Hallo Harald.
Es ist die religiöse Pflicht der Eltern : "Jedes Knäblein,
wenn’s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren
Nachkommen. " (Gen.17,2)
… die offensichtlich - wie das Kölner Urteil nun deutlich gemacht hat - mit der Rechtslage hierzulande in Konflikt steht.
Wird also die Beschneidung verboten, hindert der Gesetzgeber
den religiösen Erwachsenen an der Ausübung seiner Religion!
Ja - und zwar so weit diese „Ausübung“ nicht ihn selbst, sondern Dritte betrifft. Um es mal überspitzt zu formulieren: aus demselben Grund hindert unser Staat radikale Muslime daran, in Ausübung ihrer Religion hierzulande z.B. eine Fatwah gegen Salman Rushdie zu vollstrecken oder bibeltreue Christen daran, Ehebrecher zu steinigen und Hexen zu töten.
Der Staat täte also gut daran, sich öffentlich von der
allseits gepriesenen „Religionsfreiheit“ zu distanzieren. Es
gilt: Religion ist in D (auch in anderen europäischen Ländern)
dem Grundgesetz untergeordnet.
Nein - das Recht auf Religionsfreiheit ist hierzulande Teil des Grundgesetzes (nicht ihm „untergeordnet“) und völlig unbeschränkt, sowie man älter als 14 Jahre ist und man in der Inanspruchnahme dieses Rechtes nicht die Grundrechte Dritter verletzt. Bei Kindern unter 14 bzw. 12 Jahren, wo Eltern das (aus dem Erziehungsrecht abgeleitete) Recht haben, im Namen ihrer Kinder das Recht auf Religionsfreiheit für diese auszuüben, gibt es allerdings Beschränkungen, die einen Missbrauch dieser ‚Prokura‘ verhindern sollen. Damit wird nicht die Religionsfreiheit der Eltern eingeschränkt, sondern vielmehr das Recht der Kinder auf Religionsfreiheit (und hier im Fall ‚Beschneidung‘ auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit) vor unzulässigen Übergriffen und Einschränkungen durch die Eltern geschützt.
Hier liegt mE das leider häufige Missverständnis vor, dass sich das Recht auf freie Ausübung der Religion auch auf die Kinder erstreckt, als seien diese Sachen , die der uneingeschränkten Verfügungsgewalt ihrer Eigentümer unterliegen. Kinder sind jedoch nach heutigem Rechtsverständnis nicht frei verfügbares Eigentum der Eltern, sondern eigenständige Rechtssubjekte , die lediglich zur eigenständigen Wahrnehmung dieser Rechte noch nicht befähigt sind.
Damit könnten sich hier lebende Juden und Moslems arrangieren
oder auch nicht.
Ja - die Bibel und auch der Qu’ran fußen eben auf einem anderen, einem antiquierten patriarchalischen Familienrecht, das hierzu in Konflikt steht. Wobei ich nun das Lamento von Herrn Graumann, der jetzt gleich ein Weiterbestehen jüdischen Lebens in Deutschland für nicht mehr möglich hält,für völlig überzogen halte. Gerade Juden haben in solchen Fragen immer einen bemerkenswerten Pragmatismus bewiesen. Wenn es akzeptabel ist, die für den 8. Tag nach der Geburt vorgeschriebene Beschneidung aus Gesundheitsgründen aufzuschieben, warum sollte es dann nicht akzeptabel sein, wegen drohender Bestrafung die Beschneidung bis zum 12. Lebensjahr (wo der zu Beschneidende nach KErzG selbst das Recht ausüben kann, diese in eigener Entscheidung ggf. abzulehnen) aufzuschieben?
Die Frage bleibt dann, inwieweit auch für Christen (die ja
angeblich hier die Gesetze machen) der biblische Grundsatz
gilt:
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg.5,29)
Das ist in der Tat die Frage. Hier sind aber die Betroffenen , seien es nun Christen, Juden oder Moslems, aufgefordert, einen modus vivendi zu finden, wenn sie sich nicht außerhalb der demokratisch legitimierten Rechtsordnung stellen wollen. Gelingt das nicht, dann handeln sie entweder kriminell oder sie müssen die Konsequenz ziehen und in einen Staat auswandern, der sie und ihre Lebensweise akzeptieren möchte und wo ihre religöse Praxis nicht gegen die herrschenden Gesetze verstößt. Das ist die einzige Zumutung , die hierulande an Religiöse gestellt wird - dass ihre religiöse Praxis nicht ungesetzlich ist. Und in einer Demokratie - zumal einer, die der persönlichen Religionsausübung (d.h. solange nicht die Rechte Anderer dadurch beeinträchtigt werden) keine Schranken auferlegt - ist dies wahrlich nicht zu viel verlangt.
Freundliche Grüße,
Ralf