Hallo,
als Nichtexperte, aber Studentin eines Studienganges mit 6% Frauenanteil interessiert mich dieses Thema natürlich.
Ich fand, dass diese Tagung völlig an der Realität
vorbei geht.
Jetzt würde mich wirklich interessieren, was auf einer solchen Tagung besprochen wird. Ich denke (aus eigener Erfahrung), dass das Problem nicht ist, dass sich zuwenige Frauen für Naturwissenschaften interessieren, sondern dass sie sich nicht trauen, einen technischen/wissenschaftlichen Beruf zu ergreifen. Wenn ich denke, wie es bei mir in der Schule war, meine (männlichen) Mathe- und Physiklehrer (von der Familie ganz zu schweigen) erzählten mir immer wieder: „Wenn du als Frau schon Physik studieren willst, dann mach doch wenigstens Lehrer.“, „Geh nicht an eine technische Uni, da ist der Frauenanteil zu gering.“, „Studier bloß nicht Physik, die machen dich fertig als Frau“, „Wenn du Physik machst, dann mach besser Biophysik, das ist besser für Frauen“. Ganz zu schweigen davon, dass oft angenommen wird, dass Frauen in technischen Berufen hässlich und/oder lesbisch sind. Aber das geht wohl leicht am Thema vorbei.
Jungen sind das vergessene Geschlecht. Wäre daher nicht die natürlichere
Frage, ob unser Bildungssystem Mädchen einseitig bevorzugt?
Was Programme zur Frauenförderung in Naturwissenschaften oder Girl’s Days angeht, bestimmt. Als Frau finde ich es sogar störend, dass es soviele Frauenförderprogramme gibt (bzw. das die, die es gibt, immer so breit geredet werden). Von daher begrüße ich es, dass es inzwischen auch Boy’s Days gibt.
Was das fächerspezifische Abschneiden angeht, bin ich mir nicht sicher. Bei uns in der Schule hatte ich den Eindruck, dass Jungs generell schlechtere Noten hatten. Das lag aber nicht wirklich daran, dass sie irgendwie unbegabter waren, sondern daran, dass „Lernen“ generell als uncool galt (bei den Jungs mehr als bei den Mädchen). Ich denke, dass sich das bei den Sprachen (in der Schule) einfach mehr auswirkt. Mal ehrlich, im Großteil der Physikschulaufgaben reicht es, wenn man das Prinzip verstanden hat und die drei Formeln kann, die man wissen muss.
Wenn man in den Sprachen die Vokabeln und Grammatik nicht kann, dann hat man Pech. Und die lernt man eben nicht einen Tag vor der Schulaufgabe, sondern nur, wenn man regelmäßig Hausaufgaben macht und lernt.
Zu dem Zahlenverhältnis kann ich schlecht etwas sagen, bei uns waren diejenigen, die in Mathe/Physik gut waren fast immer weiblich (eigentlich hatte ich nur einen männlichen Schulkamarad, der richtig gut in Mathe/Physik war), aber andererseits hatten wir auch einen sehr hohen Frauenanteil…
Der Fächerkanon und die Bildungspläne sind
weiblich. Physik wird als Jungendomäne wahrgenommen.
Mathematik spricht beide Geschlechter etwa gleichermaßen an.
Alle anderen Fächer sind eher auf die
Mädchen zugeschnitten als auf die Jungen. Themen die Jungen
interessieren und Bereiche, in denen sie sich profilieren
können, gibt es in der Schule praktisch nicht, mit Ausnahme
von Physik und Sport.
Das halte ich für nicht sehr einleuchtend. Was sind denn auf Mädchen/Jungen zugeschnittene Fächer? Warum soll Biologie, Chemie oder Deutsch ein Frauenfach sein oder Physik ein Männerfach?
Wenn jetzt auf einmal der Frauenanteil in der Physik steigt, ist das dann auch ein Frauenfach? Ich denke, nicht die Fächer sind das Problem, sondern die Zuordnung. Sollte es nicht das Ziel sein, dass jedes Fach für alle da ist, statt mit einer Klassifizierung à la „für Frauen“ oder „für Männer“ festgefahrene Muster noch zu erhärten?
Es fehlen Identifikationsfiguren. Lehrer
sind heute in der Mehrheit Frauen. In der Grundschule sind es
nahezu ausschließlich Frauen. In den 80ern und 90ern sah man
eine Ursache für das Desinteresse von Mädchen am Fach Physik,
dass Physik-Lehrer häufig Männer sind.
Wenn das stimmt: Wen
wählen sich dann Jungen heute als Identifikationsfiguren?
Na ja, wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, dann hatten wir nur männliche Mathe-, Chemie-, Biologie-, Geschichts- und Physiklehrer (mit einer Ausnahme bei den Physiklehrern), Sport und Religion waren vorwiegend männlich, Sprachen-, Wirtschafts- und Grundschullehrer vorwiegend weiblich. Ganz ehrlich gesagt hatte ich nicht den Eindruck, dass irgendetwas davon irgendeinen Schüler bei der LK- Wahl beeinflusst hat.
Vom „Entweder-Oder“ zum „Sowohl-Als-Auch“.
Nach meiner Beobachtung schätzen Jungen Situationen, in denen
es klare Gewinner und Verlierer gibt. Etwas ist entweder
richtig oder falsch. Und darüber gibt es keine Diskussion. In
den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde aber immer mehr
vernetztes, abwägendes und differenzierendes Denken (um es
positiv auzudrücken) eingefordert. Ich glaube, dass Jungen
diese Denkweise als Orientierungslosigkeit wahrnehmen, oder
selbst die Orientierung verlieren, jedenfalls mehr als
Mädchen. Auch wurde immer mehr Wert auf „Softskills“ gelegt.
In vielen Bereichen scheint das Präsentieren und das
Kommunizieren wichtiger zu sein, als das Wissen und das
Können.
Ich denke, in der Schule muss beides vermittelt werden: Klare Fakten als Grundwissen und die Fähigkeit, sie auch zu reflektieren.
Auch als Naturwissenschaftler ist man doch ohne „Präsentieren und
Kommunizieren“ aufgeschmissen.
Auf der anderen Seite stimme ich zu, dass reines Diskutieren ohne irgendwelches Wissen schlecht ist.
Aber ich verstehe nicht ganz, was das mit Benachteiligung von Jungs in der Schule zu tun hat? Ich meine, auch in Fächern, die du oben nicht als Jungendomäne eingestuft hast (Fremdsprachen, Wirtschaft, Geschichte etc.) gibt es doch ein klares richtig oder falsch? Entweder das Wort ist richtig geschrieben oder nicht, entweder der 2.Weltkrieg war 1939-1945 oder nicht. Soll es nicht auch Aufgabe einer Schule sein, nicht nur Faktenwissen, sondern auch selbstständiges Denken/Vernetzen zu lehren?
„Wenn man sich nach den Jungen richtet, dann ist das für alle
richtig.“
Wie wäre es denn mit dem Ansatz, dass man aufhört, die jetzigen Klischees zu verstärken und vorsieht, dass alle in allen Fächern ihr bestes geben? Also nicht von vornherein zu sagen: Mädchen (Jungs) sind in Physik (Sprachen) schlecht, da kann man auch nicht mehr erwarten?
In einem stimme ich zu: Sich nur nach Mädchen zu richten (Förderung) kann nicht die Lösung sein.
Die Quittung dafür ist ein Ingenieurmangel und ein
Psychologen-Überschuss.
Ich vermute mal, das ist ein Grund, warum man Frauen in technische Berufe bekommen will. Nach dem Motto: „Die Jungs studieren das sowieso und die Mädchen müssen wir davon überzeugen“.
Viele Grüße
Kati