Hallo Wiz,
mit deinem besonderen Hintergrund erklärt sich natürlich, dass
Du mit dem Thema etwas anders umgehst.
darum frage ich - seit ich diese Problematik erkannt habe - in diese Richtung besonders viel nach und versuche, mir Dinge anzulesen.
Ich will ja nicht anders wirken, als ich wirklich bin (d.h. z.B. unfreundlich oder anmaßend wirken, wenn ich jemandem freundlich weiterhelfen will).
Und an sich ist es ja
auch so rein von der Logik her selbstverständlich, dass man
direkt und offen miteinander spricht. Trotzdem hat es sich
kulturell entwickelt, dass man die verklausulierte Form in der
breiten Bevölkerung als höflicher, um nicht zu sagen notwendig
erachtet, um den nötigen Anstand zu wahren und einem
Gesichtsverlust vorzubeugen.
Dies hab ich auch schon festgestellt 
Trotzdem ist es mir immer noch lieber, wenn jemand völlig offen kommuniziert.
Mir ist es schon häufiger passiert, dass ich davon ausgegangen bin, andere würden offen kommunizieren - und diese wiederum gedacht haben „Warum kapiert Nina bloß nicht, was ich meine?“
(Beispiel: Planung eines Referats mit einer Kommilitonin, die andauernd meinte „Mir passt das Thema nicht so ganz“ und „Sie meldet sich nochmal“ - dass sie damit meinte, dass sie keinesfalls mit mir das Referat halten will, verstand ich daraus nicht; Resultat: Eine sauere Mail von der Kommilitonin, als ich wieder und wieder nachfragte; einen anderen Referatspartner hab’ dich dann auch nicht mehr gefunden, da es sehr knapp in der Zeit war.)
Mit dem Wissen um deine persönliche Situation würde ich auf
eine direkte Kritik natürlich versuchen, diese dahingehend zu
würdigen, dass es Dir schwer fällt, auf der an sich üblichen
Ebene zu kommunizieren, und würde es hoffentlich schaffen die
an sich normalen negativen Gefühle gegenüber jemand zu
unterdrücken, der mir zu offen entgegen tritt. Aber ich gebe
zu, dass das vermutlich gar nicht so einfach wäre.
Wie gesagt, ich versuche es.
Ich habe mir sehr angewöhnt, alles was ich sage/schreibe nochmal aus dem Blickwinkel anderer zu durchdenken - klappt oft, klappt nicht immer.
Dabei ist unser Kulturkreis da noch eher harmlos. Z.B. in
Asien sind die Anforderungen an die Umgangsformen in Bezug auf
die notwendige Vermeidung des Gesichtsverlustes noch viel
höher.
Oh ja 
Was jetzt deine konkrete Frage angeht, wie ich reagieren
würde, wenn mir auffallen würde, dass jemand mich nicht auf
einen offensichtlichen Fehler angesprochen hat, käme mir ganz
sicher nicht die Idee „der will sein Wissen für sich
behalten“,
… diese Idee wäre mir hingegen sofort gekommen: „Derjenige bemerkt meinen Fehler, aber spricht ihn nicht an - er will wohl der ‚einzig Schlaue‘ bleiben und hofft mitunter, ich begehe den Fehler in heiklerer Situation.“
(Umgekehrt: Wenn ich jemanden kritisiere, ist dies meist schon eine gewisse Wertschätzung an die Person - nur wenn es mir jemand wert ist (oder, wenn ich sehr angegriffen werde), mache ich mir die Mühe, dem anderen zu erklären, was er falsch gemacht hat, damit er die Chance hat, es besser zu machen. Kann ich jemanden nicht leiden, werde ich ihn bestimmt nicht korrigieren, da es mir egal ist, wenn derjenige seinen Fehler in heiklerer Situation wiederholt.)
sondern je nach Umständen eher folgende
Überlegungen: Waren wir nur zu zweit/mit Leuten zusammen,
denen der Fehler vermutlich nicht aufgefallen ist, würde ich
die als die normale Form der Höflichkeit ansehen, und dann bei
nächster Gelegenheit den Fehler korrigieren
Wenn du dich nicht getraut hast, den Fehler zu korrigieren - okay, dann macht das Sinn.
Aber wenn du später merkst, dass du etwas Falsches gesagt hast, auf das dich niemand angesprochen hat - würdest du nochmal das Gespräch suchen?
Aber so wie Du deine besondere Situation hast, habe ich die
wahrscheinlich auch. Ich bin bei diesem Thema sehr sensibel,
sowohl was die Aufmerksamkeit gegenüber dem Verhalten anderen
angeht, als auch in Bezug auf mein eigenes Verhalten.
Bei Aspies ist das oft so eine Sache:
Man ist zwar „innerlich sensibel“, kann das aber häufig nicht wirklich durchführen, da man entsprechende Signale nicht interpretiert.
Beispiel:
Man möchte freundlich sein, möchte das jemand einen Fehler nicht nochmal begeht (und ist so sensibel, sich vorzustellen, was demjenigen Peinliches passieren könnte) - weist ihn darauf hin und merkt nicht, dass er denjenigen damit versehentlich niedermacht.
Man möchte jemanden in einer schweren Situation beistehen - bekommt aber auf „Wie geht es dir?“ die Antwort „Ach danke, gut“, woraus man fälschlicherweise schließt, dass derjenige die schwere Situation überwunden hat und keine Hilfe mehr benötigt.
Summa summarum wirkt dies dann unsensibel.
Ich weiß
jetzt nicht, ob meine berufliche Situation das ausgelöst hat,
oder ob ich das mitgebracht habe, und daher entsprechend
erfolgreich bin, aber das ist tatsächlich eine Geschichte, mit
der ich täglich zu tun habe.
Wie du dir vorstellen kannst, meide ich solche Situationen eher (bin Physikstudentin, bin ansonsten Software-Entwicklerin/Doku-Mensch ohne Kundenkontakt und mit kleinem Kollegenkreis).
und dass die nette Bitte eines Kunden oder mein
Vorschlag eigentlich nichts anderes sind als eine handfeste
Anordnung was bis wann wie zu erledigen ist,
Das habe ich auch kapiert - mittlerweile 
und weder eine
andere Herangehensweise/Form geduldet ist, noch zeitlicher
Verzug akzeptiert wird, nur weil ich gesagt habe, dass ich
mich darüber freuen würde, wenn ein bestimmtes Template
verwendet würde, und ich das fertige Dokument noch heute EOB
bekommen könnte.
Tja, das habe ich auch häufiger falsch gemacht - eine Mail von Kollege A, in der stand „es soll bis heute fertig werden“ (habe ich erledigt), die Aufgabe von Kollege B aus der „ich würde mich freuen-Mail“ habe ich hingegen erst einen Tag darauf erledigt (meine Interpretation: B würde sich freuen, wenn es heute fertig ist - da er dann z.B. nochmal drüber schauen kann - , aber es muss nicht heute fertig werden).
Aber an die Formulierungskünde eines Kunden
(ehemaliger Soldat) würde ich mich nie gewöhnen können/wollen.
Der brüllte tatsächlich seine Anordnungen durch die
geschlossene Bürotür ins Vorzimmer, und endete immer schön mit
„Ausführen“ 
Oh du liebe Güte 
Am liebsten sind mir immer noch die rationalen, klaren Arbeitsanweisungen („verwende Dokumentvorlage xyz, beschreibe hauptsächlich den ersten Algorithmus, muss bis morgen fertig sein“) und komme mit unklaren oft schlecht zurecht („wäre mir lieb, wenn es bis heute abend fertig ist“, „bei dem Dokument muss noch Fleisch an die Knochen“, „gib dem Dokument Pfiff“ etc.), aber „Soldatensprache“ finde ich wirklich daneben.
Viele Grüße
Nina