verstreuten metaphysischen Systemen die Rede ist

Metaphysische Systeme?? Das ist etwas völlig anderes. DU meinst wohl kaum die Ideenlehre Platons? Die System-Metaphysik von Descartes und Spinoza? Die Wissenschaft der Logik Hegels?

Was du meinst, sind religiöse Konzepionen. Die haben aber mit Metaphysik nichts zu tun.

Über deinen Irrtum bezüglich devas und dakinis haben dich pendragon und Ralf bereits aufgeklärt. In einer noch nicht ganz verstandenen Gegenbewegung gegen die altindischen Religionen haben sich die altiranischen entwickelt, die großenteil das gleiche Vokabular in dieser Hinsicht haben (Awesta, bzw. und Zaraθuŝtra): Hier sind devas im Gegensatz zu den vedischen Gestalten „bösewollend“. Und viele andere Wesen existieren dort, die sehr verschiedenen gute („sp.nta“) und üble („aŋra“) Funktionen haben, deren „Gestalt“ aber gar nicht beschrieben wird, weil es überhaupt nicht in den Sinn kam, ihnen eine solche zuzuordnen.

Was die jüdische Tradition angeht, darf man nicht übersehen, daß auch hier die disbezüglichen Konzeptionen über beinahe 2000 Jahre eine Entwicklung durchgemacht haben: Die Kabbala ist recht jung und sie hat mit den nachexilischen Vorstellungen nicht mehr viel gemeinsam, denn sie sind Synkretismen aus sehr vielen andern mediterranen Überlieferungen.

Außerdem sind auch die frühisraelitischen Zeugnisse, sofern sie im Tanach belegt sind, über die verschiedenen Textepochen nicht einheitlich: Die älteren Belege im Tanach über die mal’akim bezeichnen sinnliche, menschliche Erscheinungsformen des Gottes selbst, sie sind noch nicht, wie später, „Boten“, die Anweisungen oder Mitteilungen an die Menschen weitergeben. Aber auch unter den späteren, die dann griechisch mit „aggeloi“ (Boten) bezeichnet wurden, sind nur wenige, die auch nur annähernd etwas mit den „Flügelwesen in weißen Gewändern“ zu tun haben, wie das, was man sich heutzutage populär (durch die europäische Kunstgeschichte vermittelt) unter einem „Engel“ vorstellt.

Diese Flügelwesen überhaupt kamen erst in die israelitisch/jüdische Tradition durch Synkretismen mit babylonischen und assyrischen, später persischen Vorstellungen, die sich dann in jüdischen und später auch in christlichen (nach-neutestamentlichen) Traditionen fortsetzten. Die eigene frühere israelitische Dämonologie enthält ganz andere Gestalten.

Vor allem über die Wesen mit negativer, dem Menschen Schaden zufügender Konnotation findest du einiges im FAQ:1518 und über die christlichen Varianten siehe [die Dämonen der Synoptiker]:
/t/daemonen-im-markusevangelium/3506576/3

Die eklatanten Unterschiede der „nicht-menschlichen“ Gestalten in den unzähligen religiösen Konzepten kommen daher, daß sie religionshistorisch ganz unterschiedliche Ursprünge haben: In Bergreligionen, die in der Regel eine besonders facettenreiche Dämonologie aufweisen (z.B.Himalaya, Kaukasus, Balkan, Zagros- und Taurusgebirge usw.) bilden sich ganz andere Vorstellungen, als in Steppenkulturen (Transural, Sibirien, Australien) und Waldkulturen (Zentalafrika, Nordamerika, Mesopotamien), und in nomadischen Jägerkulturen wieder ganz andere als in Ackerbaukulturen. Ganz einfach schon deshalb, weil sie jeweils ganz andere Funktionen in den archaischen Psychologien zu erfüllen haben. Siehe dazu den Artikel [Archaische Psychologien]:
/t/daemonen-im-markusevangelium/3506576/10

Allein die nicht-menschlichen Gestalten innerhalb eines einzelnen kulturell kohärenten Gebietes finden sich unmöglich vergleichbare Konzeptionen. DU wirst sicher Schwierigkeiten haben, zwischen den alten griechischen Wald- und Berggeistern (die Gnomoi), und den Titanen, Kyklopen, Erinyen der dorischen Epoche, und weiter den Mousai, den Hesperiden, den Gorgonen der klassischen Epoche irgendeinen Fetzen an ähnlichkeit zu finden :smile: Aber alle die sind „übermenschliche Wesen“ - von „Lichtgestalten“ keine Spur.

Die eklatanten Unterschiede dieser Vorstellungen rekurrieren aus den verschiedenen historischen Ursprüngen der Religionen selbst: 1. Ahnenkult, 2. Totenkult, 3. Sexualität, 4. Naturwesen, 5. ökonomische Bedingungen des Lebensraumes und andere Inhalte sind unterschiedliche Quellen der allmählichen Ausbildung von Götterbegriffen, die alle eine Mannigfaltigkeit dämonologischer Gestalten hervorbrachten. Synkretismen und kulturelle Überlagerungen führen zu Götterpantheons und dann auch zu Göttergenealogien.

Wenn dann Götterbegriffe einmal herauskristallisiert sind, bleiben die ursprünglichen Gestalten als „Zwischenwesen“ verschiedener Funktionen im Mythenbestand erhalten. In vielen Berg- und Steppenkulturen (Jäger und Nomaden) wiederum wurden gar keine Gestalten ausgebildet, die man unter den Begriff „Götter“ fassen kann. Dort bleiben sie das, was sie eh waren: Die nicht materiell faßbaren, „guten“ und „bösen“ Kräfte des Lebensraumes.

Desweiteren darf man nicht vergessen, daß viele der nicht-materiellen Wesen parallel zur Ausbildung von Seelenbegriffen „erfunden“ wurden. Daher spielen sie ja auch ihre Hauptrolle vorwiegend im psychischen Geschehen des Menschen. Siehe dazu den Artikel [Seelenbegriffe - religionshistorisch]:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

mehr als nur einen mythologischen Status haben.

An dieser Frage erkennt man, daß du den „mythologischen Status“ in antiken Religionen enorm unterschätzt. Du kannst dich ja mal bei Völkern Zentralafrikas, Australiens, Sibiriens oder Nordamerkas erkundigen, ob ihre Dämonen „real“ seien oder „nur“ vorgestellt. Was glaubst du, wie die Antwort aussähe? *lächel*

Völker, die nicht den aus der langen und sehr komplexen europäischen Philosophiegeschichte basierenden Begriff „Realität“ bzw. „Existenz“ haben (der letzlich dann auch zu unserem heutigen Begriff physikalischer Realität führte), werden sicher über so eine Zweifelsfrage lächeln.

Gruß
Metapher