Urteil zur Säuglingsbeschneidung

erstens einmal war mein Beitrag nicht „leidenschaftlich“,

OK, wenn es dir besser gefällt, dann nenne es engagiert. Das ist - zumindest aus meiner Sicht - nichts nachteiliges!

sondern ich habe die Rechtslage dargestellt und klar gemacht,
dass eine Urteilsschelte hier unangebracht ist weil das
Landgericht Köln eben aufgrund dieser Rechtslage gar nicht
anders urteilen konnte , als es getan hat.

Da bin ich mir nicht so sicher, allerdings bin ich auch juristisch nur ein klein wenig befleckt. Lediglich zum Thema, dass eine Körperverletzung plötzlich keine ist, nur weil sie im religiösen Kontext passiert, habe ich eine eindeutige Meinung, die sich mit deiner deckt.

Zweitens gilt diese
Rechtslage natürlich auch für die von Dir genannten Fälle -
aber hier befinden wir uns nicht im Brett ‚Allgemeine
Rechtsfragen‘ oder ‚Unterricht und Erziehung‘ sondern
‚Religionswissenschaft‘ und diskutieren eine
religionssoziologische Frage.

Das ist mir bewusst.

Hier gilt derselbe Hinweis. Außerdem geht es zumindest bei mir
definitiv nicht um „contra Religion“ sondern um das spannende
Thema Konflikte zwischen archaischen religiösen Anforderungen
und Geboten einerseits und staatlich garantierten Menschen-
und Grundrechten andererseits.

Aber um für dieses Mal auf Deinen Versuch, die Diskussion in
einen offtopic-Bereich zu drängen (mutatio controversiae
heisst dieser eristische Taschenspielertrick) einzugehen,

Das ist eine - nicht sachgemäße und unsachliche - Unterstellung! Ich wollte mitnichten und habe nicht die Diskussion in einen Offtopicbereich drängen! Eigentlich sogar das Gegenteil.

stelle ich einfach mal die Umkehrfrage: würdest Du Eltern, die
ihre Kleinkinder mit einem Piercing ‚verschönern‘, genauso in
Schutz nehmen wie die, die ein 8 Tage altes Baby beschneiden
lassen -

Ich habe hier doch nirgendwo in Schutz genommen. Lies doch noch einmal genau nach, was ich geschrieben habe. Ich habe mich sogar von der Beschneidung distanziert!

die Rechtslage ist völlig dieselbe -
auch Eltern, die ihre Kinder mit Piercings oder Tattoos
schmücken wollen, tun dies in dem subjektiven Glauben, dass
dies für ihre Kinder von Vorteil ist.

Die Rechtslage ist nicht dieselbe - zumindest nicht derart, dass mir nicht bekannt ist, dass das Piercing von Kindern als rechtswidrig eingestuft wird. Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

Um nun aber nicht ganz vom Boden der Realität abzuheben - wann
hast Du das letzte Mal einen gepiercten oder tätowierten
3-,4-,5-Jährigen gesehen?

Fast täglich?! Wenn man unter Piercing (das habe ich so weit gefasst) auch den Ohrlochstecker versteht in jedem Fall. Hier laufen aber in Berlin auch gepiercte 6-Jährige rum. Alleine bei der Einschulungsfeier kürzlich von Freunden waren auf dem Klassenfoto 3 Jungs und 5 Mädels mit solchen Steckern -von 23 Kindern. Das ist ein Drittel - ich finde die Quote heftig.

Möglicherweise bin ich als jemand,
der auf dem Land lebt, nicht so ganz auf dem Laufenden - aber
ich gehe mal davon aus, dass
a) kein Tätowierer, der noch bei Trost ist, einen solchen
Auftrag annehmen würde, weil die daraus entstehenden
Rechtsfolgen keine Versicherung tragen würde (wenn schon nicht
aus naheliegenderen Gründen) und
b) das Jugendamt, sobald es davon Wind bekäme, die Kinder aus
der Obhut der Eltern nähme - zumindest aber ein paar ernste
Worte mit ihnen sprechen würde. Zu Recht, wie ich finde - und
das ist jetzt nicht nur juristisch gemeint.

Da bist du aber im Irrtum. Nun nicht, was Tattoos bei 10-Jährigen angeht, aber bei 12, 13, 14-jährigen schon. Gleiches gilt für entsprechende Schönheitsoperationen. Bei letzterem ist mir allerdings bekannt, dass es - ähnlich wie bei der Beschneidung - zumindest unter Medizinern eine solche Diskussion gibt.

Nicht, dass ich missverstanden werde, ich bin nicht pro
Zirukumzision eingestellt. Aber die Diskussion sollte auf der
richtigen Eben geführt werden.

Und diese „Ebene“ wäre nun welche?

Die Ebene ist die, dass der Aspekt, den ich heuchlerisch nenne, unterbleibt. M.E. kann nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. S.u.

Dazu gehört, dass ein Cool-Sein
oder die Realisierung eines Schönheitsideals (ggf. gar eines
der Eltern, was noch nicht einmal das des Kindes ist) mit
Sicherheit niedriger zu werten ist als die Religionsfreiheit

Das ist eine polemische Verzerrung. Es geht nicht um
„Cool-Sein oder die Realisierung eines Schönheitsideals“
sondern um das elterliche Recht auf Pflege und Erziehung der
Kinder, in das da ggf. eingegriffen wird. Auch ein Grundrecht,
lies mal Art. 6 GG.

Verstehe ich richtig, du findest, wenn Chantal oder Jaqueline mit 3 ein Ohrloch gesteckt bekommen, ist das Recht auf Pflege und Erziehung der Kinder betroffen?

Deine Perspektive scheint mir da doch etwas
verschoben.

Ich glaube eher, dass du mich - aus welchen Gründen auch immer (ich wähne welche) in eine völlig verkehrte Schublade steckst.

Die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit
ist eben nicht die Freiheit, die Religion bzw. religiöse
Erziehung Anderer - und sei es die der eigenen Kinder - aus
eigenem Recht zu bestimmen.

Das habe ich nirgendwo behauptet.

Religionsfreiheit im Sinne des Grundgesetzes ist sowohl
positiv als Recht, eine Religion in freier Entscheidung zu
wählen, als auch negativ als Recht, keine Religion zu wählen
und von religiöser Erziehung unbehelligt zu bleiben, bestimmt.
Dieses Grundrecht auf negative Religionsfreiheit dürfen Kinder
unter 12 Jahren nicht selbst ausüben und als Ausfluss des
Grundrechtes auf Erziehung wird Eltern gestattet, das
Grundrecht auf Religionsfreiheit als gesetzlicher Vertreter
ihrer Kinder stellvertretend auszuüben.

Soweit so gut.

Bei der Bestimmung der religiösen Erziehung durch die Eltern
wird von diesen also nicht das Recht auf Religionsfreiheit in
Anspruch genommen sondern das Erziehungsrecht.

Das sieht allerdings das LG in seiner Begründung nicht so - oder habe ich gerade ein Brett vor dem Kopf?

„Ihre Religionsfreiheit und ihr Erziehungsrecht würden nicht
unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie gehalten seien abzuwarten, ob sich
das Kind später selbst für eine Beschneidung entscheidet.“

Diesem wird
hier Vorrang vor dem Recht der Kinder auf negative
Religionsfreiheit gegeben.

Weißt du mehr? Hat das Gericht überhaupt die negative Religionsfreiheit geprüft? In dem, was ich vom Gericht gelesen habe, stand davon nichts.

Wenn hier im Zusammenhang mit der in Frage stehenden
Gerichtsentscheidung von Religionsfreiheit die Rede ist, dann
sollte man sich bitteschön erst einmal vor Augen halten, dass
es nicht um die Religionsfreiheit der Eltern geht - diese wird
nämlich in keinster Weise eingeschränkt - sondern um die
Religionsfreiheit der Kinder.

OK, Brett weg - hier hast du es klarer formuliert und deckt sich auch mit meinem Stand.

Dieses Recht nehmen die Eltern
lediglich stellvertretend wahr. Darüber zu wachen, dass sie
dies verantwortlich und nicht missbräuchlich, also nicht im
eigenen Interesse sondern im wohlverstandenen Interesse der
Kinder tun, ist Aufgabe des Staates.

Bingo. Bis dahin sind wir eins. Und mit der - ich denke mal da gehst du mit - Grundannahme, dass damit immer auch eine Abwägung verschiedener Güter verbunden ist, jetzt erst einmal kurz Schnitt.

Und auf der anderen Seite steht das Thema Körperverletzung und der Umgang mit anderen Körperverletzungen. Körperverletzungen, die (gesellschaftlich, juristisch) geduldet sind, obwohl ihnen kein so hohes Gut wie die Religionsfreiheit entgegen steht.

Und genau das sind die Stränge, die ich gemeint habe.

Genau das ist das Argument, was man z.B. auch von den
Befürwortern und insbesondere den Befürworterinnen der
Mädchenbeschneidung hört.

Wenn ich das Argument der Stigmatisierung anführe, mache ich es mir doch nicht zu eigen!

Weshalb ich dieses Argument aber angeführt habe ist etwas ganz anderes: Hier ist von körperlichem Schaden die Rede. Es gibt aber Rituale in Religionsgemeinschaften, die sind geeignet, seelischen Schaden bei Kindern zu hinterlassen und zwar in einem Ausmaß, bei dem nach meiner Auffassung der mögliche Schaden einer Beschneidung im Vergleich pillepalle ist. (bewusst überspitzt). Was mit da so durch den Kopf geht sind Dinge, wie ich sie sogar in der engeren Familie erleben „durfte“, wo eine Familienangehörige bei den Neuapostolen eingeheiratet hat. Die Kinder, inzwischen alle Erwachsen und z.T. selbst schon Eltern, haben alle eine ziemlichen Knacks davon weg, obwohl sie mit Volljährigkeit (und z.T. früher) ausgetreten sind.

Zu einer sachlichen Diskussion würde m.E. gehören, dass ich - auch und gerade wenn es um die religiösen Aspekte geht - die Abgrenzung zu allen relevanten Randbereichen mache. Dazu gehört, dass ich mir angucke die gesellschaftliche / rechtliche Duldung anderer Körperverletzungen genauso wie die Eingriffsschwelle bei anderen, das Kindeswohl möglicherweise gefährdenden Ritualen, die nicht Körperverletzung im engeren Sinne sind.

Sorry, aber für dumme Ansichten Anderer - zumal wenn sie in
Brettern geäußert werden, in denen ich nicht mitdiskutiere -
bitte ich doch, nicht mich verantwortlich zu machen.

Habe ich das? Nur, weil ich den Aspekt mit hinein gebracht habe, habe ich dich doch nicht dafür verantwortlich gemacht. Zieh mir keine Pantoffeln an, die nicht meine sind - und zieh dir selbst keine an, die man dir nicht gereicht hat.

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ist es so schwer zu begreifen, dass es hier darum geht, ::dass
ein männlicher Mensch das Recht hat, sich mit unversehrtem
Pimmel für eine, oder auch keine, Religionsgemeinschaft zu
entscheiden?

Darum geht es möglicherweise dir.

Nein. Darum gehtt es hier , was am Brett liegt.

Du missverstehst da was! Natürlich ist das Thema Religionsfreiheit betroffen. Aber nicht derart, dass durch die Beschneidung aktiv in die Religionsfreiheit des Kindes eingegriffen wird.

Ich hätte auch schreiben können „ist es so schwer zu
begreifen, dass es hier darum geht, dass
ein männlicher Mensch das Recht hat, mit unversehrtem
Pimmel durch das Leben zu gehen?“
Ich stimme mit dir völlig darin überein, dass Piercings,
Tattoos etc. bei Kindern ebenfalls (und umso mehr, weil sie
rein modisch motiviert sind) nicht „in Ordnung gehen“

Eben, da ist der Schwerpunkt der Aussage aber auf dem unversehrten Pimmel (oder dem Ohrloch oder der Haut) und nicht auf dem Eingriff in die Religionsfreiheit. Der wäre ja nur dann gegeben, wenn dem Kind durch die Beschneidung ein späterer Zutritt zu einer Religion verwehrt wäre. Mit ist nicht bekannt, dass es eine solche gäbe.

Hallo,

Um nun aber nicht ganz vom Boden der Realität abzuheben - wann hast Du das letzte Mal einen gepiercten oder tätowierten 3-,4-,5-Jährigen gesehen?

Ohne jetzt eine weitere Nebendiskussion anstossen zu wollen: Vornehmlich weibliche Säuglinge und Kleinkinder mit Ohrsteckern.

Permanente Tattoos an Kindern habe ich im diesem Land zum Glück noch nie gesehen.

LG Barbara

Nach dem gesunden Volksempfinden offensichtlich nicht:smile:

Genau darauf wollte ich hinaus, das ist das, was ich als Stellvertreterdiskussion empfinde und heuchlerisch empfinde.

Die Körperverletzung ist eine Körperverletzung weil sie eine Körperverletzung ist, die nicht entschuldet ist. Entschuldet ist sie nicht durch merkwürdige Schönheitsideale (der Eltern), aber auch nicht durch religiöse Motive.

Andererseits gilt aber:

Die Körperverletzung wird nicht dadurch zu einer Körperverletzung, weil sie eine religiös motivierte ist.

Das ist ein Unterschied, in meinen Augen ein sehr entscheidender.

Da die Beiträge der Kritiker aus meiner Sicht aber auch
keine wirklich zwingenden Argumente für diesen
Absolutheitsstatus der Menschenrechte geliefert haben

Mir zumindest geht es nicht um einen Absolutheitsanspruch, sondern darum, dass man einem Richter nicht vorwerfen kann, dass er nach geltendem Recht urteilt.
Sonst nix.

Jo

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Medizinisches

Es wird die Zahl der diagnostizierten Phimosen steigen und
alles ist wieder in Butter.

Unwahrscheinlich. Phimose ist keine Indikation für eine postnatale Zirkumzision (d.h. während der ersten 6 Wochen nach der Geburt). Der medizinisch indizierte Eingriff sollte zur Risikominimierung frühestens nach Vollendung zumindest des ersten Lebensjahres vorgenommen werden.

Da wir schon beim Medizinischen sind: die ja auch hier behaupteten angeblichen gesundheitlichen Vorteile einer nicht medizinisch indizierten Beschneidung (sog. ‚Wunschbeschneidung‘) sind längst als Mythos bzw. als Reklame für ein lukratives Geschäftsmodell entlarvt. Sie rechtfertigen nicht die Eingehung der Risiken des Eingriffs: Nachblutung, Hämatom, Wundinfektion, Wunddehiszenz, störende Narben, Urethralstenose, Urethra-Haut-Fistel, Sensibilitätsstörungen der Glans, Glansischämie, erektile Dysfunktion. Statistisch ist bei Zirkumzision von Kindern in 6% der Fälle eine Nachoperation wegen Nachblutung, Wundrevision oder Meatusstenose notwendig. Einer dieser gar nicht so seltenen Fälle hat ja dann auch zu der Gerichtsverhandlung gegen den Arzt und dem hier diskutierten Urteil geführt.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Nachdem ich gerade gelesen habe, dass du den Diskussionsverlauf dort völlig anders darstellst als er ist, ist die Sache für mich erledigt.
„Daß Menschenrechte sich ferner im Laufe der Geschichte gewandelt haben und auch heute in unterschiedlichen Ländern in unterschiedlichem Umfang angewandt werden, ist für mich ein Indiz dafür, daß es eben keine „absoluten Menschenrechte“ gibt, sondern daß sie vielmehr ein Kanon sind, den Menschen in ihrer Zeit mit dem Wissen und Weltbild ihrer Zeit festlegen. Doch der Aufschrei der Empörung im anderen Brett legt nahe, daß ich da einem Denkfehler aufsitze.“

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Da wir schon beim Medizinischen sind: die ja auch hier
behaupteten angeblichen gesundheitlichen Vorteile einer nicht
medizinisch indizierten Beschneidung (sog.
‚Wunschbeschneidung‘) sind längst als Mythos bzw. als Reklame
für ein lukratives Geschäftsmodell entlarvt.

Da ich wähne, dass du dies auf meinen Beitrag beziehst: Lesen wäre hilfreich, Hineininterpretieren ist es nicht. Nicht immer gilt das, was man lesen will.

Die Ärztekammer - ggf. eine durchaus taugliche Instanz für die med. Beurteilung und eher weniger im Bereich Esoterik anzusiedeln - hat zum Thema sich mehrfach geäußert, u.a. hier:
http://www.aerzteblatt.de/archiv/61273

Dort wird eine Abwägung gemacht zwischen Vor- und Nachteilen und man kommt zum Schluss, dass die Nachteile - deutlich - überwiegen. Das bedeutet aber nicht, dass dadurch die Vorteile nicht mehr vorhanden sind. Vorteile u.a. hygienische (die sich allerdings mit milderen Mitteln auch bewerkstelligen lassen) und vorbeugende (hier gilt ähnliches)

Hallo Janina,
ich verstehe Deine Position nun etwas besser. Ohne nun auf Dein Posting umfassend einzugehen, nur eine Anmerkung.

Es ist wohl richtig, dass bei diversen Körpermodifikationen so einiges geduldet wird. Konkret: es wird ein Verbotsirrtum der Ausführenden geduldet. Nach dem Prinzip wo kein Kläger, da kein Richter. Genau dies galt ja bis zu dem mittlerweile rechtskräftigen Urteil auch für die Beschneidung. Ich persönlich freue mich schon auf den ersten Fall, wo ein Tätowierer oder Piercer wegen ‚Verschönerung‘ eines oder einer Minderjährigen vor Gericht steht und deutlich gemacht bekommt, was davon zu halten ist. Wenn dieser Unfug in Großstädten, wie Du schreibst, tatsächlich schon erhebliche Ausmaße annimt, dauert es hoffentlich nicht mehr allzulange.

Meistens muss ja dazu leider erst einmal etwas schief gehen - wie hier im Beschneidungsfall. Beim Ohrlochstechen ist da die Gefahr allerdings doch recht gering. Zumal da zu berücksichtigen wäre, ob die Eltern da einem ausdrücklichen Wunsch des Kindes stattgegeben haben und ob das Kind reif genug war, so dass man dessen Wunsch ernst nehmen konnte (bei einer Dreijährigen wäre das wohl kaum der Fall).

Freundliche Grüße,
Ralf

Es gibt
aber Rituale in Religionsgemeinschaften, die sind geeignet,
seelischen Schaden bei Kindern zu hinterlassen und zwar in
einem Ausmaß, bei dem nach meiner Auffassung der mögliche
Schaden einer Beschneidung im Vergleich pillepalle ist.

Yep.

(bewusst überspitzt).

Wo? Du untertreibst vornehm und das ist OK.
Aber der Gesetzgeber?

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Hallo Ralf,

Wenn hier im Zusammenhang mit der in Frage stehenden
Gerichtsentscheidung von Religionsfreiheit die Rede ist, dann
sollte man sich bitteschön erst einmal vor Augen halten, dass
es nicht um die Religionsfreiheit der Eltern geht - diese wird
nämlich in keinster Weise eingeschränkt - sondern um die
Religionsfreiheit der Kinder.

ich will hier keineswegs den jüdischen Usern vorgreifen,
aber ich denke, dass Deine Sichtweise leicht verzerrt ist.

Es ist die religiöse Pflicht der Eltern : „Jedes Knäblein, wenn’s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen.“ (Gen.17,2)

Wird also die Beschneidung verboten, hindert der Gesetzgeber den religiösen Erwachsenen an der Ausübung seiner Religion!

Der Staat täte also gut daran, sich öffentlich von der allseits gepriesenen „Religionsfreiheit“ zu distanzieren. Es gilt: Religion ist in D (auch in anderen europäischen Ländern) dem Grundgesetz untergeordnet.

Damit könnten sich hier lebende Juden und Moslems arrangieren oder auch nicht.

Die Frage bleibt dann, inwieweit auch für Christen (die ja angeblich hier die Gesetze machen) der biblische Grundsatz gilt:
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg.5,29)

Gruss Harald

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Hallo Harald.

Die Frage bleibt dann, inwieweit auch für Christen (die ja
angeblich hier die Gesetze machen)

Wer behauptet das?

der biblische Grundsatz gilt
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg.5,29)

Wo siehst du irgendeine Frage?
Hat dir Gott gesprochen oder der Satz stammt von irgendjemanden den du nicht mal kennst.
Das ist nähmlich die Frage:smile:

Gruss Harald

Balázs

Es wäre hilfreich…
…wenn sich Ihre Beiträge in den Themenfäden fänden, aus denen Sie zitieren!

Die Rechtsgrundlage für eine richterliche Entscheidung wurde von mir in keinem Beitrag in Frage gestellt. Der Beitrag, aus dem der von Ihnen gerade zitierte Absatz kommt, bezog sich auf den Vorschlag, die Religionen könnten ihre Regeln den Gesetzen anpassen.
/t/urteil-zur-saeuglingsbeschneidung/6906749/5
Und ich habe nichts anderes getan, als darzulegen, warum das - aus Sicht der Religionsgemeinschaft - nicht so einfach ist. Wenn Sie dazu anderer Meinung sind, dann schreiben Sie’s der Übersicht halber bitte auch dort hin.

Und das, was Sie in diesem Beitrag bildreich erläutern…
/t/urteil-zur-saeuglingsbeschneidung/6906749/52
…hatte ich deutlich im Beitrag davor, auf den Sie sich bezogen haben, geschrieben.

Martinus

Die Urteilsbegründung (lt. Pressemitteilung) der Richter hebt
nur die Abwägung Recht auf körperliche Unversertheit vs.
Religionsfreiheit / Erziehungsrecht ab.

Das Urteil (http://goo.gl/7sjDv) stellt auch auf das Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 GG) ab.

Sie stellt nicht ab
darauf, was hier in einigen Kommentaren angeklungen ist, dass
mit einer solchen Maßnahme in das religiöse
Selbstbestimmungsrecht des Kindes eingegriffen wird.

Richtig. Darin muss man allerdings nicht unbedingt ein Begründungsdefizit sehen. Denn diese Erwägung würde die Ansicht des Gerichts, wie sie in der Entscheidung zum Ausdruck kommt, lediglich untermauern. Wenn das Gericht dafürhält, dass die gebrachten Argumente hinreichend sind, geht das juristisch gesehen völlig in Ordnung.

Mich würden drei Aspekte interessieren. Einerseits gibt es
noch andere Körperverletzungen ohne medizinische
Notwendigkeit, die Eltern in Deutschland straflos erlauben
oder gar initiieren können: bspw. Tattoos, Piercing,
"Schönheits-"OPs. Bei all diesen Körperverletzungen liegt auf
der anderen Seite der Waagschale nicht einmal das hohe Gut der
Religionsfreiheit.

Das möchte ich zunächst einmal unstreichen: Das Grundgesetz räumt der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) einen sehr hohen Stellenwert ein. Anders als die meisten anderen Grundrechte ist es nämlich gemäß seines Wortlautes nicht einschränkbar.

Wohlgemerkt bedeutet das nicht, dass eine Beschränkung der Religionsfreiheit von vornherein nicht in Betracht kommt, wie sich aus einer einfachen und logischen Überlegung ergibt: Kollidieren zwei Grundrechte verschiedener Grundrechtsträger miteinander, so lässt es sich womöglich gar nicht verhindern, dass das eine den Vorzug erhält und das andere zurücktreten muss. Darum können Grundrechte oder allgemeiner gesprochen Rechtsgüter von Verfassungsrang eine verfassungsimmanente Schranke auch für diejenigen Grundrechte bilden, die sich selbst nicht für einschränkbar erklären (für die Interessierten: http://goo.gl/Me7D8). Das Landgericht Köln stellt auch ausdrücklich darauf ab.

Verfassungsrechtliche Konflikte hat es im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit schon oft gegeben. Man denke etwa an die Weigerung von Zeugen Jehovas, einer lebensrettenden Bluttransfusion für die eigenen Kinder zuzustimmen, an die Erlaubnis, unter bestimmten Umständen Tiere zu schächten (auch wenn das einfache Gesetz, also das Gesetz, das im Rang unter der Verfassung steht, es verbietet) und an die Teilnahme muslimischer Mädchen am schulischen Schwimmunterricht.

Die Beschneidung von Jungen ist erst in den letzten Jahren zu einem viel diskutierten Gegenstand der Rechtswissenschaft geworden. So dürfte auch zu erklären sein, dass nun, nur scheinbar ganz plötzlich, ein Strafgericht Stellung bezogen hat.

Ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass oft Dinge, die eigentlich unerträglich sind, schlicht aus Gewohnheit lange akzeptiert und gar nicht hinterfragt werden. Es ist das Recht und auch die Pflicht eines jeden Gerichts, den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt „richtig“ und nicht etwa gewohnheitsmäßig zu beurteilen. Nebenbei bemerkt hat das Gericht auch nicht die Wahl zwischen einer richtigen und einer rechtspolitisch wünschenswerten Entscheidung. Es gilt das Gesetz und nur das Gesetz (Art. 97 GG). Das Problem, dass die Beschneidungen zukünftig illegal erfolgen könnten und dann vielleicht viel gefährlicher werden, ist darum ein Aspekt, auf den zumindest ein Strafgericht nicht abstellen darf.

Und es handelt sich auch bei all diesen
Körperverletzungen um welche, bei denen es schon in sich eine
medizinische Abwägung, was den Nutzen angeht, gibt (die es
immerhin bei der Zirkumzision gibt und die zwar contra
Zirkumzision ohne med. Notwendigkeit ausfällt, aber dennoch
gibt es med. Argumente pro). Eigentlich wäre doch hier die
gleiche juristische Messlatte gefragt - oder nicht?

Oder nicht.

Auf der einen Seite sind die Anforderungen an ein Verbot sogar höher, wenn ein religiöses Motiv im Raum steht. Ein Piercing wird in aller Regel als Schmuck getragen, so dass die Religionsfreiheit gar nicht erst zum Zuge kommt.

Auf der anderen Seite weisen deine Beispiele mehr Unterschiede zur Beschneidung eines Jungen auf als nur das Motiv. Einmal ganz abgesehen davon, dass ein Piercing womöglich weitaus weniger in die körperliche Unversehrtheit eingreift als eine Beschneidung, haben wir es hier regelmäßig mit einer ganz anderen Altersklasse des Betroffenen zu tun. Kein Vierjähriger bittet seine Eltern ernsthaft um eine Schönheits-OP, und ich habe auch noch nie von Eltern gehört, die ihr Kind zwingen, sich ein Tattoo stechen zu lassen. Wenn sie das täten, würden sie sich wohl ohne weiteres strafbar machen. Wenn aber der Wunch von dem „Kind“ ausgeht, das ja in aller Regel schon jugendlich ist, ist das etwas ganz anderes.

Überraschen wird dich vermutlich, dass es insbesondere in den üblichen Piercing- und Tattoo-Fällen gar nicht so sehr auf die Eltern ankommt. Denn die Wirksamkeit der Einwilligung hängt jedenfalls im Strafrecht von der (tatsächlichen) Einsichtsfähigkeit des Betroffenen ab und nicht etwa von der Volljährigkeit.

Abseits der juristischen Bewertung erscheint mir nämlich die
Diskussion hierzu ein wenig heuchlerisch, weil sie im Grunde -
so scheint es mir - Stellvertreterdiskussion ist. Es geht gar
nicht so sehr um die Körperverletzung eines „unschuldigen“
Kindes.

Ich lese bei dir allerdings heraus, dass du auch die juristische Bewertung durchaus heuchlerisch findest. Hier die religiös motivierte Beschneidung eines Jungen, die verboten und strafbar ist, dort Piercings und Tattoos, die straffrei bleiben. Doch selbst wenn man aus der Pönalisierung der Beschneidung zwingend darauf schließen müsste, dass Piercings usw. erst recht strafbar sein müssen, wäre das m.E. nicht korrekt argumentiert. Es ist ja nicht gesagt, dass ein Richter, der das eine für strafbar hält, das andere für erlaubt halten würde.

Auch die religiös motivierte Beschneidung wurde bislang nicht als strafrechtliches Problem begriffen. Wenn es nun einen Umschwung in der Rechtsprechung geben sollte (was ich bezweifle, weil (monotheistische) Religionen in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert haben; das Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgericht ist da eher eine bemerkenswerte Ausnahme denn die Regel), kann man das schlecht unter Hinweis darauf kritisieren, dass doch andere Dinge „auch“ straffrei seien, denn auch hier könnte die Rechtsprechung sich ja ändern. Vor allem aber glaube ich nicht, dass das Landgericht Köln von einer straflosen Körperverletzung ausgegangen wäre, wenn statt der Beschneidung ein Nasenpiercing zu beurteilen gewesen wäre.

Abgesehen davon sind Gerichte nicht an die Ansichten anderer Gerichte gebunden, so dass sie eben auch zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können.

Und rein praktisch: Das ist ein (inzwischen rechtskräftiges)
Urteil eines Landesgerichtes. Juristisch ist die Frage doch
erst einmal jetzt am Ende. Rechtssicherheit gibt es in der
Frage dadurch immer noch nicht, was ich persönlich am
Unbefriedigensten finde. Was müsste passieren, um diese
Rechtssicherheit zu bekommen?

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung würde den Weg freimachen für eine Klage oder ggf. eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht.

Das Landgericht hätte das BVerfG
anrufen können, hat es aber nicht.

Das konnte es auch nicht. Denn dafür hätte es ein (entscheidungserhebliches) Gesetz für verfassungswidrig halten müssen (Art. 100 GG), was es nicht getan hat.

Was ich im Übrigen an dem
Urteil wirklich ganz besonders Gaga finde: Einerseits
verurteilt man den Arzt nicht mit Verweis auf Verbotsirrtum,
andererseits legt man nicht die Grundlage für eine juristische
Lösung, die aus dieser Rechtsunsicherheit rausführt.

Und was hätte das Gericht tun können, das du nicht „gaga“ findest? Mir fällt nichts ein. Das Gericht hatte nicht mehr und nicht weniger zu entscheiden als die Frage, ob der Angeklagte sich strafbar gemacht hatte. Der Freispruch wegen eines Verbotsirrtums (§ 17 StGB) geht völlig in Ordnung. Daraus ergeben sich aber keine weiteren Kompetenzen für das Gericht.

Und nun?

Nun haben wir erst einmal einen unangenehmen Schwebezustand, für den aber niemand so recht etwas kann.

Last not least: Hier war nur der Arzt angeklagt. Was ist mit
den Eltern?

Das kann ich dir leider auch nicht sagen. Entweder hat die Staatsanwaltschaft auch die Eltern angeklagt, und wir wissen es nicht, oder sie hat es nicht getan, und wir können über den Grund nur spekulieren. Mir fällt kein plausibler Grund ein. Wir müssten doch wenigstens von einer Anstiftung (§ 26 StGB) ausgehen.

Und was - angenommen, es würde verboten (bzw.
nicht mehr entschuldet)- wenn Eltern künftig die Beschneidung
dann nicht mehr durch Ärzte, sondern durch med. Laien
durchführen lassen mit der Variante, dass sie dieses ggf. im
Ausland tun. Könnten Sie dann hier - auch im Nachhinein -
belangt werden?

Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist (§ 7 StGB).

Eine Entschuldigung wird wohl nicht mehr in Betracht kommen, weil nun kein Arzt mehr sagen kann, er habe von der Strafbarkeit nichts gewusst und hätte davon auch nicht Kenntnis nehmen können. Für die bis heute geschehenen Beschneidungen wird aber immer auf Verbotsirrtum erkannt werden.

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Hallo Balázs.

Die Frage bleibt dann, inwieweit auch für Christen (die ja
angeblich hier die Gesetze machen)

Wer behauptet das?

Die Parteien, die ein C in ihrem Namen führen :wink:

der biblische Grundsatz gilt
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg.5,29)

Wo siehst du irgendeine Frage?

Kannst Du nicht lesen?
Die Frage lautet: Gilt für Christen der biblische Grundsatz?

Hat dir Gott gesprochen oder der Satz stammt von
irgendjemanden den du nicht mal kennst.
Das ist nähmlich die Frage:smile:

Das ist keine Frage, sondern ein Versuch, vom Problem abzulenken.

Gruss Harald

Nun meint zwar der Bundesrichter und
StGB-Kommentator Thomas Fischer, ausgerechnet bei Beschneidung
aus religiösen Gründen träfe dies nicht zu, vermag dies aber
nicht argumentativ zu stützen sondern beruft sich lediglich
auf die nebulöse „herrschende Meinung“.

Hier muss ich Thomas Fischer in Schutz nehmen. Mir liegt zwar nur eine ältere Ausgabe des Fischer-Kommentars vor, nämlich die 51., die offiziell sogar noch Thomas/Fischer heißt. Wenn sich aber an den dortigen Ausführungen seitdem nichts geändert hat, tust du Fischer Unrecht.

In § 223 Rn. 6 steht, dass die „wohl hM“ von der Tatbestandslosigkeit ausgeht. Damit ist nach rechtswissenschaftlicher Lesart keineswegs eine Billigung dieser herrschenden Meinung verbunden, im Allgemeinen nicht und auch hier im Besonderen nicht, denn in der Klammer dahinter finden sich sofort die magischen Buchstaben „zw“, die für „zweifelhaft“ stehen). Fischer lehnt diese Auffassung also ab.

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Die Urteilsbegründung (lt. Pressemitteilung) der Richter hebt
nur die Abwägung Recht auf körperliche Unversertheit vs.
Religionsfreiheit / Erziehungsrecht ab.

Das Urteil (http://goo.gl/7sjDv) stellt auch auf das
Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 GG) ab.

Danke, das führe ich mir mal in Ruhe zu. Ich hatte halt nur besagte Pressemitteilung gefunden.

Ich weise an dieser Stelle darauf hin, dass oft Dinge, die
eigentlich unerträglich sind, schlicht aus Gewohnheit lange
akzeptiert und gar nicht hinterfragt werden. Es ist das Recht
und auch die Pflicht eines jeden Gerichts, den zur Beurteilung
gestellten Sachverhalt „richtig“ und nicht etwa
gewohnheitsmäßig zu beurteilen.

Auf der anderen Seite weisen deine Beispiele mehr Unterschiede
zur Beschneidung eines Jungen auf als nur das Motiv. Einmal
ganz abgesehen davon, dass ein Piercing womöglich weitaus
weniger in die körperliche Unversehrtheit eingreift als eine
Beschneidung, haben wir es hier regelmäßig mit einer ganz
anderen Altersklasse des Betroffenen zu tun. Kein Vierjähriger
bittet seine Eltern ernsthaft um eine Schönheits-OP, und ich
habe auch noch nie von Eltern gehört, die ihr Kind zwingen,
sich ein Tattoo stechen zu lassen. Wenn sie das täten, würden
sie sich wohl ohne weiteres strafbar machen. Wenn aber der
Wunch von dem „Kind“ ausgeht, das ja in aller Regel schon
jugendlich ist, ist das etwas ganz anderes.

Überraschen wird dich vermutlich, dass es insbesondere in den
üblichen Piercing- und Tattoo-Fällen gar nicht so sehr auf die
Eltern ankommt. Denn die Wirksamkeit der Einwilligung hängt
jedenfalls im Strafrecht von der (tatsächlichen)
Einsichtsfähigkeit des Betroffenen ab und nicht etwa von der
Volljährigkeit.

Nun argumentierst du aber hier mit der Üblichkeit, die du oben noch als Entscheidungskriterium ausgeschlossen hast. Und wieso auch in dem Zusammenhang nur die Einsichtsfähigkeit der Betroffenen.

Nur, weil es bisher nicht üblich war, dass in Bezug auf Piercing derartig geklagt wird, heißt das ja nicht, dass es nicht passieren könnte. Wenn eine Dreijährige ein Piercing oder gar mehrere bekommt, besteht mindestens mal das Risiko der Infektionsgefahr, weitere Risiken inklusive. Und von Einsichtsfähigkeit kann bei einem Kindergartenkind wohl kaum gesprochen werden.

Abseits der juristischen Bewertung erscheint mir nämlich die
Diskussion hierzu ein wenig heuchlerisch, weil sie im Grunde -
so scheint es mir - Stellvertreterdiskussion ist. Es geht gar
nicht so sehr um die Körperverletzung eines „unschuldigen“
Kindes.

Ich lese bei dir allerdings heraus, dass du auch die
juristische Bewertung durchaus heuchlerisch findest.

Das liest du ausdrücklich falsch heraus! Ich habe nicht umsonst geschrieben „abseits der juristischen Bewertung“. Es gilt das geschriebene Wort und nur das :wink:

Es ist ja nicht gesagt, dass ein
Richter, der das eine für strafbar hält, das andere für
erlaubt halten würde.

Genau deshalb habe ich das Argument ja auch abseits der juristischen Wertung gebracht. Dies bezog sich dann schon auf die gesellschaftliche Diskussion, die ich für heuchlerisch halte, daher auch die später angeführten Beispiele. Konkret im Rahmen der Einwilligung empfinde ich es bspw. schon als heuchlerisch, dass man sich darüber auseinandersetzt, ob es die Einwilligung beider Elternteile bei einem Piercing des Kindergartenkindes braucht, aber man dieses grundsätzlich nicht in Frage stellt.

Darauf aufbauend aber noch ein weiteres Beispiel, wo wieder die Juristerei ins Spiel kommt: Nämlich die Geschlechtsanpassung von Intersexuellen. Dort wird - so mein Kenntnisstand - zwar „moralisch“ inzwischen diskutiert, das Problem auf das Erwachsenenalter zu schieben, juristisch dann, wenn die Eltern nicht aufgeklärt wurden, aber darüber hinaus nicht. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen eigentlich medizinisch nicht erforderlichen Eingriff (jedenfalls sollen diese Fälle jetzt nur gemeint sein), der ganz erheblich in das Persönlichkeitsrecht der Eltern reingeht. Kein Nebenschauplatz, dafür ist das Fass zu groß, das weiß ich. Sondern nur als weiteres Beispiel dafür, dass es um mehr als nur „schönheitsfragen“ abseits der Beschneidung geht.

Vor allem aber glaube ich nicht, dass das Landgericht
Köln von einer straflosen Körperverletzung ausgegangen wäre,
wenn statt der Beschneidung ein Nasenpiercing zu beurteilen
gewesen wäre.

Nicht? Wiederspricht das nicht der o.a. Nichtvergleichbarkeit?

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung würde den Weg
freimachen für eine Klage oder ggf. eine Verfassungsbeschwerde
vor dem Bundesverfassungsgericht.

Das Landgericht hätte das BVerfG
anrufen können, hat es aber nicht.

Das konnte es auch nicht. Denn dafür hätte es ein
(entscheidungserhebliches) Gesetz für verfassungswidrig halten
müssen (Art. 100 GG), was es nicht getan hat.

Was ich im Übrigen an dem
Urteil wirklich ganz besonders Gaga finde: Einerseits
verurteilt man den Arzt nicht mit Verweis auf Verbotsirrtum,
andererseits legt man nicht die Grundlage für eine juristische
Lösung, die aus dieser Rechtsunsicherheit rausführt.

Und was hätte das Gericht tun können, das du nicht „gaga“
findest? Mir fällt nichts ein.

Ich habe nicht zwangsläufig gemeint, dass das Gericht „gaga“ gehandelt hat. Nur finde ich den Zustand jetzt eben für alle Beteiligten richtig unbefriedigend. Was, wenn der Gesetzgeber schnarcht. Ärzte werden -siehe Jüdisches KH in Berlin - sich künftig zurückhalten, weil jetzt ja nun nicht mehr der Verbotsirrtum zählt (nicht, dass ich das bedaure, es geht nur um den halbgaren Zustand)

Nun haben wir erst einmal einen unangenehmen Schwebezustand,
für den aber niemand so recht etwas kann.

Ich hatte gedacht, das Gericht (bzw. andere Beteiligte) hätten Möglichkeiten gehabt, das in Richtung Klarheit zu forcieren. Danke für die Aufklärung, auch in Gänze!

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Hi.

Mein Vergleich von göttlichen * und damit potentiell :absoluten *
Geboten auf der einen und Menschenrechten als
menschengemachten…

Seit wann wird eine Behauptung durch ihre ständige Wiederholung potentiell sogar absolut War?
Was soll das hier suchen, falsches Brett?
So könnte aber jeder kommen, und die kommen tatsächlich immer noch, allerdings mit ganz anderen Götter und absoluten Gesetzen.

Einigt euch erst schön, dann weiter:smile:)))

Gruß

Balázs

Herzlichen Dank für diese Klarstellung. Ich hatte ja schon an anderer Stelle angemerkt, dass ich Herrn Fischer „ansonsten“ sehr schätze. Dieser Vorbehalt ist mit Deiner Anmerkung hinfällig geworden.

Freundliche Grüße,
Ralf

P.S.: Auch Danke für Deine Antwort an Janine, in der ich meine unfachmännische und weitestgehend ‚aus dem Bauch heraus‘ formulierte rechtliche Einschätzung im Wesentlichen bestätigt sehe.

habe ich mir erlaubt die grundsätzliche Frage dazu im Rechtsbrett
nochmal stellen:
/t/absolutheitsanspruch-der-menschenrechte/6908294

Martinus, der - auch wenn er ihren Absolutheitsanspruch
hinterfragt - die Menschenrechte nicht in Frage stellt!

Habe nach längerer Zeit wieder einmal hier herein geschaut, aber zum Thema nur diesen Beitrag gelesen, zu dem ich daher auch gleich auf diesem Brett und nicht am Juristenbrett einen kleinen Denkanstoß hinterlassen möchte.
Ich kopiere dafür der Einfachheit halber einen Kommentar unten dran, den ich aus Anlass eines in Österreich vor einer Weile geplanten und abgehalteten Prostestes gegen „Menschenrechtsverletzungen“ auf den Blog der entsprechenden Aktionistengruppe geschrieben habe.

Mag jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen. :smile:

Grüße

Gert

Zitat :

Ich schreibe es nun doch noch einmal und ganz langsam, damit auch solche, die schwer von Begriff sind, möglicherweise den Grund für die Aussichtslosigkeit solcher “Aktionen” endlich einsehen und dort ansetzen, wo das eigentliche Problem liegt, aus dem dieses ganze Dilemma in allen seinen Auswirkungen überhaupt erst entstanden ist.

Wie kann man denn gegen die Verletzung so genannter “Menschenrechte” protestieren und dabei übersehen, dass das, was als solche in verschiedenen “Gesetzen” begründet wurde, bereits Schwachsinn der höchsten Kategorie darstellt, der ganz offensichtlich bisher nur keinem aufgefallen zu sein scheint. Und das nämlich deswegen, weil dabei die Voraussetzung, gewissermaßen die conditio sine qua non, was “Mensch” eigentlich sein würde, nicht nur nicht eineindeutig mit erklärt/begründet wird, sondern – noch blödsinniger – sogar der Beliebigkeit freigestellt bleibt!? Wie es wem in welcher „Gesetzesgemeinschaft“ auch immer (“Politiker”, beraten von jeweiligen dafür “legitimierten Experten”) gerade am besten in den Kram passt!?
Und dagegen hat - wenigstens in den – angeblich (!) - schon „aufgeklärten“ Ländern - bisher noch keiner “protestiert”.
Warum eigentlich nicht?

Und es wird anscheinend noch immer nicht bemerkt, dass mit dem bloßen Protest gegen diese bereits blödsinnig definierten “Menschenrechte” den “Gesetzgebern” geradezu die Bestätigung dafür geliefert wird, dass dieses “Gesetz” eh´ so passt!?
Mit der Konsequenz: na, dann munter weiter so, is´ eh´ alles in Ordnung, wenn es im “Gesetzbuch” steht und dieses neben den „Experten“, den „Juristen“ und sonst fast allen auch von den “Protestierer” genauso vertreten und nicht in Frage gestellt wird.

Und in ihren Sonntagsreden – immer vom ORF devotest begleitet – palavern sie dann darüber, wie sehr doch “der Mensch” im Mittelpunkt ihrer Bestrebungen stünde und huldigen sich wechselseitig dafür, wie schön sie doch gesprochen haben.
Wie erst kürzlich von Fischer, Schönborn+Co wieder einmal “zelebriert” wurde.

Das, was sie dann aber in der Praxis tun, ist das genaue Gegenteil davon!
Und die Ausrede für diese Schizophrenie zwischen Reden und Tun ist stets und überall die gleiche: Wir müssen uns leider streng an das “Gesetz” halten!?!?
Somit die angeblichen „Menschenrechte“ munter weiter ständig verletzen!?
Aber dagegen – gegen diese schwachsinnige “Gesetzgebung” – hat hierzulande bisher noch keiner “protestiert”, ausgenommen meine Wenigkeit.

Eigentlich hatte ich ja erwartet, dass sich irgendwer wenigsten einmal dafür bedankt hätte für diesen Hinweis und die Zurverfügungstellung einer ganzheitlichen argumentativen Begründung als Vorschlag für eine entsprechend konstruktive Diskussion darüber, anstatt ihn durch Löschen aus der Diskussion zu halten (“manipulieren”).
Aber das war wohl zu viel erwartet.
Soll mir recht sein.

Das “dicke Ende” kommt erst noch… wenn alles “streng nach dem Gesetz”, statt endlich einmal nach „Hausverstand“ so weiter geht.
G. K.

Zitat Ende